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»Old - Shat -!«

Er brachte vor Schreck den Namen nur halb über die Lippen und fuhr zurück, als ob der Blitz vor ihm in die Erde geschlagen habe.

»Ja, so heiße ich. Und diesen Namen haben Sie ja vorhin genannt, als Sie sagten, ich hätte meine schmutzige Hand überall mit im Spiele. Vielleicht spiele ich auch heute mit, mit Ihnen und mit Ihrem Kolarasi Kalaf Ben Urik.«

Er überhörte den letzten drohenden Hohn und sagte wie abwesend: »Old Shatterhand! Sie wollen dieser Mann sein, Sie? Unmöglich!«

»Später wird Ihnen das Licht darüber heller aufgehen. Fragen Sie Emery, welcher mich genau kennt und mit mir im wilden Westen gewesen ist! Und fragen Sie Krüger-Bei, welcher ganz genau weiß, daß ich ein Deutscher bin und da drüben Old Shatterhand genannt werde! Uebrigens will ich Ihnen noch eine weitere Ueberraschung bereiten. Mein zweiter Begleiter ist nämlich kein Somali und heißt nicht Ben Asra, sondern er ist ein sehr berühmter Apatschenhäuptling, und wird Winnetou genannt.«

»Win - ne - tou!« wiederholte er, als ob ihm der Atem stocken wolle. »Er ist's wirk - wirk - wirklich?«

»So wahr, wie ich Old Shatterhand bin. Wenn Sie von uns gehört haben, so wissen Sie wohl, daß wir beide unzertrennlich sind.«

»Das weiß ich. Aber was wollen Sie denn hier in Tunis?« »Wir suchen jenen Thomas Melton.« »Donnerwetter!« fluchte er.

»Wir waren erst in Aegypten, fanden aber anstatt diesen Thomas seinen Sohn Jonathan, der im Begriff stand, nach Tunis zu gehen, und da wir uns sagten, daß er da jedenfalls seinem Vater einen Besuch abstatten werde, so gingen wir mit.«

»Und - und - und -?«

»Und haben uns nicht geirrt. Wir haben Thomas Melton gefunden in der Gestalt Ihres lieben Kolarasi Kalaf Ben Urik. Ich habe Ihnen etwas höchst Interessantes versprochen; habe ich nicht Wort gehalten?«

»Lassen Sie mich in Ruhe! Was gehen mich alle die Leute an! Ich bin Small Hunter und habe nichts mit Ihnen zu schaffen.«

Er wollte sich abwenden; ich hielt ihn aber beim Arme zurück und sagte:

»Bitte, warten Sie noch, Sir! Ich glaube sehr gern, daß Sie nichts mit mir zu schaffen haben wollen; jetzt und hier aber ist die Frage, ob ich noch mit Ihnen zu schaffen habe. Ich kann Sie nicht gehen lassen, ganz und gar nicht. Ja, ich habe die Absicht, Sie bei mir zu behalten, mögen Sie nun wollen oder nicht. Ich behalte Sie bei mir, bis ich mit dem jungen Amerikaner gesprochen habe, welcher den Zug hierher mit dem Kolarasi Melton gemacht hat.«

»Kenne ich nicht; weiß kein Wort von ihm!«

»So? Und doch ist er eine Persönlichkeit, an welcher

Sie den lebhaftesten Anteil nehmen müssen. Er nennt sich gerade so wie Sie, nämlich Small Hunter.« »Unmöglich!«

»Nein, wirklich! Sie sehen, der Mann bringt Sie in Gefahr, für einen falschen Small Hunter gehalten zu werden.«

»Sie denken doch nicht etwa -!«

»Ich denke, daß Sie der echte, der wirkliche Small Hunter sind, denn ich bin überzeugt, daß Sie das beweisen können. Ich weiß das sehr genau.«

»Woher?«

»Aus Ihrem Notizbuche.«

»Notizbuch? Was wissen Sie von meinem Buche? Kein Mensch hat in dasselbe gesehen, als nur ich allein.«

»Da irren Sie. Ich habe auch hineingesehen. Und nicht ich allein, sondern Winnetou und Sir Emery auch.« »Das wollen Sie mir doch nicht etwa weismachen!«

»Weismachen nicht, sondern es ist wirklich so. Sie erinnern sich, daß Winnetou auf dem Schiffe mit in Ihrer Kabine gewohnt hat. Wir wollten wissen, woran wir mit Ihnen waren; da machte Winnetou seine Augen auf, und die sind scharf. Er sah, daß Sie Ihr Portefeuille mit großer Sorgfalt behandelten und versteckten. Als Sie schliefen, machte er den Taschendieb. Sie schliefen infolge Ihres außerordentlich guten Gewissens sehr fest, und es gelang ihm darum, den Schlüssel aus Ihrer Tasche und das Portefeuille aus dem Koffer zu bringen. Natürlich kam er mit demselben zu uns hinüber in unsere Kabine, und wir beeilten uns, Einsicht zu nehmen. Dann brachte er es an die Stelle zurück, woher er es genommen hatte. Sie begreifen also nun wohl, warum ich überzeugt bin, daß Sie der echte, wirkliche Small Hunter sind.«

