Werner war als einstiger Durchbrenner eigentlich legitimationslos. Wie er so schnell in den Besitz der zur Trauung nötigen Papiere kommen konnte, das weiß ich nicht, doch fand die Hochzeit schon vier Wochen nach der Verlobung statt. Das sei ganz selbstverständlich, sagte man, da er bald nach Amerika zurück müsse. Ich wurde natürlich zur Vermählung geladen und ging auch, nicht seinet- sondern ihretwegen, da mein Nichterscheinen sie gekränkt hätte. Zwei Stunden nach der Trauung war Werner so - - betrunken, daß er verschwinden mußte. Er ließ sich erst nach einigen Stunden wieder sehen und setzte sich gleich wieder zum Champagner. Bald hatte er wieder einen Rausch, in welchem er sich in seiner wahren Gestalt zeigte. Er protzte mit seinen Millionen, prahlte mit den armseligen Verhältnissen seiner Jugendzeit, schüttete, um seinen Reichtum zu zeigen, Ströme von Sekt unter die Tafel, warf mit beleidigenden Ausdrücken um sich und beantwortete die dagegen gerichteten Bitten der Gäste so mit Hohn, daß sie sich, einer nach dem andern, mit ihren Damen entfernten. Auch ich wollte gehen, doch bat mich die junge Frau thränenden Auges so innig, doch zu bleiben, daß ich ihren Wunsch erfüllte. Wir waren bald allein, das neu vermählte Ehepaar, die Verwandten Marthas und ich. Werner trank und trank weiter. Die Sängerin sah mich flehend an. Ich verstand sie und nahm ihm mit einer scherzhaften Aeußerung die Flasche weg. Er sprang auf, entriß sie mir wieder und schlug sie mir, ehe ich es hindern konnte, an den Kopf, wobei sein Mund von Schimpfworten überfloß. Nun ging ich doch fort, ohne ein Wort zu sagen. Am andern Tage erwartete ich, daß er kommen werde, mich um Verzeihung zu bitten; er kam nicht, schickte mir aber einen Brief des Inhaltes, er müsse mir vor seiner heutigen Abreise sagen, daß er sehr bedaure, mich kennen gelernt zu haben; er habe wohl gemerkt, daß ich gegen seine Verheiratung sei, und seiner Frau streng verboten, von mir Abschied zu nehmen.
Einige Tage später kam Franz Vogel zu mir. Er war nicht zu bewegen gewesen, mit nach Amerika zu gehen, hatte die Seinen bis nach Bremerhaven begleitet und brachte mir einige Zeilen seiner Schwester, in denen sie sich für alles bedankte, nicht zum mindesten auch dafür, daß ich am Hochzeitsabend so außerordentlich nachsichtig gegen ihren Mann gewesen sei.
Franz blieb in Dresden. Er wurde von seinem Schwager unterstützt, trotz der Millionen desselben aber, wie es schien, nicht in ausreichender Weise, und brachte mir zuweilen Grüße von drüben. Seinen gelegentlichen Aeußerungen entnahm ich, daß seine Schwester sich nicht sehr glücklich fühle, was keineswegs geeignet war, meine Ansicht über Werner günstig zu verändern. Er war ein Lump, und ich machte mir Vorwürfe, daß ich keinen ernstlichen Versuch gemacht hatte, die Verbindung der braven Sängerin mit diesem Manne zu verhindern.
Geraume Zeit später ging ich wieder nach den Vereinigten Staaten, wurde von Frisko aus als Berichterstatter nach Mexiko geschickt, machte die in den vorigen Kapiteln erzählten Erlebnisse durch und kam nach den- denselben glücklich in Texas an, wo ich von dem Gelde, welches ich erbeutet hatte, den deutschen Emigranten und dem Player Ländereien kaufte. Ich blieb längere Zeit bei ihnen und ritt dann mit Winnetou durch den Llano estacado nach Neu-Mexiko und Arizona, um zu jagen und verschiedene Indianerstämme zu besuchen. Dann ging's durch Nevada nach Kalifornien und San Franzisko, wo Winnetou den Goldstaub und die Nuggets, welche wir während dieses Rittes aus seiner verborgenen »Sparbüchse« geholt hatten, in Geld umwandeln wollte.
