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»Zu welchem Zweck?«

»Das werde ich Ihnen später mitteilen, wenn mehr Zeit dazu vorhanden ist. Dann werden Sie auch erfahren, was wir drei Männer eigentlich in Tunis wollen. Jetzt bitte ich Sie um Beantwortung einiger Fragen. Haben Sie Beweise, daß Kalaf Ben Urik Engländer gewesen ist?«

»Was für ein Unterthan ist er jetzt?« »Tunesischer.«

»Gesetztenfalls, er verübte ein Verbrechen, so hätte also nicht der Vertreter seines Heimatlandes, sondern der Pascha darüber zu richten?«

»Ja. Aber Kalaf Ben Urik ist der größte Ehrenmann und strengste und gläubigste Moslem; ich schwöre jeden Eid auf ihn und dulde keinen Angriff auf meinen Liebling.«

Er hatte diese Worte in einem so strengen und nachdrücklichen Tone gesprochen, daß ich wohl einsah, wie hoch Kalaf Ben Urik in seinem Ansehen stand. Darum wurde das, was ich mir gleich erst vorgenommen hatte, zum festen Beschlusse: Ich wollte Krüger-Bei jetzt noch nicht mitteilen, was wir gegen seinen »Liebling« vorhatten. Da er in dieser Weise von demselben eingenommen war, so stand zu erwarten, daß der alte Herr der Heerscharen uns einen recht unzeitigen Strich durch die Rechnung machen würde. Ich brach also schnell von diesem Thema ab und lenkte das Gespräch auf andere Dinge. Wir teilten uns unsre Erlebnisse mit, rauchten einen köstlichen Dschebeli und tranken dazu den Kaffee, den der alte Sallam immer wieder erneuerte, und unterhielten uns von allem möglichen, aber nur nicht von dem, was ich auf dem Herzen hatte. Endlich mußte ich aufbrechen, doch nur, um bald wiederzukommen. Krüger-Bei begleitete mich, was er nur mit hohen Respektspersonen zu thun pflegte, bis hinaus vor die Thür, wo ein herrlicher Fuchshengst stand, den er für mich hatte satteln lassen. Auf diesem ritt ich zunächst ins Hotel, um meinen Gefährten zu melden, daß sie als Krügers Gäste abgeholt werden sollten, und ihnen zu sagen, daß ich in Beziehung auf Kalaf Ben Urik eigentlich einen Mißerfolg zu verzeichnen hatte. Es war nicht anzunehmen gewesen, daß der raffinierte Mensch gerade auf den für uns so hinderlichen Gedanken kommen werde, sich so tief in die Gunst meines alten Herrn der Heerscharen einzufressen. So lieb mich dieser hatte und so große Stücke er auf mich hielt, ich wußte dennoch, daß ich mit einer bloßen Anklage nichts ausrichten, sondern ihm gleich mit den unwiderleglichsten Beweisen ins Haus fallen müsse. Der alte, sonst so liebe und gute, aber überaus hartnäckige Oberst der Leibwache war im stande, sich seines Lieblings auf eine Weise anzunehmen, daß uns dieser vollständig entzogen wurde. Er mußte also überrumpelt werden.

»Aber wie soll das geschehen? Wie sollen wir ihn überrumpeln?« fragte Emery.

»Durch den falschen Hunter,« antwortete ich.

»Wieso?«

»Indem ich jetzt hinaus zu diesem reite und ihn überrede, nicht in Zaghuan auf die Rückkehr seines Vaters zu warten, sondern den Zug gegen die Uled Ayars mitzumachen. Ich bin überzeugt, daß das plötzliche und so ganz unerwartete Wiedersehen seinen Vater Kalaf Ben Urik so außerordentlich überraschen wird, daß er sich ganz gewiß eine Blöße giebt, die uns befähigt, ihn festzunehmen.«

»Kein übler Gedanke! Aber wodurch willst du den Sohn bewegen, mitzugehen?«

»Das überlasse nur mir! Ich werde ihm die Sache so plausibel machen, daß er mir selbst anbietet, mitzureiten. Denk dir den Schrecken des Kolarasi, wenn er ihn sieht, und das Entsetzen, wenn er mich erkennt, Old Shatterhand, der ich von seinem Vorleben ganz genau unterrichtet bin. Es müßte ihm geradezu der Teufel beistehen, wenn er dabei nicht etwas thäte oder wenigstens etwas sagte, was den Herrn der Heerscharen überzeugte, daß er einem Raubtiere in Menschengestalt seine Liebe geschenkt hat. Jetzt reite ich nach Zaghuan; ihr werdet bald abgeholt werden.«

