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»Sallam aaleikum, ichwani - Heil sei mit euch, meine Brüder!«

»Sal - aal -« antwortete ich kurz.

Indem ich nur die beiden ersten Silben gebrauchte, gab ich sehr deutlich zu verstehen, daß ich nicht die Absicht hegte, zu den Grüßenden in freundliche Beziehungen zu treten. Er that so, als ob er dies nicht bemerkt habe, und fuhr fort:

»Kef sahhatak - wie befindest du dich?«

Ich entgegnete grob:

»Ente es beddak; min hua - was willst du? wer bist du?«

Das war freilich gegen alle Regeln der Höflichkeit; er langte auch sofort nach dem Kolben seiner Flinte und antwortete:

»Wie kannst du wagen, diese Frage auszusprechen! Bist du vom Ende der Welt hieher gekommen, daß du nicht weißt, wie man sich zu benehmen hat? Wisse, daß ich mich Farad el Aswad nenne und der oberste Scheik der Uled Ayun bin, denen der Boden gehört, auf welchem du dich befindest. Du hast denselben betreten, ohne uns um Erlaubnis zu fragen, und wirst die darauf ruhende Steuer bezahlen müssen.«

»Wie hoch ist dieselbe?«

»Für die Person hundert tunesische Piaster und sechzehn Karuben.« Das waren einundfünfzig Mark für jeden von uns.

»Wenn du sie haben willst, so hole sie dir!« forderte ich ihn auf, indem ich mein Gewehr erhob und über den gekrümmten Arm legte.

Mit dieser Bewegung sagte ich ihm, daß er nichts bekommen solle.

»Dein Maul ist so groß, wie dasjenige eines Nilpferdes,« lachte er höhnisch; »aber dein Gehirn scheint noch kleiner zu sein, als dasjenige der verachteten Dscherada (* Heuschrecke.). Wie ist dein Name, und wie heißen deine Be- Begleiter? Woher kommen sie? Was wollen sie? Welches ist ihr Beruf, und haben ihre Väter Namen gehabt, welche noch nicht vergessen worden sind?«

Die letzte Frage enthielt nach hiesigen Anschauungen eine schwere Beleidigung. Ich antwortete:

»Du scheinst deine Zunge in den Schmutz eurer Kamele und Rinder getaucht zu haben, da dieselbe so übelriechende Worte spricht. Ich bin Kara Ben Nemsi aus dem Lande der Alman; mein Freund zur Rechten ist der weit berühmte Behluwan-Bei aus dem Lande der Inkelis, und der Held zu meiner Linken ist Winnetou el Harbi w' Nasir (* Krieger und Sieger.), der oberste Häuptling aller Stämme der Apatschen im großen Belad Amierika. Wir sind gewohnt, Mördern unsere Kugeln zu geben, aber keine Steuern. Ich wiederhole es: Wenn du das Geld haben willst, so hole es dir!«

»Dein Verstand ist noch viel kleiner als ich dachte! Sind wir nicht vierzehn starke und tapfere Männer, und ihr zählt nur drei? Also würde jeder von euch fünfmal getötet, ehe er einen von uns töten könnte!«

»Versucht es doch einmal! Ihr kommt nicht dreißig Schritte weit, so haben unsere Kugeln euch gefressen!«

Drüben erscholl ein allgemeines Gelächter. Man meine ja nicht, daß ich mit meinen Worten prahlen wollte. Nein! Gerade wie die altgriechischen Helden ihre Kampfthaten mit einem volltönenden Wortgefecht einzuleiten pflegten, so hat auch der Beduine die Gewohnheit, bei offen auszukämpfenden Streitigkeiten vor der wirklichen Waffe erst den Mund zu gebrauchen, und das thut er gewöhnlich in der ausgiebigsten Weise. Wenn ich in dieser Weise von uns sprach, folgte ich nur der Sitte der Gegend, in welcher wir uns befanden. Das Hohngelächter der Uled Ayun konnte mich nicht stören; es gehörte unbedingt mit zur Sache. Als es verklungen war, fuhr der Scheik in sehr drohendem Tone fort:

