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»Warum sollte sonst jemand bei ihm herumschnüffeln?«

»Ich weiß es nicht, Harry, aber an diesen Morden ist über­haupt nichts plausibel, abgesehen davon, daß Ben Dreck am Stecken hatte. Nur was für Dreck, das wissen wir noch nicht. Ich denke aber, daß Cabell es weiß. Wir werden ihn finden. Ben ist viel reicher gestorben, als er gelebt hat. Darin war er sehr diszipliniert.«

»Worin?«

»Möglichst wenig Geld auszugeben.«

»Oh, daran habe ich nie gedacht«, erwiderte Harry »Hören Sie, Coop, wäre es möglich, einen Mann in Blairs Scheune zu postieren? Jemanden bei ihm zu verstecken? Der Kerl, mit dem wir's zu tun haben, hat nicht vor, durch Blairs Einfahrt zu pol­tern. Der kommt vom Berghang angestürmt.«

»Harry, können Sie sich einen Grund denken, irgendeinen Grund, weswegen jemand Blair Bainbridge ermorden will?«

»Nein.«

Ein langgezogener Seufzer kam durchs Telefon. »Ich auch nicht. Und ich mag den Mann, aber wenn man jemanden mag, heißt das noch lange nicht, daß er nicht in krumme Touren ver­wickelt sein kann. Wir haben seine Eltern angerufen - reine Routine und weil es mich gewundert hat, warum er Weihnach­ten nicht nach Hause gefahren ist und sie auch nicht herge­kommen sind. Seine Mutter war sehr freundlich. Sein Vater war nicht grob, aber ich habe gemerkt, daß es da Spannungen gibt. Er ist mit dem, was sein Sohn tut, nicht einverstanden. Nennt ihn einen Stümper. Kein Wunder, daß Blair nicht nach Hause wollte. Jedenfalls war von ihnen nicht viel zu erfahren. Nichts, was uns weiterbringt.«

»Postieren Sie einen Mann bei ihm?«

»Ich geh selbst hin. Zufrieden?«

»Ja. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar.«

»Ach was. Schlafen Sie gut heute nacht. Oh, haben Sie gehört, daß jemand Mim eine tote Ratte geschenkt hat?«

»Ja. Merkwürdige Geschichte.« »Mir fallen ungefähr hundert Leute ein, die das gerne tun würden.«

»Aber würden Sie's tatsächlich tun?«

»Nein.«

»Sind Sie nervös? Es ist noch nicht zu Ende. Das spür ich in den Knochen.«

Coops Schweigen sagte Harry, was sie wissen mußte. Cynthia sagte schließlich: »So oder so, wir werden den Fall lösen. Pas­sen Sie auf sich auf.«

56

Der Wind peitschte in der frühmorgendlichen Dunkelheit über die Wiesen. Selbst eine lange seidene Unterhose, ein Baum­woll-T-Shirt, ein langärmeliges Flanellhemd und eine warme Daunenjacke konnten die bittere Kälte nicht abhalten. Bis Harry zum Stall kam, taten ihr Finger und Zehen weh.

Simon war dankbar für das Futter, das sie ihm brachte. Er war über Nacht drinnen geblieben. Harry warf sogar der Eule ein bißchen Hackfleisch hin. Da die Mäuse sich bei schauderhaftem Wetter in den Stall verzogen, hätte Harry die Eule nicht zu füt­tern brauchen. Sie ernährte sich reichlich von dem, was der Stall zu bieten hatte, zum großen Verdruß von Mrs. Murphy, die der Meinung war, alle Mäuse seien ihr persönliches Eigentum.

Als die Stallarbeit getan war und Harry sich wieder nach drau­ßen wagte, blies der Wind stärker. Sie konnte nicht weiter als bis zum Rand der Wiese sehen, geschweige denn zu Blair hin­über Sie war froh, daß sie die Pferde heute im Stall gelassen hatte, auch wenn sie deswegen öfter ausmisten mußte.

Tucker und Mrs. Murphy folgten ihr dicht auf den Fersen, die Köpfe gesenkt, die Ohren angelegt.

»Sobald das mal aufhört, bitte ich die Eule, zu gucken, wo die Abdrücke waren«, sagte Tucker.

»Die sind zugedeckt.« Mrs. Murphy blinzelte, um die Schnee­flocken abzuwehren.

»Wer weiß, was sie entdeckt? Sie kann drei Kilometer weit se­hen, wenn nicht noch weiter.«

»Ach Tucker, du darfst nicht alles glauben, was sie sagt. Sie ist eine Angeberin, und wahrscheinlich wird sie gar nicht mit uns zusammenarbeiten.«

Die beiden Tiere sausten durch die Tür, als Harry sie öffnete. Drinnen klingelte das Telefon. Es war sieben Uhr.

