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Die durstig gewordenen Tiere mußten getränkt werden; zu fressen konnten wir ihnen aber heute leider nichts bieten. Dazu eignete sich am besten die Nebenhöhle, welche genug Wasser für alle enthielt. Der kleine Mimbrenjo mußte die Yumas hinführen, und diese staunten nicht wenig, als sie nach Wegräumung des Gerölles die Höhle sahen, von der sie keine Ahnung hatten, und dazu hörten, daß wir durch dieselbe in

den Schacht gekommen seien.

Gleich nach unserer Ankunft trug sich ein Ereignis zu, welches von traurigen Folgen begleitet war. In den ersten Augenblicken bewegte sich alles durcheinander, so daß der einzelne nicht in die Augen fiel; dann aber, als sich ruhigere Gruppen gebildet hatten, hörte ich die Stimme Meltons, welcher dem entfernt von ihm liegenden Weller zurief:

»Weller, dort ist der Player, und nicht gefesselt wie wir! Wie geht das zu?«

»Wo?« fragte der Angerufene. »Ah, dort! Ich sehe ihn. Sollte der Schuft den Verräter gemacht haben?«

»Natürlich! Anders kann es nicht sein, da er sonst gebunden wäre, wie wir gebunden sind. Hätte ich meine Hände und Füße frei!«

»Ja, hätten wir sie frei, wir würden ihm den Judasgroschen auszahlen. Player, he, Player!«

»Was giebt es?« fragte der Genannte, als er den Ruf hörte.

»Komm doch einmal her! Ich muß dich um etwas fragen.«

Noch ein anderer hörte den Ruf, nämlich der Herkules.

»Ah, der alte Weller!« hörte ich ihn sagen. »Der ist mein Mann.«

Er folgte dem Player nach der Stelle, wo Weller lag. Ich ging hinter ihm her, um möglicherweise eine Uebereilung zu verhüten. Der Riese schien den Kolbenhieb des jungen Weller überwunden zu haben; aber ob er den Wunsch nach Rache ebenso überwinden werde, das war eine andere Frage. Ich hätte den nun zwischen Weller und dem Player stattfindenden Wortwechsel nicht zugeben sollen und auch leicht verhindern können, aber ich dachte, vielleicht noch etwas erfahren zu können, und es war ganz so, als ob das, was nun geschah, nicht anders hätte kommen können.

»Wie kommst denn du hierher?« fragte Weller in einem keineswegs feindlichen Tolle. »Ich wurde von Old Shatterhand überrumpelt und gefangen genommen.«

»So bist du sehr unvorsichtig gewesen! Dir scheint es aber besser zu gehen als mir und Melton, denn du bist frei. Wie kommt das? Wahrscheinlich hast du dich bei Old Shatterhand und Winnetou eingeschmeichelt. Wie?«

Der Gefragte überlegte einige Augenblicke, ob er die Wahrheit zugeben oder leugnen solle, und antwortete dann:

»Warum sollte ich nicht! Da wir Old Shatterhand und den Apatschen gegen uns hatten, so war fast mit Sicherheit vorauszusehen, daß wir den kürzern ziehen würden; sodann hatte ich, wie ich dir heute sagen will, gar wohl durchschaut, daß ihr beiden den Löwenanteil für euch behalten und mich mit einer Wenigkeit abfinden würdet, und endlich - -«

»Nun, endlich? Was weiter?« fragte Weller, als der andere einen Augenblick innehielt.

»Endlich.« fuhr dieser fort, »gingen mir auch die armen Teufel im Kopfe herum, welche so schmählich da unten im Schachte verkommen sollten. Sie thaten mir leid, und ich begann, einzusehen, daß das, was wir an ihnen verübt hatten und noch verüben wollten, ein sehr schweres Verbrechen sei.«

»Ah, so bist du wohl ganz plötzlich ein Betbruder geworden?«

»Das nicht, aber vielleicht werde ich es noch, um das, was ich mit euch begangen habe, unserm Herrgott abzubitten.«

»Kannst du sagen, was man mit uns vornehmen wird?«

»Ich befürchte, daß ihr keine Hoffnung habt, jemals wieder freizukommen.«

»Eigentlich hast du dasselbe Schicksal verdient wie wir, dennoch aber freut es mich, daß wenigstens einer von uns so gut gefahren ist. Wie steht es denn mit meinem Sohne? Ich habe euch gesucht, um zu erfahren, was mit ihm vorgenommen worden ist, euch aber nicht gefunden.«

