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»Verworren und verwickelt, sagen Sie? Das kann ich mir nicht denken. Und sein Cornpagnon Ackermann scheint nach dem, was ich von ihm gehört habe, ganz im Gegenteile ein sehr thätiger und unternehmender Mann zu sein.«

»Ackermann? Den meine ich nicht; der ist ja gar nicht mehr sein Compagnon. Sein jetziger Partner heißt Potter, der kein Deutscher, sondern ein Yankee ist.«

»Warum hat er mit dem zuverlässigen Deutschen gebrochen und sich -«

»Warum? fragen Sie,« unterbrach sie mich. »Ah, da fällt mir ein, daß Sie noch gar nicht wissen werden, was geschehen ist. Haben Sie, als Sie aus dem Wagen stiegen, nicht die Firmenschrift über unserer Thür gelesen?«

»Nein.« »Sie wissen also nicht, daß mein Mann jetzt der Mitbesitzer einer Länderei- und Handelsbank ist?«

»Habe keine Ahnung! Länderei- und Handelsbank? Hm! Aber den Oil-Swamp besitzt er nebenbei noch?« »Nein. Er hat sich mit Ackermann und einem Konsortium auseinandergesetzt.« »Aber warum, warum?«

»Sie fragen doch ganz ängstlich, Herr Doktor! Es gefiel ihm nicht mehr da oben am Sumpfe, und auch mir und meinen Eltern war es hier in der Stadt natürlich

viel lieber. Wir lernten Potter kennen, der ein tüchtiger Geschäftsmann ist, obgleich er viele von seinen Arbeiten auf die Schultern meines Mannes legt, und folgten seinem Rate. Mein Mann trat seine Rechte am Oil-Swamp für drei Millionen Dollars ab. Wir zogen in die Stadt und gründeten mit diesem Gelde eben unsere Länderei- und Handelsbank.«

»Und welche Summe zahlte Potter ein?«

»Keine. Mein Mann giebt das Kapital und Potter die Kenntnisse. Sie wissen doch, daß Werner keine kaufmännischen Kenntnisse besitzen kann. «

»Warum hat er dann das Sichere aufgegeben und dafür das Unsichere eingetauscht?« »Halten Sie unsere jetzige Lage denn für unsicher?«

»Ihr gegenwärtiges Geschäft kann ich nicht beurteilen, weil ich es nicht kenne; ich weiß nur, daß ich Ihrem frühern Nachbar Ackermann Vertrauen schenken würde.«

»Potter verdient es auch. Aber da höre ich meine Eltern kommen. Sprechen wir in ihrer Gegenwart nicht über diesen Gegenstand. Ich möchte ihnen nicht Sorgen bereiten, welche höchst wahrscheinlich grundlos sind.«

Der Fahrstuhl brachte die beiden Alten herauf.

»Da sind wir nun ooch!« rief uns der einstige Celloer zu, indem er mit seiner Frau herantrat. »Ich kann mich noch immer nich in die englische Sprache finden, und da es so wenig Kutscher giebt, die deutsch verstehen, so sind wir wieder mal ewig in die Kreuz und Quere gefahren, ehe uns der Kerl vor der richtigen Thür abgeladen hat. Nun gehen wir aber nich gleich wieder fort!«

»Dennoch werdet Ihr unsern lieben Landsmann nur kurze Zeit genießen können,« meinte Martha. »Er will schon bald wieder fort von uns.«

»Damit soll er uns nich kommen! Wen ich eenmal bei den Rockschößeln halte, den laß ich nich gleich wieder los.«

»Wir sprechen schon noch darüber. Zunächst wollen wir die Herren bitten, wenigstens bis zur Tafel hier zu bleiben. Dann kommt Werner und wird sie bewegen, länger unsere Gäste zu sein. Ich werde mit Mutter beschäftigt sein. Führe die Herren nach dem Rauchzimmer, Vater; vielleicht gelingt es dir, sie für diese kurze Zeit zu unterhalten.«

Es blieb uns nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Das Rauchzimmer war ebenso brillant eingerichtet wie die übrigen Räume, in Gold überladen, Der alte, gute Vogel fühlte sich gar nicht wohl zwischen diesen

Möbeln, Bildern und Wandleuchtern; er wußte nicht recht, wohin mit den Armen und Beinen, und setzte sich schließlich in einen Schaukelstuhl, weil dieser der niedrigste und bequemste war. Er hatte in der heimatlichen Hütte ja meist nur auf Schemeln gesessen.

Ich nahm mir unaufgefordert eine Cigarre, und Winnetou folgte diesem Beispiele. Leider konnte er sich nicht an unserer Unterhaltung beteiligen.

»Itzt sind wir nun alleene,« begann der Alte, »ganz alleene unter uns vernünftigen Menschen, und können also offrichtig mit eenander reden. Meenen Sie nich?«

»Gewiß,« nickte ich.

