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Mim kam in Chinchilla gehüllt durch die Vordertür gefegt. Ein Windstoß wehte zu ihren Füßen Schnee herein. »Wie war's?« Sie meinte Weihnachten.

»Wunderbar. Der Gottesdienst in der Kirche, also der Kinder­chor hat sich selbst übertroffen.« Miranda strahlte.

Mim stampfte den Schnee von ihren Füßen und fragte Harry. »Und bei Ihnen, so ganz allein da draußen?«

»Schön. Weihnachten war schön. Meine besten Freundinnen haben mir Gutscheine für die Sattlerei Dominion geschenkt.«

»Oh.« Mims Augenbrauen schnellten in die Höhe. »Nette Freundinnen.«

Mrs. Hogendobber legte den Kopf schief, so daß die Ohrringe das Licht reflektierten. »Wie findest du diese Prachtstücke? Hat Harry mir geschenkt.«

»Sehr hübsch.« Mim taxierte sie. »Jim hat mir eine Woche im Greenbrier-Ferienclub geschenkt. Ich denke, ich fahre im Fe­bruar, dem längsten Monat des Jahres«, scherzte sie. »Meine Tochter hat mir ein altes Foto von meiner Mutter gerahmt und mir ein Abonnement für das Virginia-Theater geschenkt. Von Jim habe ich einen Verbandskasten fürs Auto und ein Radar­warngerät bekommen.« Sie lächelte. »Ein Radarwarngerät, könnt ihr euch das vorstellen? Er hat gemeint, ich brauche das.« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Und dann hat mir je­mand eine tote Ratte geschenkt.«

»Nein!« Mrs. Hogendobber hörte auf, die Post zu sortieren.

»Doch. Ich hab das alles gründlich satt. Ich hab heute nacht allein in Mutters früherem Nähzimmer gesessen, das jetzt mein Lesezimmer ist. Ich bin alles so oft durchgegangen, bis mir schwindlig war. Ein Mann wird ermordet. Wir kennen ihn nicht und wissen nichts von ihm, außer daß er ein Landstreicher war. Richtig?«

»Richtig.«

Mim fuhr fort: »Dann wird Benjamin Seifert erdrosselt und in Crozets ersten Tunnel geworfen. Ich habe sogar an den Schatz gedacht, der angeblich irgendwo in den Tunnels liegen soll, aber das ist wohl zu weit hergeholt.« Sie spielte auf die Legende an, wonach Claudius Crozet die Reichtümer, die er von dem Russen, der ihn gefangennahm, erhalten hatte, in den Tunnels vergraben haben sollte. Der junge Ingenieur, Offizier im Heer Napoleons, war bei dem grauenhaften Rückzug aus Moskau in Gefangenschaft geraten und auf das Gut eines sagenhaft reichen Aristokraten verbracht worden. Der sympathische Ingenieur hatte sich überaus nützlich gemacht und zahlreiche Projekte für den Russen gebaut, und als die Gefangenen endlich befreit wur­den, hatte der Russe Crozet mit Schmuckstücken, Gold und Rubinen beschenkt. Zumindest erzählte man es sich so.

Harry sagte: »Und jetzt ist Cabell.« Sie schnippte mit den Fingern, um sein Verschwinden anzudeuten.

Mim machte eine abwinkende Handbewegung. »Zwei Ange­hörige derselben Bank. Verdächtig. Oder aber naheliegend. Was weniger naheliegend ist: Warum bin ich eine Zielscheibe? Zu­erst der« - sie verzog das Gesicht - »Rumpf im Bootshaus. Gefolgt von dem Kopf im Kürbis, als mein Mann Preisrichter war. Und dann die Ratte. Warum ich? Mir fällt einfach kein Grund ein, außer vielleicht kleinlicher Groll und Neid, aber deswegen wird niemand umgebracht.«

Harry wählte ihre Worte vorsichtig: »Hatte Ben oder Cabell Zugang zu Ihren Konten?«

»O nein, obwohl Cabell ein guter Freund ist. Kein Scheck geht ohne meine Unterschrift heraus. Und ich habe meine Kon­ten natürlich überprüft. Zur Vorsicht lasse ich meinen Steuerbe­rater meine Bücher prüfen. Und dann« - sie fuchtelte mit den Händen in der Luft - »der Ohrring. Sheriff Shaw hat sich aufge­führt, als wäre meine Tochter eine Verbrecherin. Verzeihen Sie, Harry, aber ein Opossum mit einem Ohrring, das ist doch kein Beweis.«

»Nein, sicher nicht«, pflichtete Harry ihr bei.

»Also, warum ich?«

»Vielleicht solltest du dein Testament neu schreiben.« Miran­da war schonungslos.