»Willst du die Wahrheit hören?«

»Ich werde wohl nicht daran sterben. Also nur heraus damit! Du weißt, daß ich kein Schwächling bin.«

Letzteres mochte wahr sein, dennoch lag eine furchtbare Angst in dem fragenden Blicke, den er erwartungsvoll auf den Player richtete. Der Vater machte sich in ihm geltend. Als der Gefragte nicht sogleich antwortete, fuhr er fort:

»Also aufrichtig gesagt, ist er tot?«

»Ja.«

»Tot, also tot!,« wiederholte er, indem er die Augen schloß. Man sah, welche Wirkung die Nachricht auf ihn ausübte. Die Wangen fielen nach innen, und sein Ge- Gesicht bekam für kurze Zeit das Aussehen eines Toten. Dann öffnete er die Augen wieder und erkundigte sich:

»Was für ein Tod? «

»Erwürgt durch - -«

»Durch mich!« antwortete jetzt der Athlet. »Ihr Schurken glaubtet mich tot, aber mein Schädel war fester, als ihr dachtet. Ich bekam nur ein kurzes Fieber, und in diesem Fieber habe ich deinen Buben mit den Fäusten erwürgt, sowie ich dich bei voller Besinnung erwürgen möchte und auch noch erwürgen werde!«

Weller schloß die Augen zum zweitenmal und für längere Zeit als vorhin. Was mußte jetzt in ihm vorgehen! Als er sie öffnete, zeigte sein Gesicht das Gegenteil von dem, was ich erwartet hatte, nicht Haß, Grimm und Wut, sondern einen, fast möchte ich sagen, sanften und rührenden Zug der Ergebung. Und in einem solchen Tone wendete er sich an den Player:

»Du hast also Winnetou und Old Shatterhand mit ihren Mimbrenjos hierhergeführt?« »Ja, ich leugne es nicht; aber sie hätten den Weg auch ohne mich gefunden.«

»Mag sein, doch war es von dir dennoch ein Verrat gegen uns, den du besser unterlassen hättest. Mit deiner Gefangennahme und deinem Uebergange zu den Gegnern hat unser Pech eigentlich erst begonnen. Es wird wohl aus mit uns sein, und da habe ich einen Wunsch, der meine Hinterlassenschaft betrifft. Würdest du ihn mir als alter Kamerad erfüllen?«

»Wenn ich kann, ja.« »Du kannst es, ohne ein Unrecht zu thun und ohne alle Mühe. Komm her zu mir!«

Der Player trat ihm einen Schritt näher und bog sich leicht zu ihm nieder. Eine plötzliche Regung in mir wollte mich veranlassen, ihn zu warnen; aber was konnte ihm Weller thun? Er war an den Füßen und Armen gefesselt und außerdem durch meinen Schuß an der Rechten so verwundet, daß er dieselbe nicht bewegen konnte.

»Noch leiser muß ich reden, noch leiser. Komm also näher; kniee da nieder!«

Der Player entsprach dieser Forderung, indem er sich auf das Knie niederließ, und ging damit in die ihm so schlau gestellte Falle des äußerlich so ergeben erscheinenden und innerlich doch von unbeschreiblicher Wut durchtobten Verbrechers. Dieser stemmte nämlich die Ellbogen fest auf die Erde und hob blitzschnell die Beine hoch empor, um sie ebenso schnell auf die Achseln des Players niederzusenken. Es muß dabei daran erinnert werden, daß nicht seine Beine, sondern unten seine Füße und zwar an den Fußgelenken, zusammengebunden waren; er konnte die Beine also in den Hüftgelenken hochheben und bei den Knieen soweit auseinandernehmen, daß zwischen ihnen eine Oeffnung entstand, in welche der Kopf des Players zu stecken kam. Darauf preßte Weller die Kniee mit aller Kraft an dem Halse seines frühern Kameraden zusammen, sodaß sich dessen Gesicht sofort blau färbte, und schrie dabei jubelnd und in einem ganz andern Tone, als er vorhin gesprochen hatte:

»Habe ich dich überlistet, du zehnfacher Schurke? Und du hast meinem freundlichen Gesicht geglaubt, du hundertfacher Dummkopf! Rache will ich haben, Rache! Ist infolge deines Verrates mein Sohn erwürgt worden, so sollst nun du dafür auch erwürgt werden!«