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Vielleicht war es der Schock über Sun Chengs Ermordung, der sie aus ihrer Lethargie riß.

Vielleicht auch die Angst vor dem eigenen Tod.

Oder das Eingreifen ihrer Freunde draußen gab ihnen ein Beispiel und neue Hoffnung.

Einer der beiden chinesischen Männer entriß seinem überraschten Bewacher den Revolver und eröffnete das Feuer auf die weißen Eindringlinge.

Der Chinese war kein geübter Schütze, wie sein unbeholfener Umgang mit dem schweren 44er Colt verriet. Aber auf die kurze Entfernung war er auch so gefährlich genug.

Die erste Kugel zerteilte noch wirkungslos die Luft zwischen Wagner und Winkler. Aber die zweite traf Eichen-Als linke Schulter.

Der Getroffene stöhnte auf und preßte die rechte Hand auf die Wunde. Es dauerte keine fünf Sekunden, und Blut rann zwischen den Fingern hervor.

Fast gleichzeitig feuerte Louis Bremer mit seiner Pepperbox, die er mit einer raschen Bewegung gezogen hatte. Zwei Kugeln verließen kurz hintereinander die drehbaren Läufe und trafen den Chinesen in die Brust.

Der gelbhäutige Mann ließ den 44er fallen und taumelte nach hinten.

Die jüngere der beiden Frauen schrie entsetzt auf. Offenbar gehörte sie zu ihm.

Sie sprang an seine Seite, konnte ihn aber nicht mehr festhalten.

Er sank zu Boden, einen gurgelnden Laut ausstoßend. In seinen Augen lag der gebrochene Blick eines Toten.

Auch der andere Mann wehrte sich. Zwar ohne Waffen, aber sehr geschickt und erfolgreich.

Er wirbelte so schnell durch den Raum, daß die Weißen ihn vergeblich zu fassen oder mit ihren Waffen zu treffen versuchten.

Mit bloßen Händen und mit den Füßen teilte er Schläge und Tritte aus, die immer wieder trafen.

Der Kampflärm von draußen wurde lauter. Dann drangen Menschen in die Waschküche ein.

Chinesen!

Sie hielten so ziemlich alles an Werkzeugen in den Händen, was man als Waffe benutzen konnte.

Das war vielleicht nicht so gefährlich wie die Feuerwaffen der Weißen, aber die Übermacht der Gelben war erdrückend.

Der schlaue Louis Bremer erkannte das sofort und rief seine Männer zum Rückzug auf.

Immer wieder sandten die durch einen noch freien Durchgang die Waschküche verlassenden Weißen Kugeln in die Menge der nachrückenden Chinesen.

Einige der Gelben sanken getroffen zu Boden.

Aber das hielt die anderen nicht auf.

Der Zorn trieb sie an und ließ sie jede Lücke in ihren Reihen sofort wieder schließen.

»So werden wir sie nicht los!« erkannte Winkler, der noch immer die Hand auf seine Schulterwunde preßte. »Wenn wir uns nicht schnell etwas einfallen lassen, machen die Schlitzaugen mit uns kurzen Prozeß!«

»Mir ist gerade etwas eingefallen!« grinste Bremer und zeigte auf ein kleines Faß mit der Aufschrift >Petroleum<, das an einer Wand des Ganges stand. »Ich weiß nicht, wofür sie das Petroleum brauchen, ob für die Beleuchtung oder in der Wäscherei. Ist auch egal. Gießt das Faß hinter euch aus, schnell!«

Wagner reagierte schnell und führte den Befehl aus.

Gleichzeitig riß Bremer eine brennende Öllampe von der niedrigen Decke.

Er warf sie mitten in das ausgelaufene Petroleum, sobald Wagner das Faß geleert hatte und es in einem Akt ohnmächtiger Wut den Verfolgern entgegenschleuderte.

Augenblicklich entzündete sich das Petroleum und verwandelte den Fußboden hinter Bremer und seinen Männern in eine einzige brennende Fläche.

Flammenzungen leckten nach den Chinesen und fraßen sich an Hosen und Kitteln hoch.

Entsetzt wichen die Verfolger zurück, versuchten die Flammen auszuschlagen und wälzten sich am Boden.

Nicht alle konnten die Flammen rechtzeitig ersticken. Die Schmerzensschreie vom Feuer angegriffener Männer erfüllten den unteren Teil des Hauses.