Mim war sprachlos, verlor aber nicht die Fassung, sondern sann darüber nach. »Du nimmst aber auch kein Blatt vor den Mund, was?«

»Mim, wenn du denkst, daß die Geschichte irgendwie gegen dich gerichtet ist, bist du vielleicht in Gefahr«, stellte Mrs. Ho­gendobber fest. »Was könnte man von dir wollen? Geld? Be­sitzt du Land, das eine Bauplanung behindert? Stehst du irgend etwas im Weg, das Profit verspricht? Bist du in geschäftliche Unternehmungen verwickelt, von denen wir nichts wissen? Ist deine Tochter deine einzige Erbin?«

»Als Marilyn geheiratet hat, habe ich ihr ein kleines Legat ausgesetzt, um ihnen bei ihrem Haus unter die Arme zu greifen. Sie erbt natürlich unser Haus und das Land, wenn Jim und ich sterben, und ich habe einen Fonds angelegt, der eine Generation überspringt, so daß das meiste Geld an ihre Kinder geht, sofern sie welche bekommt. Wenn nicht, fällt es an und sie muß einen Haufen Steuern zahlen. Meine Tochter wird mich nicht für Geld ermorden, und sie würde sich nicht mit einem Banker abge­ben«, sagte Mim in aller Offenheit.

»Was ist mit Fitz?« platzte Harry heraus.

»Fitz-Gilbert hat mehr Geld als Gott. Sie glauben doch nicht, daß wir Marilyn erlaubt hätten, ihn zu heiraten, ohne vorher gründlich seine finanzielle Situation zu prüfen.«

»Nein.« Harrys Antwort war von Bedauern gefärbt. Sie hätte es furchtbar gefunden, wenn ihre Eltern das dem Mann angetan hätten, den sie liebte.

»Ein entfernter Verwandter?« meinte Miranda.

»Du kennst meine Verwandten so gut wie ich. In Seattle lebt noch eine Tante von mir.«

»Haben Sie mit dem Sheriff und Coop darüber gesprochen?« fragte Harry.

»Ja, und mit meinem Mann. Er will einen Leibwächter zu meinem Schutz anheuern. Falls der es jemals durch den Schnee schafft. Und es soll ja wieder Sturm geben.« Mim, die sich sonst nicht so leicht ängstigte, war besorgt. Sie steuerte auf die Tür zu.

»Mim, deine Post.« Miranda griff in ihr Schließfach und reichte sie ihr.

»Oh.« Mim nahm die Post in ihre bottéga-veneta- behandschuhte Hand und ging.

Kurz darauf kam Fitz. Er und Marilyn hatten sich in eine wah­re Orgie des Geldausgebens gestürzt. Er zählte die unendlich vielen Geschenke fröhlich und ohne Schamgefühl auf. »Aber das Beste ist, wir fahren heute abend für ein paar Tage in den Homestead-Club.«

Miranda verlor langsam den Überblick. »Ich dachte, Mim will in den Greenbrier-Club.«

»Ja, Mutter will im Februar hin, aber wir fahren heute abend. Unsere zweiten Flitterwochen vielleicht, oder einfach, um das alles hier mal hinter uns zu lassen. Haben Sie gehört, was für ein gräßliches Geschenk Mim bekommen hat?« Sie nickten, und er fuhr fort: »Ich finde, sie sollte nach Tahiti fahren. Aber Mim läßt nicht mit sich reden. Sie macht, was sie will.«

Blair kam herein. »Hallo, ich hab eine gute Nachricht für Sie. Orlando Heguay kommt am Achtundzwanzigsten, und er kann es kaum erwarten, Sie zu sehen.«

»Orlando Heguay.« Fitz überlegte, wo er den Namen hintun sollte. »Miami?«

»Nein Andover.«

Fitz schlug sich die Hand vors Gesicht. »Mein Gott, ich habe ihn seit dem College nicht mehr gesehen. Was macht er jetzt?« Fitz holte Luft. »Und woher kennen Sie ihn?«

»Wir werden die alten Zeiten auffrischen, wenn er da ist. Er freut sich auf Sie.«

Fitz lächelte: »Wie wär's Samstag abend zum Essen im Club?«

»Ich bin nicht Mitglied.«

»Das überlassen Sie mal mir.« Fitz klopfte ihn auf den Rücken. »Das wird lustig. Sechs Uhr?«

»Sechs Uhr«, antwortete Blair.

Fitz ging mit einem Armvoll Post hinaus, und Blair sah ihm nach. »Arbeitet der Mensch auch mal?«

»Letztes Jahr hat er ein Grundstücksgeschäft abgewickelt«, sagte Harry lachend.

»Gehen Sie nach der Arbeit nach Hause?« fragte Blair sie.

»Ja.«

»Gut. Ich komm vorbei.« Blair winkte zum Abschied und ging.

Als sie wieder allein waren, lächelte Miranda. »Er mag Sie.«

»Er ist mein Nachbar. Er muß mich mögen.«