Unser Aufenthalt dort war nur auf einige Tage berechnet. Wir waren schon oft in Frisko gewesen, kannten es fast ebenso gut wie ein dortiger Einwohner, und sagten uns, daß wir unsere Zeit weit besser anwenden könnten, als uns in einer bekannten Stadt herumzutreiben. Wir wollten hinauf in die Sierra, nach Nevada, Utah und Colorado, um uns dort zu trennen, denn von dem letzteren Staate aus wollte ich durch Kansas und Missouri nach dem Osten, um per Dampfer heimzukehren.
Unsere Geschäfte in Franzisko waren schnell erledigt; dann schlenderten wir durch die Stadt. Ich trug noch meine mexikanische Kleidung und er seinen Indianeranzug; dies zog aber den Blick keines einzigen Menschen auf uns, denn solche Erscheinungen, wie wir waren, gehörten dort zu den gewöhnlichen.
Am Nachmittage besuchten wir die berühmten Woodwards Gardens, welche sich leicht mit unsern botanischen und zoologischen Gärten vergleichen lassen. Eben wollten wir da ins Aquarium treten, als uns drei Personen entgegenkamen, die ich zufälligerweise gar nicht beachtete, welche aber, wie ich doch bemerkte, bei unserem Anblicke stehen blieben. Ich sah sie gar nicht an. Sie waren wohl Fremde, die sich für die charaktervolle Erscheinung Winnetous interessierten. Aber als wir vorüber waren, hörte ich die mehr als heimatlichen Worte:
»Sapperlot! Is das nich der Dres'ner Doktor, der meine Kinder nach Dres'en mitgenommen hat?«
Natürlich drehte ich mich um; da standen die drei, zwei Damen und ein Herr. Die eine der Damen war verschleiert; ich konnte ihre Züge nicht erkennen. Die andere Dame steckte in einem sehr noblen Kleide, welches ihr aber nicht recht stehen wollte; es sah aus, als gehöre sie nicht hinein. Ihr Gesicht kam mir bekannt vor; aber der Anzug und die fremde Gegend machten, daß ich mich nicht sofort auf sie besinnen konnte. Der Herr trug sich genau wie ein echter Yankee, sah aber dabei so lächerlich aus, daß ich, als ich ihm ins Gesicht sah, schmunzelnd ausrief:
»Was Teufel! Sind Sie es denn wirklich? Sie sind ja der reine Amerikaner geworden!«
Ja, es war der Celloist Vogel, der Vater von Franz und Martha aus dem Erzgebirge. Auf meine Worte richtete er sich um einen Zoll höher auf, warf sich in die Brust und antwortete:
»Nich nur Amerikaner, sondern ooch Millionärsch sind wir geworden; denken Sie sich nur, die reenen faktischen Millionärsch. Aber warum fragen Sie nich nach meiner Frau und Tochter hier? Kennen Sie sie etwa nich mehr?«
Also die ältere Dame in dem unpassenden Kleide war Frau Vogel und die andere - - Martha, die Schwester meines Schützlings. Sie schob den Schleier empor und reichte mir die Hand.
»Ja, 's is meine Tochter, die Frau Oelprinzessin, die Millionärin!« nickte ihr Vater wichtig. »Wissen Sie, drüben im Erzgebirge wohnen ooch noch Leute, aus denen so was Ordentliches werden kann! Aber 's Zeug muß man dazu haben, 's richtige, ordentliche Zeug!«
»Vater!« bat da die Tochter. »Du weißt ja, daß wir alles eben nur diesem Herrn zu verdanken haben!«
»Na, eegentlich ja; wie man's nimmt. Er hat uns mit der Nase droffgestoßen; aber daß wir nachher mit der Nase droffgeblieben sind, das war die Folge von unserer eegenen und angebotenen Pfiffigkeet. Doch darum keene Feindschaft nich. Zu was treiben denn Sie sich hier in Amerika herum?«