»Ein hübsches Feuerchen«, grinste Wagner. »Fast so hübsch wie das letzte Nacht.«

»Vielleicht wird es noch viel hübscher«, stieß Louis Bremer erregt hervor. »Wenn diesmal die Feuerwehr nicht so früh eingreift, könnten wir das Versäumte nachholen. Den Hai wird es freuen!«

Wagner nickte und riß die Augen auf, in denen sich der zuckende Feuerschein spiegelte.

»Das ist eine wirklich gute Idee, Louis!«

Das sich rasend schnell ausbreitende Feuer hinderte die Chinesen an der weiteren Verfolgung.

Als die Weißen das Haus verließen, stießen sie auf dem Innenhof erneut auf Angehörige der aufgebrachten Menge.

»Feuer frei!« schrie Bremer und riß die Pepperbox hoch.

In mechanischer Regelmäßigkeit drückte sein Zeigefinger den Abzug durch.

Wieder und wieder drehte sich die Lauftrommel. Kugel um Kugel verließ ihren Lauf und fuhr in die Masse der Asiaten.

Die standen so dichtgedrängt, daß fast jeder Schuß ein Treffer war.

Auch Bremers Leute feuerten, was ihre Waffen hergaben.

Die Blitze der Mündungsflammen und das Krachen der Detonationen wirkten wie ein Gewitter, das plötzlich über Sun Chengs Anwesen hereingebrochen war.

Wie ein schwerer Sturm, der die Chinesen gleich reihenweise ummähte.

So stießen die Weißen kaum auf Widerstand, als sie den Hof verließen und durch eine verlassene Gasse zwischen den Rückseiten von Schuppen und Lagerhäusern hindurch zu dem Platz gelangten, wo zwei Männer die Pferde bewachten. Sie schwangen sich in die Sättel.

»Hauen wir so schnell wie möglich ab!« keuchte Winkler, dessen verletzte Schulter so sehr schmerzte, daß er das Gesicht zu einer Fratze verzog. »Wenn die Schlitzaugen uns erwischen, lynchen sie uns.«

»Nicht so hastig, Al!« hielt Bremer ihn zurück.

Der Anführer der Männer faßte in die Zügel von Winklers Pferd, das der Verletzte gerade antreiben wollte.

Bremers seltsam glänzende Augen aber waren auf das Anwesen gerichtet, das sie gerade verlassen hatten.

Die Lagerhausfassaden versperrten zwar die direkte Sicht. Aber der hell flackernde Schein am Nachthimmel verriet deutlich, daß Sun Chengs Haus lichterloh brannte.

Über dem hellen Schein lag ein seltsam dunkler Fleck wie ein bewußter Kontrast zum Feuer.

Als wolle der Nachthimmel den Flammenherd gnädig mit einer schwarzen Decke verhüllen.

In Wahrheit war es die dunkle Rauchwolke, die sich rasch ausbreitete.

»Die Gelbhäute haben jetzt andere Sorgen, als uns zu verfolgen«, stellte der Mann mit dem Rattengesicht befriedigt fest. »Es dürfte sie einige Mühe kosten, das Feuer zu löschen. Diesmal sind die Feuerwehrkompanien nicht schon auf dem Weg.«

»In der Wäscherei waren viele Chinesen«, gab Wagner zu bedenken. »Sie könnten es schaffen, das Feuer zu löschen.«

»Vielleicht«, erwiderte Bremer gedehnt. »Aber nicht, wenn wir etwas dafür unternehmen.«

»Für die Chinesen?« fragte Wagner zweifelnd.

»Nein«, grinste Bremer. »Für das Feuer!«

Er wandte sich zu den anderen Männern und rief: »Es gibt Arbeit, folgt mir!«

Sie trieben die Pferde an und galoppierten aus der Sackgasse heraus.

Dann spalteten sie sich in mehrere Gruppen auf, die schießend und schreiend durch Chinatown ritten.

Ohne Rücksicht auf andere Menschen und Tiere. Chinesen wie Weiße gerieten unter die Hufe, wenn sie nicht rechtzeitig beiseitesprangen.

Aber der Lärm und das Chaos waren nur Ablenkungsmanöver. Immer wieder zügelten die wilden Reiter ihre Tiere vor Hauseingängen, rissen Öllampen von Wänden und Decken und schleuderten sie in die Gebäude.

Wenn die Lampen zerplatzten, breitete sich das brennende Öl schnell aus. Es steckte die Holzkonstruktionen der Häuser in Brand oder die seidenen Wandbehänge. Gefräßig, wie es war, fand es überall Nahrung.

An immer neuen Orten ertönten Alarmrufe auf chinesisch oder englisch.

Die Menschen, die zum Löschen herbeieilten, fehlten wenige Minuten später am nächsten Brandherd.