»Was sagen Sie eegentlich zum Millionär, zu meinem Schwiegersohn?« »Den kenne ich nicht.«

»Ich denke, Sie haben ihn drüben kennen gelernt?«

»Nur kurze Zeit. Seitdem habe ich ihn nicht wieder gesehen und auch nichts wieder von ihm gehört.«

»Hm, ja! Er hätte Ihnen wenigstens 'mal schreiben sollen; aber er is nicht gut off Sie zu sprechen. Wenn meine Tochter Sie manchmal erwähnt, da kann er fuchsteufelswilde werden.«

»Hat er dazu einen Grund?«

»Nee, keenen eenzigen. Aber er fängt gleich früh zu trinken an und is deshalb den ganzen Tag benebelt.« »Was Sie sagen!«

»Ja, so is es! Er muß das von seiner Mutter geerbt haben, die ja ooch am Säuferwahnsinn gestorben is.« »Was sagt Ihre Tochter dazu?«

»Was soll die sagen! Die hat gar nichts zu sagen. Wenn die will, daß er etwas nich machen soll, da braucht sie ihn nur zu bitten, daß er's machen soll.«

»Steht es so? 0 weh! So ein Leben -«

»Grad wie Hund und Katze!« fiel er ein. »Aber, wissen Sie, wir Millionäre können uns das leisten. Er wohnt unten und sie oben; sie reden den ganzen geschlagenen Tag keen Wort mitnander, höchstens wenn er mal zum Essen kommt.«

»Wurde es denn gleich im Anfange so gehalten?«

»Nee. Droben im Oel-Schwamp war es anders. Da lebten wir ganz so, als ob wir zusammen gehörten; aber seit dieser Mister Potter unser Compagnon geworden is, hat sich een ganz anderes und viel vornehmeres Leben eingestellt. Wissen Sie, diesen Potter kann ich sehr gut leiden. Er hält ooch große Stücke off meine Tochter.«

»Ihr Schwiegersohn habe soviel zu thun, klagt Ihre Tochter?«

»Unsinn! Glooben Sie doch das nich! Der Potter versorgt das ganze Geschäft. Der rennt und schreibt und arbeitet Tag und Nacht. Der Werner aber, der bummelt bloß. Der is Mitglied von Klubbs und andern Gesellschaften, wo tüchtig getrunken und gespielt wird. Er wär ooch een Esel, wenn er das nich thäte, denn er is ja Millionär und kann es machen. Der Potter mag nur immer für ihn arbeiten.«

In dieser Weise ging es fort und fort, weiter und weiter. Der Alte faselte das Blaue vom Himmel herunter, stützte sich nur auf die Millionen seines Schwiegersohnes und hatte keine Ahnung davon, daß er mir dabei einen Einblick in die geschäftlichen und familiären Verhältnisse des Hauses bot, bei welchem mir angst und bange wurde. Ob Martha ihren Mann liebte oder nicht, darüber konnte ich nicht klar werden. War es nicht der Fall, so bemühte sie sich, es zu verbergen. Das Paar hatte in der ersten Zeit recht gut gelebt; dann aber war Potter erschienen und hatte die Bekanntschaft Werners gemacht. Es kam mir ganz so vor, als ob dieser Yankee es auf das Vermögen Werners abgesehen habe. Werner schien ihm alles Vertrauen zu schenken und nach und nach in eine Falle zu gehen, in welcher er seinen geschäftlichen Ruin finden mußte. Am wahrscheinlichsten kam es mir vor, daß Potter ihn ruinieren wolle, um mit dem Vermögen auch die schöne, junge Frau zu erlangen.

Was konnte ich da thun? Zur Entlarvung des Menschen bedurfte es Zeit, höchst wahrscheinlich langer Zeit, und dann war es wohl schon zu spät. Ich mußte versuchen, einen Einblick in die Geschäfte zu gewinnen, und dagegen sträubten sich jedenfalls alle beide. Leicht konnte ich dadurch das Uebel ärger machen. Während der Alte redselig erzählte, überlegte ich hin und her und kam zu dem Resultate, daß es am besten sei, mich in diese Angelegenheit nicht zu mischen.

Bald kam dann die Frau Vogels, um uns zum Essen zu rufen. Martha hatte keinen Diener geschickt, weil sie wünschte, daß wir ganz allein und freundschaftlich unter uns sein sollten. Es gab ein einfaches Mahl, und ich bemerkte gar wohl, daß die junge Frau sich nach langer Zeit wieder einmal innerlich wohl fühlte. Nach Tische durften wir uns im Speisezimmer wieder eine Cigarre nehmen, und Martha begab sich in den Nebenraum, welcher, wie ich bald hörte, das Musikzimmer war. Es erklangen einfache, einleitende Akkorde auf dem Pianino, und dann erscholl die herrliche Stimme der einstigen Sängerin; sie sang ein deutsches Lied.