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Wie ein Raubtier.

Shu-hsien war, noch vollkommen nackt, aus ihrer Kammer gekommen und umklammerte den Arm des Seemannes, um ihm die Peitsche zu entwinden.

»Die gelbe Dreckshure!« fluchte Stanford und schüttelte die Chinesin ab.

Sie fiel gegen eine Wand und stieß einen spitzen Schmerzenslaut auf, als ihr Hinterkopf gegen das Holz schlug.

Stanford wirbelte zu ihr herum und ließ wütend die Peitsche über ihren ungeschützten Körper tanzen.

Zwei blutige Striemen zeichneten sich auf den Brüsten und auf dem Bauch ab.

Als Jacob das sah, waren ihm die beiden Männer mit den Revolvern egal.

Er stieß sich vom Boden ab und sprang den Steuermann an, der ihm jetzt den Rücken zuwandte.

Weder Frenchy noch Petrov schossen. Sie waren durch Shu-hsiens Erscheinen abgelenkt.

Jacob umklammerte Stanfords Beine und riß ihn zu Boden. Die beiden Männer rangen miteinander.

Frenchy stand neben ihnen und suchte vergeblich nach einer Schußgelegenheit. Hatte er gerade auf den Deutschen gezielt, befand sich schon wieder Stanford vor seiner Mündung.

Petrov sprang hinzu und fackelte nicht lange. Mit einer raschen Bewegung zog er den Lauf des Remingtons über Jacobs Hinterkopf.

Es war ein ähnlicher Schmerz wie vorhin, als Petrovs Stiefel den Auswanderer getroffen hatte.

Jacob war lange genug außer Gefecht gesetzt, daß Stanford sich rittlings auf ihn schwingen konnte.

»Ja, gut so, Stanford!« rief Frenchy begeistert aus und drückte des Lauf des Joslyn-Revolvers gegen Jacobs Kopf. »Halt den Dutch fest, Stanford, und ich blase ihm das Lebenslicht aus!«

»Wenn du das tust, Mann, blase ich deines gleich mit aus!« erscholl die scharfe Stimme eines Mannes, der die enge Wendeltreppe heraufkam.

Louis Bremer blickte Frenchy böse an und richtete seinen Pepperbox-Revolver auf den Maat.

»Nimm die Waffe runter, Dickbauch, sonst kannst du dein Gehirn gleich am Fußboden betrachten!«

»Aber, der Dutch hat Stanford angegriffen!« stammelte Frenchy fassungslos.

»Dann verpaßt ihm meinetwegen eine Abreibung, aber laßt ihn am Leben!« Bremer schüttelte ärgerlich seinen Kopf. »Könnt oder wollt ihr nicht begreifen, daß der Hai diesen Adler haben will, und zwar lebendig?«

Frenchy murmelte eine kaum verständliche Entschuldigung und ließ zerknirscht den Joslyn sinken.

Jacob atmete auf.

Wäre Bremer nicht erschienen, wäre er jetzt schon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tot.

»Was ist mit dem anderen Kerl, diesem Harpunier?« fragte der rattengesichtige Mann.

»Der liegt im Nebenzimmer, hübsch gefesselt«, grinste Petrov. »Wider Erwarten hat er nicht den geringsten Widerstand geleistet. Das konnte er auch gar nicht. Er hat nämlich geschlafen wie ein Murmeltier.«

Stanford ließ von Jacob ab, erhob sich und fragte: »Ist unten alles unter Kontrolle?«

»Voll und ganz«, nickte Bremer zufrieden. »Wir haben den Reverend und seine Haushälterin in der Besenkammer eingesperrt. Ist ganz schön eng da drin.«

»Und die Kinder?«

»Die wagen nicht, aus ihren Zimmern zu kommen. Wir haben ihnen wohl ein bißchen Angst eingejagt.«

Bremers Blick wanderte von dem Auswanderer zu der nackten Chinesin.

»Hübsches Mädchen, unser chinesischer Engel. Der Hai wird sich freuen, wenn er seinen Engel wiederhat.«

»Über so einen Engel würde ich mich auch freuen«, meinte Stanford. »Ich würde ihm die Flügel schon stutzen, wenn er nicht.«

»Feuer!«

Der Schrei unterbrach den Seemann.

»Das Feuer kommt!« schrie ein unrasierter Mann, der die Treppe heraufstürmte.

»Verflucht, Tom, du solltest doch auf die Pferde aufpassen!« fuhr Bremer den Mann an.

