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»Der Teufel danke es ihnen! Also darum stand der Stein so sonderbar da draußen! Er lag auf seiner Spitze. Man brauchte ihm nur einen Stoß zu geben, so fiel er um und stellte sich gerade vor die Spalte. Sollte er nur für uns hingestellt worden sein?«

»Nein, denn da wäre er erst seit heute früh hierhergewälzt worden, und wir hätten die Spuren davon gesehen; das wäre mir sofort aufgefallen, und ich hätte mich dann gehütet, hereinzugehen. Der Stein gehört jedenfalls schon seit langer Zeit zu der Falle, in welcher wohl schon mancher andre Mann gesteckt haben mag.«

»Aber dann die außerordentliche Schlechtigkeit des Scheikes! Hat er nicht mit uns Wasser getrunken, mit uns geraucht? Wir sind also unbedingt seine Gäste, für welche er wie für sich selbst einzustehen hat! Wie willst du eine so grund- und bodenlose Schlechtigkeit erklären?«

»Damit, daß er erfahren hat, daß wir keine Moslemim sind. Er ist der Ansicht, daß man "Ungläubige" betrügen darf, ohne sich ein Gewissen darüber machen zu müssen.« »Ah, ist das so! Aber wir haben Farad el Aswad, den Scheik der Uled Ayun gefangen, der den Blutpreis zahlen soll, und der Welad en Nari nennt sich auch einen

Scheik derselben, wenn du nämlich nicht falsch vermutest. Wie willst du dir das erklären?«

»Dadurch, daß er der Scheik einer Ferkah (* Unterabteilung.) der Ayun ist. Er wird uns einen falschen Namen genannt haben.«

»Was hältst du von unserer Lage? Ist sie gefährlich?«

»Das kommt darauf an, ob sich die beiden Meltons noch hier befinden. Sind sie noch da, so dringen sie jedenfalls auf unsern Tod und werden uns so außerordentlich streng bewachen, daß das Entkommen gewiß ein großes Kunststück genannt werden müßte.«

»Was hältst du für wahrscheinlicher, ob sie noch hier oder ob sie fort sind?«

»Das letztere, weil sie keine Zeit übrig haben. Hier droht ihnen von allen Seiten die Gefahr, während ihnen drüben in den Vereinigten Staaten, wenn sie sich beeilen, ein großes Vermögen fast sicher ist.«

»Well! Ich bin auch der Meinung. Aber wie kommen wir hinaus? Und dann, wenn wir draußen sind, wie kommen wir fort?«

»Durch List oder mit Gewalt. Warten wir erst, was die Menschen thun werden, welche uns hier eingesperrt haben!«

»Das brauchen wir nicht. Deine beiden Gewehre halten uns alle Feinde fern. Sie müssen weit fort, um von den Kugeln deines Bärentöters nicht erreicht zu werden, und dann haben wir ihre Schießbüchsen nicht zu fürchten.«

»Aber dennoch sind viele Hunde des Hasen Tod. Und selbst wenn ich dir auch unbedingt beistimmen wollte, wie kommen wir hinaus?«

»Da, wo wir hereingekommen sind! Der Stein ist zehn, höchstens zwölf Zentner schwer. Drei Männer, wie wir sind, werden ihn doch wegbringen können! Für den Mann vier Zentner!«

»Ja, wenn wir Platz genug hätten, unsere Kräfte zu entfalten!«

»Versuchen wir es wenigstens!«

Winnetou hatte uns zugehört, ohne ein Wort dazu zu sagen, jetzt meinte er:

»Der Stein ist nicht fortzuschieben. Meine Brüder brauchen den Versuch gar nicht zu machen.«

»Probieren wir es dennoch!« bestand Emery auf seinem Willen. »Wir dürfen nichts, gar nichts unterlassen.«

Ich zweifelte nicht im geringsten daran, daß wir drei zusammen im stande wären, einen Stein von zwölf Zentnern Schwere von der Stelle zu bewegen, hier aber war ich ebenso überzeugt, daß wir es nicht vermochten. Winnetou folgte gutmütig der Aufforderung des Englishman. Er legte sich mit ihm in die Spalte, Rücken gegen Rücken, denn wegen der Enge derselben hatten sie nicht anders Platz; sie stemmten ihre Schultern gegen den Stein. Ich beugte mich über sie nach vorn und half. Wir vereinigten alle unsere Kräfte zu mehreren gewaltigen Stößen, doch vergeblich, denn die Kraft traf nicht nur den Stein, sondern auch die beiden Seiten der Felsenspalte; es ging also soviel von ihr verloren, daß es uns nicht gelang, dem Steine auch nur den kleinsten Ruck zu geben.