»Warte noch einen Augenblick! Es giebt dabei einen

Umstand, an den du nicht zu denken scheinst und der doch von großer Wichtigkeit ist. Krüger-Bei weiß natürlich, daß du ein Deutscher bist und kennt auch deinen wirklichen Namen?«

»Natürlich!«

»Auch hast du ihm gesagt, daß Winnetou, der Apatsche, bei dir ist?« »Auch das.«

»Und da soll dieser falsche Hunter mit uns reiten? Da wird er ja erfahren, daß du ihn belogen hast!« »Wieso?«

»Weil wir ihm weisgemacht haben, du seiest ein Engländer Namens Jones, und Winnetou hält er gar für einen Somali, welcher Ben Asra heißt.«

»Was schadet das?«

»Was es schadet? Sonderbare Frage! Bist doch sonst nicht so schwer von Begriffen! Es ist ja unterwegs ganz unausbleiblich, daß er eure richtigen Namen hört. Dann wird und muß er Verdacht schöpfen.«

»Brauchtest du gar nicht zu erwähnen. Ich werde ihn glauben machen, daß wir nicht ihn, sondern den Herrn der Heerscharen täuschen.«

»Hm, mag sein! Aber ob dir das gelingen wird?«

»Ganz gewiß. ich sage dir, je raffinierter ein Mensch im Bösen ist, desto leichter ist er zu übertölpeln.«

Da wurde an die Thür geklopft, und der alte Sallam trat ein. Er war von seinem Herrn mit zehn Reitern geschickt worden, um Winnetou und Emery abzuholen, eine Ehrenerweisung, welche bewies, wie gern Krüger-Bei uns bei sich sah. Emery bezahlte die kleine Hotelrechnung, und dann setzte sich die Kavalkade nach dem Bardo in Bewegung; ich aber ritt hinaus nach Zaghuan.

Dort angekommen, war es mir gar nicht schwer, die

Wohnung Bu Maramas zu erfragen. Zu ihm als Pferdehändler kamen gewiß viele Leute, und so konnte wohl auch meine Person niemandem auffallen. Ich hielt vor einem langen, schmalen, niedrigen, weißgetünchten Hause, welches nur aus dem Erdgeschosse bestand und ein plattes Dach hatte. Marama kam selbst heraus, öffnete das Thor und ließ mich in den Hof reiten, wo in mehreren eingehegten Abteilungen Pferde zum Verkaufe standen. Er betrachtete erst meinen Fuchs und dann mich mit verwundertem Blicke und fragte dann, mich, indem ich abstieg, mit stechendem Blicke betrachtend:

»Kommst du, dieses Pferd zu verkaufen?«

»Nein.«

»Das ist gut, denn dann wärst du ein Pferdedieb. Ich kenne den Fuchs. Er ist ein echter, maurischer Henneschah-Hengst und das Lieblingspferd des Herrn der Leibwache unsers Pascha. Er muß dir ein sehr großes Vertrauen schenken, da er dir dieses kostbare Tier zum Reiten anvertraut.«

»Er ist mein Freund.«

»Dann sage ihm, daß ich sein und auch dein geringster Diener bin! Welchen Wunsch kann ich dir erfüllen?«

»Es ist heut ein Fremdling bei dir angekommen, welcher verborgen bleiben will?«

»Davon weiß ich nichts. Wer hat dir das gesagt?« fragte er, sichtlich betroffen darüber, daß ein Freund Krüger-Beis nach der Person fragte, welche er bei sich versteckt hielt.

»Sage immer die Wahrheit; du darfst mir vertrauen. Ich bin mit dem Fremden zu Schiff gekommen und habe dir durch einen Hammal seinen Koffer geschickt. Sage ihm, daß ich mit ihm sprechen möchte.«

»Er wird dich wohl schwerlich empfangen,« meinte er noch immer mißtrauisch. »Mein Gastfreund will gerade vor dem, dessen Freund du bist, verborgen bleiben. Wie kann er sich da deinen Augen zeigen! Ich werde gleich erfahren, ob du wirklich derjenige bist, den er erwartet. Woher und wann bist du mit dem Schiff gekommen?«

»Von Alexandrien, heute früh.«

»Wo ist der Fremdling, mit dem du reden willst, gelandet?« »Am Ras Chamart.« »Aus welchem Lande stammst du?« »Aus dem Belad el Ingeliza (* England.).« »Und wie ist dein Name?« »Jones.«