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»Das werde ich nicht. Wenn du die Waffen wünschest, so laß den Stein entfernen, und komm herein! Dann können wir den Handel weiterbesprechen.«

»Wenn du dich weigerst, werde ich dich zwingen!«

»Thue das! Indem du uns so verräterisch hier eingesperrt hast, hast du dir selbst die Macht und die Gelegenheit genommen, uns zwingen zu können.«

Wieder schwieg er eine ganze Weile, wenigstens gegen mich, denn ich hörte ein leises Geflüster. Er besprach sich mit seinen Leuten. Dann erklang seine Stimme abermals laut:

»Ich habe den Boten des Herrn der Heerscharen erlaubt, zu ihm zurückzukehren. Du willst den Brief schreiben?«

»Ja.«

»So werde ich ihn dir diktieren.«

»Ich habe nichts dagegen, doch muß ich mich vorher überzeugen, daß die Leute wirklich hier sind.« »Ich gebe dir mein Wort, daß sie da sind!«

»Ich glaube nicht dir, sondern meinen Augen. Du hast uns bei unserer Ankunft die Unwahrheit gesagt, und wer mich einmal belogen hat, dem glaube ich niemals wieder.«

»Hund, du beleidigst mich!«

»Ich sage, was ich denke. Ist dir das nicht recht, so bedenke, daß auch du gethan hast, was uns nicht recht war!«

»Du hast aber zu schreiben, ohne daß du sie siehst. Ich verlange es!« »Verlange es immerhin! Ich habe nichts dagegen!«

»Allah durchbohre dich! Du bist ein Hund, der nie gehorcht, sondern stets nur seinen eigenen Willen thut! Kannst du denn die Leute sehen, wenn sie hier stehen?«

»Ja. Da linker Hand von mir steht der Stein ein klein wenig vom Felsen ab; ich kann hindurchblicken und werde jeden sehen, der sich auf diese Seite stellt.«

»So holt die Schurken; er mag sie sehen!«

Nach diesem Befehle hörte ich Schritte, welche sich entfernten. Die beiden Boten wurden gebracht, und einer nach dem andern auf die angegebene Stelle gestellt. Ich sah sie; sie waren es wirklich.

»Hast du sie erkannt?« fragte der Scheik.

»Ja.«

»Du siehst also, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Wenn du mich noch einmal einen Lügner nennst, werde ich dich dafür peitschen lassen, bis dir das Blut von allen Gliedern tropft!«

»Und dennoch bist du einer! Du hast gesagt, der Kolarasi sei mit seinem Begleiter gleich wieder fort, und doch sind sie noch hier.«

»Sie sind fort!«

»Möchte wissen, wohin! Ich weiß doch ganz genau, daß sie nur hierher wollten, um sich in den Schutz der Uled Ayun zu begeben.«

»Das ist nicht wahr. Sie wollten weiter. Was ich sage, ist richtig! Habe ich ihnen doch einen Führer mitmitgegeben, den besten Kenner der Gegend zwischen hier und dem Meere, der sie sicher nach Hammamet bringen wird. Willst du nun schreiben?«

»Ja.«

»So schafft die beiden Halunken wieder fort!«

Ich hatte meinen Zweck erreicht; ich wußte nun nicht nur, daß die beiden Meltons nicht mehr hier waren, sondern auch wohin sie sich gewendet hatten. Die Boten wurden fortgeführt, und dann diktierte mir der Scheik das Schreiben.

Es war eine eigenartige, beinahe lächerliche Lage. Draußen stand der Beduine, welcher nicht schreiben und wohl auch kaum lesen konnte, und ich mußte oder sollte vielleicht nachschreiben, was er mir vorsagte. Er stellte Bedingungen, welche gar nicht zu erfüllen waren. Seine Absicht ging darauf hinaus, von der Auszahlung des Blutpreises loszukommen und die Freiheit der vierzehn gefangenen Ayuns zu erhalten, ohne aber verbunden zu sein, uns das Leben zu schenken.

Ich schrieb, um ihn nicht belügen zu müssen, alles nach, auf die eine Seite des Blattes, welches ich aus dem

Notizbuche gerissen hatte. Während der Pausen aber, in denen er sich besann, teilte ich auf der andern Seite dem Herrn der Heerscharen das Geschehene mit und bat ihn, sich gar nicht um uns zu bekümmern, da wir schon in der nächsten Nacht wieder frei und auf dem Wege nach Hammamet sein würden.

»Nun, bist du fertig?« fragte er dann.

