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»Habt da keine Sorge, Sir! Das Spiel ist mir widerwärtig geworden, sonst wäre ich nicht mit hierher gegangen, um mich zwischen Indianer in die Einöde zu vergraben. Das Geld ist zwar leicht gewonnen, aber noch schneller wieder verschwunden; arbeite ich jedoch, so ist mir jeder Dollar lieb, den ich verdiene, und ich wende ihn zehnmal um und gebe ihn dann erst recht noch nicht wieder aus.«

»Seht da, was Ihr für gute Ansichten entwickelt! Wenn Ihr an denselben festhaltet, werdet Ihr es bald zu etwas bringen.«

»Darauf schwöre ich. Wenn ich erst hundert Dollars habe, dann arbeite ich doppelt und dreifach eifrig, daß rasch zwei und dann dreihundert draus werden. Damit könnte man es schon wagen, sich eine kleine Farm zu pachten.«

»Hm! Ich möchte doch wissen, ob Ihr das Geld wirklich dazu anwenden würdet.« »Ganz gewiß!«

»So will ich Euch einmal etwas sagen. Ich habe gerade dreihundert Dollars übrig, die ich nicht brauche und die ich auf meinen Fahrten nicht gern mit mir herumschleppen möchte. Könntet Ihr sie mir nicht abnehmen? Ich möchte sie Euch borgen.«

»Mir, dem Player, dreihundert Dollars borgen! Sir, das ist kühn!«

»O nein, denn wie ich Euch jetzt beurteile, bin ich überzeugt, daß Ihr sie mir wiedergebt.«

»Aber wenn ich dann, wenn Ihr sie gerade braucht, nicht zahlen kann? Angelegte Gelder lassen sich nicht jeden Augenblick flüssig machen.«

»So warte ich. Ich bin Prairieläufer und an keine Zeit, an keinen Ort gebunden. Ich reise auch in andern Ländern und könnte keinen Kündigungstermin einhalten. Machen wir die Sache kurz. Wollt Ihr das Geld geborgt haben?«

»Ich nehme es gern.«

»So sollt Ihr es ohne Kündigung haben. Ihr gebt es mir wieder, wenn es Euch paßt und ich zufällig bei Euch bin. Soll darin eine Aenderung eintreten, so werden wir uns leicht einigen. Sobald ich mit Euch über die Grenze komme, gebe ich Euch das Geld, und Ihr pachtet irgend ein Anwesen. Bin ich dann einmal wieder im Lande, so besuche ich Euch, und wir werden dann sehen, ob ich das Geld brauche oder nicht. So soll es sein, von Zinsen aber keine Rede. Seid Ihr damit einverstanden?«

»Welche Frage! Hier meine Hand. Ich danke Euch von ganzem Herzen. Und so lange ich lebe, werde ich immer daran denken, daß Ihr es seid, Sir, dem ich es zu verdanken habe, wenn ich ein glücklicher Mensch ge- geworden sein werde, der ruhig schlafen kann und sich nicht vor den Folgen seiner Thaten zu fürchten braucht.«

Er hatte in einem wirklich herzlichen Tone gesprochen; es war ihm ernst mit dem Vorsatze, einen neuen Lebensweg einzuschlagen. Ich freute mich darüber, ihm das Geld geben zu können, welches ich natürlich von der Summe nehmen wollte, die ich Melton und Weller abgenommen hatte. Zwar war dieselbe für die Deutschen bestimmt, doch konnten sie die Wenigkeit schon missen, welche für die Partei höchstens zehn Dollars betrug. Als ich ihm die mir dargebotene Hand schüttelte, empfand ich im Innern eine frohe Genugthuung.

Er wollte in seinen Dankesworten noch nicht abbrechen, doch konnte ich ihm weiter keine Aufmerksamkeit schenken, denn dieselbe wurde auf eine bedeutende Pferdeschar gelenkt, welche, von mehreren roten Reitern geleitet, im Galopp von Norden her herangeflogen kam. Es waren die Rosse, nach denen die »listige Schlange« einen Boten geschickt hatte. Sie kamen in der letzten Viertelstunde des Tages an, und als sie ringsum angepflockt waren, brach der Abend herein.

Die Führer dieser Pferdeherde waren so umsichtig gewesen, dürres Holz in Bündeln mitzubringen, so daß einige Feuer angebrannt werden konnten. Der in den Wagen befindliche Proviant ermöglichte es, ein Festmahl zu veranstalten, ein Festmahl freilich nach dortigen Begriffen, denn nach der Ansicht civilisierter Menschen war es sehr einfach und sogar fast knapp, da wir mit den Vorräten sparen mußten.