»Denen wird es gleich verdammt zu heiß werden«, keuchte der Mann namens Tom, einer der beiden Kerle, die Jacob und Elihu im Schuppen beim Golden Crown bewacht hatten. »Es hat schon aufs Nachbarhaus übergegriffen.«

»Ich hätte nicht gedacht, daß es sich so schnell über Chinatown hinaus ausbreitet«, gab Bremer zu und sagte dann lauter: »Egal, unser Job hier ist getan. Bringt Adler und das China-Girl nach unten. Wir verduften!«

»Und der andere Kerl?« fragte Petrov. »Brown?«

Bremer blickte zu der Kammer, wo der gefesselte Harpunier lag.

»Nach dem hat der Hai kein Verlangen. Laßt ihn doch einfach hier verschmoren.«

Kräftige Hände packten Jacob und Shu-hsien.

Die rohe Gewalt und die Revolver der Männer ließen keine Gegenwehr zu.

Jacobs Magen drehte sich bei dem Gedanken um, daß Elihu hier oben hilflos dem Feuer überlassen wurde.

Auch Reverend Hume und Mrs. Goldridge befanden sich in Gefahr. Ebenso viele der Kinder, die sich vielleicht vor Angst vor den Gangstern nicht aus ihren Zimmern wagten - bis es zu spät war.

»Die Kinder!« sagte Jacob laut. »Wir müssen sie vor dem Feuer warnen!«

»Schnauze!« zischte Petrov.

Jacob machte erneut unliebsame Bekanntschaft mit einem Revolverlauf.

»Ihr seid verfluchte Mörder!« stöhnte der Deutsche auf.

»Ja«, sagte Louis Bremer seelenruhig. »Sonst noch was?«

*

Elihu Brown hatte alles mit angehört. Er lag, zusammengeschnürt wie ein Überseepaket, in seinem Bett und verfluchte seinen festen Schlaf.

So fest, daß er die Männer des Hais gar nicht hatte kommen hören.

Erst als sie ihn festhielten und ihm eine Revolvermündung genau zwischen die Augen drückten, war er erwacht.

Zu spät!

Gewiß, er hatte sich nichts vorzuwerfen. Die hinter ihm liegenden Anstrengungen rechtfertigten jeden Schlaf.

Aber Jake war offensichtlich rechtzeitig erwacht. Jedenfalls war der junge Deutsche nicht in der Kammer gewesen, als die Gangster kamen.

Doch es hatte dem Auswanderer nichts genutzt, wie Elihu hörte. Bremers Männer hatten ihn und die Chinesin geschnappt und brachten die beiden fort, ohne daß er einschreiten konnte.

Und ein Feuer kam!

Der Reverend und seine Köchin konnten nichts tun, das hatte er gehört.

Sollte Elihu laut rufen, um die Kinder zu warnen?

Aber wenn sie die Gangster fürchteten, würden sie kaum auf den Fremden hören.

Es kam immer wieder auf dasselbe heraus: Hätte er nicht so tief geschlafen, hätte er vielleicht etwas gegen Bremers Leute tun können. Dann wäre er jetzt nicht so verdammt hilflos!

Vor Wut auf sich selbst hätte er in den Holzrahmen des Bettes beißen können.

Der Holzrahmen!

Eine Idee durchfuhr ihn. Er mußte es versuchen! Auch wenn es nur eine vage Chance war.

Besser, als gar nichts zu tun und sich hier bei lebendigem Leibe rösten zu lassen.

Das Holz war schlecht verarbeitet. Wahrscheinlich hatte der Reverend nicht die finanziellen Mittel für besseres Material. Schon als er zu Bett ging, hatte sich Elihu an einer rauhen Kante einen Splitter eingefangen.

Jetzt drehte er sich so, bis seine auf den Rücken gefesselten Hände an der Kante lagen.

Sofort begann er damit, die Hände rauf und runter zu bewegen. Dabei drückte er den Strick fest gegen das Holz.

Der Hanf war nicht besonders dick. Das war die Chance, auf die er setzte.

Trotzdem war es ein Rennen gegen die Zeit.

Elihu tat alles, um dieses Rennen zu gewinnen.

Für sich.

Für den Reverend und Mrs. Goldridge.

Und vor allem für die Waisenkinder, die sonst sterben würden.

*

Als sie die Treppe hinuntergingen, erzählte Bremer den Gefangenen, was sich in Sun Chengs Wäscherei ereignet hatte. Fast genüßlich berichtete er von der Folter, die den alten Mann zum Reden gebracht hatte, von dem Mord an Sun Cheng und von dem Feuer, das Bremers Leute überall in Chinatown gelegt hatten. Es bereitete dem kleinen Mann offenbar Befriedigung, das wachsende Entsetzen auf den Gesichtern der Gefangenen zu beobachten.

»Ich wußte es«, sagte Shu-hsien fast tonlos. »Ich wußte, daß Sun Cheng tot ist, gestorben für uns.«