»Ja.«

»So gieb den Brief heraus!«

Ich schob das Blatt durch die Lücke, durch die ich vorhin geblickt hatte. Es entstand eine Pause. Er sah es an, und sagte dann in einem Tone, dem man die Verwunderung anhörte:

»Was ist denn das? Das kann man ja gar nicht lesen!«

»Der Herr der Heerscharen kann es ganz gut lesen,« antwortete ich.

Ich hatte nämlich deutsch geschrieben und auch das Diktat in deutsche Sprache übersetzt. Er schien das Blatt andern zu zeigen, denn ich hörte wieder flüstern, und es dauerte längere Zeit, ehe er mich fragte:

»Was ist denn das? Das sind ja ganz fremde Schriftzüge!«

»Es ist die Schrift, welche in meiner Heimat gebräuchlich ist.«

»Aber kann denn der Herr der Heerscharen die fremde Schrift lesen?«

»Ja.«

»Gut! Wenn er es nicht lesen kann, ist es dein eigener Schaden. Seine Boten mögen es ihm bringen; sie mögen ihm auch sagen, wohin er seine Antwort zu senden hat, denn wir bleiben hier nicht halten, sondern ziehen morgen weiter. Bis ich seine Antwort habe, werdet ihr weder zu essen noch zu trinken bekommen, damit eure Sehnsucht nach ihm um so größer werde.«

Er entfernte sich mit denen, die bei ihm gestanden hatten, und nun schob ich mich wie ein Schornsteinfeger so hoch wie möglich in der Spalte in die Höhe, um einmal hinauszublicken.

Da, wo der vorliegende Stein oben zu Ende ging, war der Spalt kaum einen Fuß breit, doch bemerkte ich gerade dort einen kleinen Riß in dem Gestein. Ich fuhr mit dem Messer in denselben und brach das Stück heraus. Nun konnte ich den Kopf gerade soweit vorschieben, daß ich hinaus- und an dem Steine herunterblicken konnte.

Es stand kein Posten draußen. Man hielt den schweren Stein für einen mehr als hinreichenden Wächter, ein Umstand, über den wir uns nur freuen durften. Ich konnte die ganze Breite des Thales überblicken, und auch nach links hinauf- und nach rechts im Wadi hinabsehen. Es waren weit mehr Menschen da, als wo wir gekommen waren. Jedenfalls hatten sie sich bei unserer Ankunft versteckt gehalten, um uns so vertrauensselig wie möglich zu machen. Der Scheik stand links bei den Boten Krüger-Beis. Ich sah, daß er ihnen den Brief gab; dann stiegen sie auf ihre Tiere und ritten davon. Ob sich das, was ich geschrieben hatte, nämlich meine Hoffnung, noch in der folgenden Nacht frei zu sein, auch erfüllen würde?

Nie vergeht die Zeit schneller als dann, wenn man sie am nötigsten hat. Die Sonne hatte sich schon hinter dem hohen, westlichen Ufer des Wadi niedergesenkt, und bald hörten wir draußen das Gebet der Dämmerung erschallen. Dann kam das Abendgebet. Der Mond ging auf, doch drang sein Schein nicht in unser schönes »Haus des Besuches«. Ich kletterte wieder empor und sah hinaus. Kein Feuer brannte, denn der Mond leuchtete hell genug. Am Steine stand noch immer keine Wache. Man vertraute vollständig seinem schweren Gewichte. Wir arbeiteten und gruben im Dunkeln. Da wir nichts sehen konnten, mußten wir uns ganz allein auf den Tastsinn verlassen. Winnetou machte den Vormann. Er scharrte den Sand los, und warf ihn dem hinter ihm in der Grube stehenden Emery zu, welcher ihn wieder mir zuschob, der ich ihn hinauf auf den Fußboden der Spalte zu werfen hatte. Denn wir standen jetzt viel tiefer, als der letztere lag. Das Loch führte zwei Ellen gerade ab- abwärts, und dann wenigstens drei Ellen wagerecht weiter. Winnetou befand sich jedenfalls schon unter dem Steine und hatte dann, um das Freie zu erreichen, wieder aufwärts zu graben. Es war gegen Mitternacht; in einer Stunde konnten wir fertig sein.

Da hörte ich vor mir ein dumpfes Geräusch.

»Emery!« rief ich.

»Ja. Was?« antwortete er.

»Was macht Winnetou?«

»Er ruht aus; es kommt kein Sand mehr von ihm zu mir.« »Um Gottes willen, greif nach ihm!«