»O, was das betrifft, so ist mir nicht im geringsten bange. Die Aehnlichkeit scheint so groß zu sein, daß ich mich unbedenklich auf sie verlassen kann.«
»Dennoch muß ich Ihnen raten, nicht allzu sicher zu sein. Die Aehnlichkeit genügt nicht allein. Wenn Kara Ben Nemsi ein Freund des Herrn der Heerscharen ist, so kennt letzterer nicht bloß ihn, sondern auch alle seine Verhältnisse genau. Sie haben sich kennen gelernt und mit einander verkehrt; wie das geschehen ist, was dabei vorkam, was gesprochen und gethan wurde, das alles müssen Sie ganz genau wissen, wenn Sie sich nicht verraten wollen. Ein einziges falsches Wort, eine unrichtige Bemerkung, eine kleine Unwissenheit kann Sie zu Falle bringen. Dann kommt die Rache, und Sie wissen ja wohl, daß der Moslem dann ohne Nachsicht und Barmherzigkeit ist.«
»Was Sie da gesagt haben, ist alles gut und wohlgemeint, und dennoch machen Sie mir damit nicht bange. Es ist viel leichter, als Sie denken, die Rolle des Kara Ben Nemsi durchzuführen. Nämlich als ich mich mit dem alten Feldwebel allein in dem Offizierszimmer befand, habe ich mich sehr lebhaft mit ihm unterhalten und ihn dabei, ohne daß er es im geringsten bemerkte oder auch nur ahnte, nach allen Seiten hin ausgefragt. Ich weiß also nun, woran ich bin. Als Krüger-Bei kam und ich mich nun nicht mehr weigerte, Kara Ben Nemsi zu sein, konnte ich das, was ich von dem Feldwebel erfahren hatte, gleich auf das vortrefflichste verwerten und habe nachher im Verlaufe des weiteren soviel erfahren, daß ich getrost die beabsichtigte Rolle zu spielen vermag.«
»Das klingt ganz schön, erfordert aber ungeheure Vorsicht und ebenso großen Scharfsinn. Sie scheinen fest entschlossen zu sein, das beabsichtigte Vorhaben wirklich auszuführen, und ich will also nicht dagegen sprechen, weil dies vergeblich wäre, aber sagen Sie, nicht wahr, Krüger-Bei ist ein Deutscher?«
»Ja.«
»Und dieser Kara Ben Nemsi scheint derselben Nationalität anzugehören, denn Nemsi heißt ja "ein Deutscher"?«
»Auch das ist richtig.«
»So nehmen Sie sich ja in acht! Es fällt mir zwar nicht ein, die Deutschen für lauter Pfiffikusse zu halten, aber ein dummes Volk sind sie auch nicht. Krüger-Bei hat es zu einer so hervorragenden Stellung gebracht und kann also unmöglich ein dummer Kerl sein. Die Gefahr, von ihm durchschaut zu werden, ist also ganz bedeutend. Dazu kommt, daß er auf den für Sie höchst gefährlichen Gedanken kommen wird, mit Ihnen deutsch zu reden. Was werden Sie dann thun?«
»Was thun? Mitthun werde ich natürlich.«
»Ah! Sie sprechen deutsch?« fragte er erstaunt.
»Leidlich. Ich bin früher einige Zeit in Deutschland gewesen und habe da von der Sprache dieses Landes soviel gelernt, wie ich hier brauchen werde. Krüger-Bei hat seine Muttersprache fast verlernt, so daß ihm ein Urteil, ob ich dieselbe gut oder schlecht spreche, unmöglich ist. Ich habe mich mit ihm schon deutsch unterhalten und dabei bemerkt, daß ihm meine Aussprache ganz und gar nicht auffällig gewesen ist.«
»Dann haben Sie freilich Glück; aber nehmen Sie sich trotzdem in acht! Wenn Sie entdeckt oder vielmehr entlarvt werden, möchte ich mich nicht an Ihrer Stelle befinden. Ist denn der Nutzen, welchen Sie aus dieser Täuschung ziehen können, so groß, daß Sie das Wagnis nicht zu bedeutend finden?«
»Allerdings. Es lassen sich, wie ich wohl besser als Sie zu beurteilen weiß, Hunderttausende verdienen.«
»So müssen Sie wohl längere Zeit hier bleiben und können nicht, wie es beabsichtigt war, mit mir abreisen?«
»Leider werde ich wohl auf Ihre Gesellschaft verzichten müssen, denn ich begebe mich morgen in das Innere des Landes.«
»Morgen? Das ist außerordentlich bald! Haben Sie auch an die Gefahren gedacht, welche Sie da laufen werden?«
»Nein, denn es wird keine geben, da ich unter ausgezeichnetem Schutze reisen werde.« »Unter welchem?« »Sir Emery reitet mit.«
Der -? Wirklich -?« dehnte er enttäuscht. »Ich war ganz sicher, daß er mit mir zu Schiffe gehen werde!«
»Das wird nun freilich nicht der Fall sein. Als er hörte, was ich beabsichtige, war er sofort entschlossen, mitzureiten. Natürlich freue ich mich darüber, denn er ist ein gewandter und sehr erfahrener Mann, dessen Gesellschaft mir von großem Nutzen sein wird. Aber er ist's nicht allein, mit dem ich gehe, sondern ich werde noch ganz andere Begleitung haben: Krüger-Bei.«
»Diesen? Ist das wahr?«
»Ja. Und der Herr der Heerscharen ist nicht allein, sondern wird Militär mitnehmen, Kavallerie. Sie sehen also, daß ich mich keineswegs zu fürchten brauche.«
»Kavallerie? Wozu das?«
»Um die Uled Ayar zu züchtigen.«
»Sonderbar! Ich habe von diesen Beduinen gehört und denke, sie sind schon bestraft! Kalaf Ben Urik, der Kolarasi, ist doch gegen sie gezogen, um sie zu demütigen!« »Das weiß ich wohl, und damit kommen wir endlich auf den Gegenstand unsers Besuches. Ich habe mich natürlich nach dem Kolarasi erkundigt, wie Sie mich beauftragten.«
»Nun? Ist er wieder da?«
»Nein. Er hat Unglück gehabt.«
»Wirklich?« fragte er erschrocken.
»Ja. Anstatt die Uled Ayar zu besiegen, ist er von ihnen umzingelt und eingeschlossen worden. Ein einziger Soldat ist entkommen und hat es hier gemeldet.«
»Da muß man schleunigst Hilfe senden, sofort, sofort!«
Er war aufgesprungen und schritt sehr erregt im Zimmer hin und her. Das war auch gar kein Wunder, da nach meinen Worten sein Vater sich in der größten Gefahr befand. Freilich durfte er mir nicht sagen, daß der Kolarasi sein Vater sei. Er fuhr fort:
»Da Krüger-Bei Sie für seinen Freund hält, so haben Sie jedenfalls einigen Einfluß auf ihn. Können Sie es nicht bewirken, daß er dem Kolarasi Hilfe sende?«
»Die Frage ist sehr überflüssig, Mr. Hunter. Sie haben ja von mir gehört, daß der Herr der Heerscharen morgen mit Kavallerie aufbrechen wird.«
»Gegen die Uled Ayar?«
»Ja. Sobald der entkommene Bote die Hiobspost brachte, hat man sich sofort zum Aufbruche gerüstet. Krüger-Bei wird drei Schwadronen anführen.«
»Drei? Meinen Sie, daß das genug ist, den Kolarasi zu retten?«
»Ja, wenn er nicht indessen getötet wird. Die Gefahr ist groß, und die Entfernung beträgt ungefähr fünf Tagereisen. Der Bote fünf Tage her, wir fünf Tage hin, das macht, von dem Augenblicke an, an welchem er eingeschlossen wurde, bis zu unserer Ankunft dort volle zehn Tage.«
»Zehn Tage! Was kann nicht alles in zehn Tagen geschehen!«
»Freilich, freilich! Er hat, um vom Wasser gar nicht zu reden, auch gar nicht soviel Proviant mit, um es mit seiner Schwadron zehn Tage auszuhalten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß er sich ergeben muß.«
»Himmel! Was ist da zu thun!«
Er rannte schneller hin und her als vorhin, fuhr sich mit den Händen in das Haar, kratzte sich, stieß unverständliche Ausdrücke aus, kurz und gut, gebärdete sich wie ein Mensch, dessen sich eine ganz außerordentliche Aufregung bemächtigt hat. Ich ließ das geschehen, ohne ein Wort zu sagen. Wenn ich ihn richtig beurteilte und mich nicht in ihm irrte, mußte er jetzt zu dem Entschlusse kommen, auf den ich es abgesehen hatte, nämlich mit uns zu reiten.
Ich war sehr gespannt, was er nun thun werde, ließ es aber nicht merken. Da blieb er vor mir stehen und
sagte:
»Sie schließen sich also diesem Kriegszuge an und Sir Emery auch?« »Ja. Sogar Ben Asra, unser Somali, geht mit.«
»Auch dieser? Was sagen Sie dazu, daß ich beinahe wünsche, auch mitgehen zu dürfen?« »Sie? Hm!«