»Du sprichst von Mördern. Ich befehle dir, mir zu sagen, wen du meinst!«

»Du hast mir nichts zu befehlen, zumal ihr selbst es seid, die ich meine!«

»Wir sollen Mörder sein? Beweise es, du Hund!«

»Für den "Hund" werde ich dich bestrafen, so wahr ich hier stehe, und zwar noch bevor das Abendgebet gesprochen wird! Merke es dir! Habt ihr nicht den Greis ermordet, dessen Ueberreste da vor uns liegen?«

»Das war nicht Mord, sondern Blutrache.«

»Und dann habt ihr dies schwache Weib in die Erde gegraben. Ein Greis und ein Weib können sich nicht wehren; darum habt ihr euch an beide gewagt, ihr Feiglinge und Memmen; an uns aber würde euer Mut zu Schanden werden.«

Ein neues und viel lauteres Gelächter war die Antwort; dann höhnte der Scheik:

»Kommt doch heran, und zeigt uns eure Tapferkeit, ihr Schakale, ihr Schakalssöhne und Enkel von Schakalskindern! Ihr wagt es nicht; ihr bleibt stehen, weil ihr wißt, daß wir euch verschlingen würden. Aber wenn wir zu euch kommen, werdet ihr davonspringen und vor Angst heulen wie die Hunde, die man peitscht!«

»Kommt doch ihr zuerst heran! Ihr seid fünfmal mehr als wir und bedürft also weniger Mut zum Angriffe. Du sprichst von Flucht; aber ich sage dir, daß ihr euch zurückwenden werdet, um uns zu entkommen, doch wird es keinem gelingen. Merkt auf, was ich euch sage! Ihr habt an dieser Stelle ein Verbrechen begangen, welches wir bestrafen werden. Ihr seid unsere Gefangenen; wer uns entfliehen will, den schießen wir über den Haufen. Steigt ab, und übergebt uns eure Waffen!«

Das Gelächter, in welches sie jetzt ausbrachen, war ein homerisches, und ich gebe gern zu, daß sie mich für verrückt halten konnten und wohl auch hielten. Das meinte auch der Scheik, als er dann sagte:

»Jetzt ist dein Verstand vollends zu Ende; dein Hirnkasten ist leer. Soll ich ihn öffnen, um es dir zu beweisen?«

»Spotte nicht! Sieh her, wie sicher und ruhig wir vor eurer Uebermacht stehen! Müssen wir unserer Sache nicht sicher sein? Ich wiederhole es: Hütet euch, zu fliehen, denn unsere Kugeln würden euch einholen!«

Da wendete der Schwarzbärtige sich zu den Seinen:

»Der Hund scheint im Ernste zu sprechen; er redet von ihren Kugeln. In unsern Läufen stecken auch welche. Gebt sie ihnen sofort, und dann hin zu ihnen!«

Er legte sein Gewehr auf uns an; seine Leute folgten diesem Beispiele. Zwölf Schüsse knallten, aber keiner traf; ja, es gab nicht eine einzige Kugel, welche auch nur unsere weiten Gewänder streifte, obgleich wir aufrecht und still stehen geblieben waren und uns nicht bewegt hatten. Es war ihre Absicht gewesen, sich auf uns zu stürzen, aber das Erstaunen, uns unverletzt zu sehen, hielt sie am Platze zurück. Da trat Emery einige Schritte vor und rief ihnen mit seiner mächtigen Stimme zu:

»Habt ihr gesehen, wie ihr schießt? Wir blieben getrost stehen, weil wir wußten, daß ihr uns nur aus Versehen treffen würdet. Jetzt wollen wir euch einmal zeigen, wie wir schießen. Dort sind zwei Männer mit Lanzen; einer mag die seinige emporheben, und ich werde sie treffen.«

Der eine der Lanzenträger gehorchte dieser Aufforderung, als er aber sah, daß Ernery seine Büchse zum Schusse erhob, ließ er den Spieß wieder sinken und rief:

»O Allah, Mah! Was fällt dem Menschen ein! Er will auf meine Lanze schießen, wird aber mich treffen!«

»Du fürchtest dich!« lachte der Engländer. »Steig also ab und stecke den Speer in den Boden! Wenn du dich dann entfernst, kann ich dich nicht treffen.«