»So bin ich also von Ihnen bestohlen worden!«

»O nein, denn Sie haben Ihr Eigentum zurückerhalten. Sie können uns höchstens das Eine vorwerfen, daß wir ein wenig neugierig gewesen sind. Auch jetzt will ich Sie nicht bestehlen. Ich gebe zwar zu, daß ich das Portefeuille brauche; aber ich werde es Ihnen nicht im Schlafe nehmen; o nein, das fällt mir nicht ein, sondern Sie werden die Güte haben, es mir im vollen Wachen jetzt zu geben.«

»Das werde ich nicht!« schrie er mich an.

»Sie werden!« sagte ich in einem sehr bestimmten Tone. »Wenn Sie es nicht herausgeben, werde ich Sie zu zwingen wissen!«

»Ich habe es nicht mit mir! ich habe es bei dem Pferdehändler von Zaghuan im Koffer gelassen.«

»Sie irren. So einen wichtigen Gegenstand läßt man nicht bei so fremden Leuten liegen. Sie haben während unsers Rittes das Portefeuille oft in der Hand gehabt, und es immer wieder in die Brusttasche zurückgesteckt. Hier ist es; ich fühle es.«

Bei diesen Worten klopfte ich ihm an die Brust, wo das Buch steckte. Er wich zurück und rief:

»Rühren Sie mich nicht an; ich dulde das nicht!«

»O, Sie werden noch mehr als das erdulden. Passen Sie auf!«

Ich wendete mich, natürlich nicht in englischer Sprache, an die umstehenden Offiziere, welche kein Wort unsers Gespräches verstanden, aber doch bemerkt hatten, daß der Inhalt desselben für Jonathan Melton kein angenehmer sein könne. Es kostete nur einige Bemerkungen, so wurde er ergriffen, niedergeworfen und gebunden. Ich nahm das Portefeuille; was er sonst bei sich hatte, wurde ihm gelassen. Dann schaffte man ihn zu den gefangenen Uled Ayun, mit denen er streng bewacht wurde. Nun konnte er sich nicht mehr darüber im Zweifel befinden, daß er von mir durchschaut worden war.

Wir hatten, wie schon längst erwähnt, drei Schwadronen Kavallerie. An der Spitze einer jeden standen ein Kolarasi (Rittmeister), ein Ober- und ein Unterlieutenant. Mit diesen neun Offizieren hielt ich einen kurzen Kriegsrat, nachdem ich ihnen erzählt hatte, wie die Sachen standen.

Die erste Schwadron sollte sich mit ihrem Kolarasi vor den Eingang des Engpasses legen. Mit der zweiten wollte ich selbst den Berg umreiten, um den hintern Ausgang zu besetzen. Die dritte sollte hinauf auf den Berg, um die beiden Felsenränder des Passes zu belegen und nötigenfalls von da oben herabzuschießen. Diese Schwadron mußte sich also teilen; die eine Hälfte unter dem Kolarasi sollte die rechte und die andere unter dem Oberlieutenant die linke Seite des Berges nehmen. Da hinten, wo ich Posto fassen wollte, waren, wie früher erwähnt, die Pferde, und dort lagerten auch die zu der gefangenen Schwadron gehörigen Soldaten, welche von Uled Ayar-Kriegern bewacht wurden. Wenn es mir gleich anfangs gelang, die Gefangenen zu befreien, bekamen wir hundert Mann mehr für uns.

»Und wann soll der Angriff erfolgen?« fragte einer der Offiziere.

»Einen eigentlichen Angriff wird es nicht geben. Die erste Schwadron hat nichts zu thun, als die Feinde zurückzuweisen, wenn dieselben die Schlucht verlassen wollen; die zweite Schwadron hat die gleiche Aufgabe, falls die Ayar hinten ausbrechen wollen. Nur werde ich mit einem Teil derselben vorher über die Wächter herfallen, um eure gefangenen Kameraden zu befreien. Das wird wohl nicht ohne Geschrei und einige Schüsse abgehen, ist aber noch kein Kampf zu nennen, und so dürfen sich die andern Abteilungen nicht etwa dadurch zu einem voreiligen Handeln verleiten lassen. Wir wollen die Feinde nicht töten, sondern gefangen nehmen. Hütet euch also vor Blutvergießen! Je mehr Uled Ayar fallen, destoweniger giebt es dann, von denen der Pascha die Kopfsteuer bezahlt bekommt.«