»Lassen wir ab!« keuchte Emery. »Wir bringen ihn wirklich nicht von der Stelle.«

Und als jetzt draußen sich ein mehrstimmiges Hohngelächter hören ließ, fuhr er grimmig fort:

»Hört ihr's! Sie horchen draußen! Sie haben unsere Anstrengung bemerkt und lachen uns aus! Hätte ich die Lacher hier; das Lachen sollte ihnen augenblicklich vergehen! Mit Gewalt ist allerdings nichts auszurichten; das sehe ich ein. Also müssen wir zur List unsere Zuflucht nehmen. Aber wie?!«

»Habe es doch nicht so eilig!« bat ich ihn. »Sinnen und Ueberlegen bringt gute Gedanken.«

»Oft auch nicht. Wie wollen wir die Kerls überlisten, wenn wir hier stecken und sie draußen sind!«

»Mein Bruder mag, wie Scharlieh ihm schon gesagt hat, warten,« meinte der Apatsche in nachdrücklicher Weise. »Winnetou ahnt einen Ausweg und wird versuchen, ob derselbe möglich ist.«

»Welchen Ausweg?«

»Merkt mein Bruder Emery nicht, wie feucht es in dem Spalte ist?«

»Das merke ich freilich.«

»Sind aber etwa die Wände naß?«

»Nein; sie sind trocken. Nur der Boden ist feucht.«

Indem der Engländer dies sagte, hob er eine der Matten auf und befühlte die unter ihr befindliche Stelle.

»Mein Bruder hat den Quell gesehen, der sich draußen befindet?« fuhr der Apatsche fort. »Von ihm muß die Feuchtigkeit kommen. Das Wasser wandert aber nicht in solcher Menge durch den harten Felsen, sondern nur durch Sand. Der Boden der Felsenspalte muß also aus Sand bestehen. Die Spalte geht hoch empor, wie wir sehen; aber sie scheint auch tief in die Erde zu steigen und ist bis zu der Höhe, in welcher wir, uns befinden, mit Sand ausgefüllt.«

»So liegt wahrscheinlich der Stein da draußen auch auf Sand und nicht auf Felsen!« rief da Emery.

»Winnetou vermutet es. Wir werden also graben, bis der Stein sich so weit gesenkt hat, daß wir über ihn hinaus und hinweg können.«

»Wenn wir sein ganzes Fundament unterwühlen wollen,« fiel ich ein, »so stürzt er, während wir unter ihm graben, auf uns und erdrückt uns. Nein, wenn sich die Voraussetzung meines roten Bruders als richtig erweist, so müssen wir ihn stehen lassen, werden uns aber unter ihm hinweg- und hinausgraben. Machen wir zunächst eine Probe!«

Wir schafften die Matten und den Teppich nach dem hintern Teile der Spalte und begannen zu graben. Dazu konnten wir nur die Hände und die Messer nehmen, da wir keine andern Werkzeuge hatten. Natürlich begannen wir die Arbeit vorn am Eingange, gleich hinter dem Steine. Zu unserer Freude fanden wir grobkörnigen Sand, der mit Steingeröll untermischt war. Wir warfen ihn nach dem Hintergrunde der Spalte.

Selbstverständlich mußten wir dabei sehr vorsichtig verfahren, damit kein verräterisches Geräusch nach außen dringen könnte. Darum förderten wir die Arbeit nicht gut, was uns aber keinesweges mißmutig machte, denn wir hatten Zeit. Es war jetzt eine Stunde nach Mittag, und die Mine, welche wir gruben, durfte erst dann das Freie erreichen, wenn es dunkel geworden war.

Licht zur Arbeit hatten wir genug, denn der Stein verschloß nur den untern Teil der Spalte, und ließ den obern offen; letzterer aber war eben leider so eng, daß sich höchstens ein Kind mit großer Mühe hätte durchzwingen können.

Je tiefer wir kamen, desto wahrscheinlicher wurde es, daß die Wände unserer Mine einstürzen würden; der Sand rollte nach. Zum Glück hatten wir den Teppich und die Matten, welche wir vorstopften; die Gewehre mußten als Stützen dienen.

Wir mochten über eine Elle tief gekommen sein, da hörten wir draußen eine Stimme rufen: