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»Fahren Sie fort, Mr. Heguay.«

»Ich habe Fitz-Gilbert 1971 kennengelernt. Auf dem College waren wir keine dicken Freunde. Er hatte einen guten Freund in New York, Tommy Norton. Tommy Norton habe ich im Som­mer 1974 kennengelernt. Er arbeitete als Laufbursche bei der Börsenmaklerfirma Kincaid, Foster und Kincaid. Ich war da­mals siebzehn, er muß fünfzehn oder sechzehn gewesen sein. Ich habe nebenan bei Young und Fulton gearbeitet. Danach wußte ich ganz sicher, daß ich kein Börsenmakler werden woll­te.« Orlando holte Luft und fuhr fort: »Ein-, zweimal die Woche haben wir zusammen Mittag gegessen. An den anderen Tagen mußten wir durcharbeiten.«

»Wir?« fragte Cynthia.

»Tommy, Fitz-Gilbert Hamilton und ich.«

»Erzählen Sie weiter.« Ricks Stimme hatte etwas Hypnoti­sches.

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Er war ein armer Schlucker aus Brooklyn, aber sehr helle, und er wollte so sein wie Fitz und ich. Er hat uns imitiert. Wirklich schade, daß er keine Privat­schule besuchen konnte; es hätte ihn so glücklich gemacht. Da­mals wurden noch nicht so viele Stipendien vergeben.«

»War er mal zu Besuch in Andover?«

»Hm, Fitz' Eltern sind in jenem Sommer bei dem schreckli­chen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, und im Jahr drauf ist Fitz in der Schule richtig durchgedreht. Aber Tommy und Fitz waren ja gute Freunde, und im Herbst ist Tommy minde­stens einmal dort gewesen. Er hat da auch gut hingepaßt. Da ich ein Jahr älter war als Tommy, habe ich ihn aus den Augen ver­loren, als ich nach dem College-Abschluß nach Yale ging. Fitz ging nach Princeton, als er sich wieder gefangen hatte, und was aus Tommy geworden ist, weiß ich nicht. Ich erinnere mich aber, daß er den Sommer drauf wieder bei Kincaid, Foster und Kincaid gearbeitet hat, und zwar zusammen mit Fitz.«

»Fällt Ihnen sonst noch jemand ein, der Tommy Norton ken­nen könnte?« fragte Rick.

»Der Personalchef damals war ein schleimiges Ekel namens Leonard, äh, Leonard Imbry. Komischer Name. Wenn er noch dort ist, könnte er sich vielleicht an Tommy erinnern.«

»Wie kommen Sie darauf, daß das Foto Norton darstellt?« Cynthia fand, daß Orlando mit seinen dunklen Haaren und Au­gen ungemein gut aussah, und sie wünschte, sie hätte was ande­res an als ihre Polizeiuniform.

»Ich würde nicht mein Leben darauf verwetten, aber das re­konstruierte Gesicht hatte Tommys vorstehendes Kinn. Die Nase war vielleicht ein bißchen kleiner, und der Haarschnitt stimmte nicht.« Er zuckte die Achseln. »Es sah aus wie eine ältere Ausgabe des Jungen, den ich kannte. Was ist mit ihm passiert? Bevor ich es von den Damen im Postamt erfahren konnte, haben Sie mich weggelotst.«

Cynthia antwortete. »Der Mann auf dem Foto wurde ermor­det, sein Gesicht wurde schwer entstellt und seine Leiche zer­stückelt. Die Fingerabdrücke waren ihm buchstäblich von den Fingerkuppen abgeschnitten und sämtliche Zähne ausgeschla­gen worden. Über mehrere Tage hinweg haben die Leute hier Leichenteile gefunden. Der Kopf ist auf unserem Erntefest in einem Kürbis aufgetaucht. Es war einfach schrecklich, und Kinder wie Erwachsene werden deswegen noch lange Zeit Alp­träume haben.«

Orlando war erschüttert. »Wer hätte Tommy Norton umbrin­gen wollen?«

»Das würden wir auch gerne wissen.« Rick machte sich wie­der Notizen.

»Wann haben Sie Fitz-Gilbert Hamilton zuletzt gesehen?« Cynthia wünschte, daß ihr genug Fragen einfallen würden, um ihn stundenlang dazubehalten.

»Bei meinem Examen in Andover. Seine Stimme war tiefer geworden, aber er war in der Entwicklung immer noch ein biß­chen zurück. Ich weiß nicht, ob ich ihn heute wiedererkennen würde. Es würde mich aber freuen, wenn es so wäre.«

»Sie sagten, er war in Princeton - nachdem er sich gefangen hatte.«

»Nach dem Tod seiner Eltern war Fitz eine Zeitlang total daneben. Er war völlig in sich gekehrt. Keiner von uns Jungs war besonders geschickt im Umgang mit so einer Krise. Viel­leicht wären wir heute genauso ungeschickt. Ich weiß nicht, er hat sich immer in sein Zimmer verkrochen und MozartsRe­quiem gehört. Wieder und wieder.«

Rick blickte von seinen Notizen auf. »Aber er ist auf dem Col­lege geblieben?«

»Wo hätten sie ihn sonst hin stecken sollen? Er hatte keine Verwandten, und der Vermögensverwalter seiner Eltern war ein New Yorker Banker mit Juraexamen, der den Jungen kaum kannte. Er hat das Jahr durchgestanden, und im Sommer 75 habe ich gehört, daß er langsam aus seiner Isolation herauskam und wieder mit Tommy bei Kincaid, Foster und Kincaid arbei­tete. Die zwei waren unzertrennlich. Und dann passierte dieser Autounfall. Mir ist nie was von Ärger in Princeton zu Ohren gekommen, aber so gute Freunde waren Fitz und ich ja nicht, und was immer ich hörte, kam aus zweiter Hand, weil wir alle auf verschiedene Colleges gegangen waren. Er war aber ein netter Kerl, und sein Schicksal ist uns allen sehr nahegegangen. Ich freue mich darauf, ihn wiederzusehen.«

Sie dankten Orlando, und Blair dankten sie fürs Warten. Dann hängte sich Cynthia an die Strippe und rief bei Kincaid, Foster und Kincaid an. Leonard Imbry war noch Personalchef, und er hörte sich an, als sei er zwei Jahre älter als Gott.

Ja, er erinnere sich an die beiden Jungen. Die könne man kaum vergessen nach dem, was mit Fitz passiert war. Sie hätten fleißig gearbeitet. Fitz sei labil gewesen, aber ein lieber Kerl. Er habe die beiden aus den Augen verloren, als sie aufs College gingen. Er meine, Fitz sei nach Princeton und Tommy aufs City College gegangen.

Cynthia legte auf »Chef?«

»Ja?«

»Wann kommen Little Marilyn und Fitz vom Homestead- Club zurück?« »Bin ich vielleicht der High-Society-Manager von Crozet? Rufen Sie Ihre Gnaden an.«Ihre Gnaden war Ricks Bezeich­nung für Big Marilyn Sanburne.

Cynthia rief sie an. Die Hamiltons würden heute abend zurück sein, sagte man ihr. Sie legte auf. »Finden Sie es nicht komisch, daß Orlando den Mann auf dem Foto erkannt hat, falls es wirk­lich Tommy Norton ist, und Fitz-Gilbert nicht?«

»Ich bin Ihnen einen Schritt voraus. Wir fangen sie an ihrer Tür ab. Inzwischen, Coop, fragen Sie in New York an, ob ir­gendwer bei der Polizei, im Archiv oder sonstwo, Akten über Tommy Norton oder Fitz-Gilbert Hamilton hat. Und vergessen Sie das City College nicht.«

»Wo gehen Sie hin?« fragte sie, als er seine Jacke vom Garde­robenständer nahm.

»Auf die Jagd.«

60

In den wenigen Tagen im Homestead-Club hatte Little Marilyn fünf Pfund zugenommen. Die Frühstückswaffeln, diese großen, glänzenden goldenen Vierecke, konnten die strengsten Diätfeti­schisten in Versuchung führen. Dazu kamen die Eier, die Bröt­chen, die süßen Brötchen, der knusprige Virginia-Speck. Und das war erst das Frühstück.

Als das Telefon klingelte, hob Little Marilyn träge und voll­gegessen den Hörer ab und sagte schlaff. »Hallo.«

»Baby.«

»Mutter.« Little Marilyns Schulterblätter strafften sich.

»Geht's euch gut?«

»Wir futtern wie die Schweine.«

»Du wirst nie erraten, was hier passiert ist.«

Little Marilyn straffte sich abermals. »Doch nicht schon wie­der ein Mord?«

»Nein, nein, aber Orlando Heguay - er kennt Fitz aus dem In­ternat - hat den nicht identifizierten Ermordeten erkannt. Er sagt, es war ein gewisser Tommy Norton. Ich hoffe, das ist der Durchbrach, auf den wir gewartet haben, aber Sheriff Shaw wirkt wie immer weder zuversichtlich noch hoffnungslos.«

Die Tochter lächelte, obwohl die Mutter sie nicht sehen konn­te, ein falsches Lächeln; es war ein automatischer Gesellschafts­reflex. »Danke, daß du's mir gesagt hast. Fitz wird leichtert sein, wenn ich's ihm erzähle.« Sie schwieg einen Moment. »Warum hat Rick Shaw dir gesagt, wer das Opfer war?«