Nach demselben legte ich mich schlafen; meine Landsleute und die Mimbrenjos thaten dasselbe; die Yumas aber nahmen sich noch nicht die Zeit dazu, sondern sie gingen nach Almaden hinüber, um das Nest auszuplündern. Früh sah ich, daß sie sich nicht weniger als alles, was dort zu finden gewesen war, angeeignet hatten. Für den Indianer hat der geringste Gegenstand, den ein anderer als unnütz liegen lassen oder wegwerfen würde, noch immer seinen, und zwar vielleicht großen Gebrauchswert. Sie hatten auch die beiden alten Frauen mitgebracht. Das Schachtloch war von ihnen mit Steinen verschlossen und der Eingang zur Höhle verschüttet worden. Wahrscheinlich hat sich bis heute noch niemand gefunden, der die Mittel und den Mut besitzt, das wertvolle Innere des öden Felsens auszubeuten.

Ich war der erste, welcher früh erwachte, und weckte den guten Don Endimio de Saledo y Coralba nebst seinen Wagenführern. Ich ordnete das Geschäft mit ihnen, dann wurden die andern Schläfer geweckt, worauf die Arbeit des Verladens begann. »Listige Schlange« leitete dieselbe, da ihm die Packpferde gehörten. Die Jüdin und ihr Vater waren nicht zu sehen; sie mochten in dem Zelte ihres Häuptlings stecken und Angst vor mir haben. Ich saß neben Winnetou und sah der Arbeit zu. Da näherten sich uns zwei Männer, denen man es ansah, daß sie sehr Wichtiges mit uns zu besprechen hatten - der Haziendero und der Juriskonsulto. Daß sie noch einmal kommen würden, um mir Forderungen und Vorwürfe zu machen, hatte ich gewußt. Seit gestern abend, wo ich Melton den Yumas überantwortet hatte, befand sich derselbe unter strenger Bewachung in einem der Zelte.

Die beiden grüßten höchst ceremoniell, der Juriskonsulto mit einer sehr strengen Amtsmiene; dann sagte der letztere:

»Ich sehe, daß Sie sich zur Reise rüsten, Sennor. Wohin soll es gehen?« »Nach Chihuahua,« antwortete ich.

»Das kann ich nicht zugeben! Ich muß darauf dringen, daß sämtliche Personen, welche sich hier befinden, mit mir nach Ures kommen!«

»Wahrscheinlich als Arrestanten?«

»So ähnlich!«

»So arretieren Sie uns!«

»Das möchte ich nicht gern, denn ich hoffe, daß die Amtswürde, in welcher ich mich befinde, Sie veranlassen wird, freiwillig mitzugehen.«

»Da ich noch nichts von dieser Würde bemerkt habe, kann sie mich auch zu nichts veranlassen. Uebrigens denke ich, daß wir uns auf dem Gebiete der Yuma-Indianer befinden, und ich habe die feste Absicht, die Sitten und Gebräuche derselben mir als Gesetz dienen zu lassen. Und selbst wenn es anders wäre, worüber ich mich aber gar nicht mit Ihnen streite, so bin ich ein Deutscher und habe nach der Anweisung, welche Sie selbst mir gaben, ganz und gar nicht die Pflicht, mich nach ihrem Willen zu richten.«

»Ich? Ich selbst hätte Ihnen so etwas gesagt? Das ist nicht wahr!«

»Es ist wahr. Als ich bei Ihnen war, um Sie um Schutz für die deutschen Emigranten zu ersuchen, behaupteten Sie, daß Sie mit denselben nichts zu thun hätten, und verweigerten mir den erbetenen Schutz. Infolgedessen bin ich in die Berge geritten, um mich ihrer anzunehmen, und nun ich sie aus der fürchterlichen Lage befreit habe, in welche sie infolge Ihrer Weigerung gekommen sind, treten Sie vor mich her und behaupten, daß wir uns unter Ihre amtliche Gewalt und Würde zu stellen hätten. Damit richten Sie sich aber an eine sehr falsche Adresse, Sennor. Ich bin nicht der Mann, der nach Laune und Belieben mit sich schalten läßt.«

»Was gehen mich Ihre deutschen Arbeiter an! Befinden sie sich etwa allein hier? Es sind noch andere Leute auch da. Es sind auch Dinge geschehen, in meinem Amtsbereiche geschehen, welche ich gerichtlich verfolgen muß. Ich meine da den Ueberfall der Hazienda, die Morde hier und noch vieles andere, was ich nicht unbestraft lassen darf. Wo ist Melton?«