Harry sagte »Hallo?«

Es war Cynthia. »Harry, hier ist alles in Ordnung.«

»Gut. Und was sagt Blair?«

»Zuerst fand er es albern, daß ich in der Scheune schlafe, aber dann hat er's eingesehen.« »Ist er schon wach?«

»Ich seh kein Licht im Haus. Der Mann sollte sich endlich Möbel anschaffen.«

»Wir warten auf eine gute Versteigerung.«

»Haben Sie genug zu essen? Wenn das so weitergeht, könnte es einen Stromausfall geben, und die Telefonleitungen könnten zusammenbrechen.«

»Ja. Kommen Sie denn da weg?« fragte Harry.

»Wenn nicht, verbringe ich einen interessanten Tag bei Blair Bainbridge.« Ein Brummen in der Ferne versetzte die junge Polizistin in Alarmbereitschaft. »Harry, ich ruf gleich zurück.«

Sie lief hinaus und lauschte angestrengt. Das dunkle Dröhnen eines Motors übertönte sogar das Rauschen des Windes. Es schneite jetzt so heftig, daß Cynthia kaum sehen konnte.

Sie hatte ihren Dienstwagen vor dem Haus geparkt. Sie hörte einen Augenblick nichts, dann wieder das tiefe Brummen. Sie rannte so schnell sie konnte durch den tiefen Schnee, aber es war zwecklos. Wer immer in die Einfahrt eingebogen war, hatte das Polizeiauto gesehen und sein Fahrzeug zurückgesetzt. Cyn­thia lief wieder in die Scheune und rief Harry an.

»Harry, wenn irgend jemand außer Susan oder Mrs. Hogen­dobber in Ihre Zufahrt kommt, rufen Sie mich sofort an.«

»Was ist los?«

»Ich weiß nicht. Hören Sie, ich muß in die Einfahrt, bevor die Spuren zugedeckt sind. Tun Sie, was ich sage! Wenn ich nicht in der Scheune bin, rufen Sie Blair an. Wenn er nicht abnimmt, rufen Sie Rick an, verstanden?«

»Verstanden.« Harry legte auf. Sie tätschelte Tucker und Mrs. Murphy und war sehr dankbar für deren scharfes Gehör.

Unterdessen kämpfte sich Cynthia durch den blendenden Schnee. Sie glaubte zu wissen, wohin sie ging, bis sie gegen eine alte Eiche stieß. Sie war in der Einfahrt nach rechts abge­driftet. Sie gelangte wieder auf den Fahrweg und kam zu den Spuren, die der Wagen beim Zurücksetzen hinterlassen hatte. Die Abdrücke der Reifenprofile schneiten rasch zu. Wenn sie doch nur ein Spurensicherungsgerät hätte. Hatte sie aber nicht. Bis sie sich eins besorgt hätte, würden die Spuren verschwun­den sein. Sie ließ sich auf alle viere hinunter und pustete ein bißchen Schnee weg. Breite Reifen. Tiefe Winterprofile. Solche Reifen konnte jeder normal große Lieferwagen haben oder jedes große, schwere Familienauto mit Allradantrieb, etwa ein Wago­neer, ein Land Cruiser oder ein Range Rover. Sie kniete sich in den Schnee und knallte die Faust in das Pulver. Es flog un­schuldig hoch. Halb Crozet fuhr solche Wagen, und die andere Hälfte fuhr große Transporter.

»Verdammt, verdammt, verdammt!« rief sie laut. Der Wind trug ihre Flüche davon.

Auf dem Rückweg zur Scheune krachte sie gegen die Hecke. Heute von Foxden wegzukommen, daran war nicht zu denken. Sie drückte sich an die Hauswand und tastete sich langsam zu der rückwärtigen Veranda vor. Sie öffnete die Hintertür, betrat die Veranda, schloß die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Es war noch nicht acht, und sie war schon fix und fertig. Sie konnte die Scheune nicht mehr sehen.

Sie putzte sich die Stiefel an dem Dackel-Fußkratzer ab. Sie zog den Reißverschluß ihres dicken Parkas auf und schüttelte den Schnee ab, dann hängte sie den Parka an den Haken an der Außenseite der Küchentür.

Sie trat in die Küche und rief Harry an. »Alles in Ordnung?«

»Ja, niemand in meiner Einfahrt.«

»Okay, das ist der Plan. Sie können heute nicht zum Dienst. Mrs. Hogendobber soll Sie vertreten, sofern Sie's durch die Gasse schafft. Rufen Sie sie an.«

»Ich habe noch nicht einen Tag wegen dem Wetter gefehlt.«