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Ich bedauerte natürlich auf das herzlichste, daß es mir nicht gelungen war, Small Hunter am Leben zu erhalten; aber die beiden Meltons waren nun unschädlich gemacht, und ich durfte überzeugt sein, daß die Angehörigen der Familie Vogel nun sicher zu ihrem Erbe kommen würden. Wenn ich an die Freude der Leute dachte, hielt ich alle Mühe, welche die Angelegenheit mir verursacht hatte, für gering.

Während wir im Verlaufe des Tages in der beschriebenen Weise thätig gewesen waren, hatten die Krieger der Ayars und die Soldaten Vorbereitungen zu dem Fest- und Friedensmahle getroffen, welches am Abende abgehalten werden sollte. Denn daß es ohne ein solches nicht abgehen konnte, das verstand sich nach den dortigen Gebräuchen ganz von selbst.

Unsere Soldaten hatten einen bedeutenden Vorrat von trockenen Lebensmitteln bei sich. Die Ayars hatten südlich von dem Engpasse eine kleine, für ihre Kriegerschar bestimmte Schlachtherde weiden, welche im Laufe des Tages herbeigetrieben worden war. Es gab also Fleisch, Mehl, Datteln und auch anderes mehr als genug. Wasser war auch da, denn es gab, wie ich noch nicht bemerkt habe, in der Schlucht einen Quell, welcher die Veranlassung gewesen war, daß die Ayars vor unserer Ankunft dort gelagert hatten. Licht wurde zu dem Feste nicht gebraucht, denn der Mond ging bald auf und verbreitete einen so hellen Schein, daß künstliche Beleuchtung ganz unnötig war.

Die Beschreibung des Mahles kann ich füglich übergehen. Der Beduine ist äußerst mäßig, kann aber bei solchen Veranlassungen eine ganz erstaunliche Menge von

Lebensmitteln zu sich nehmen. Gespart wurde nicht, denn es wußte jeder, daß die Uled Ayun bald ganze Herden bringen würden.

Das Leben, welches in den beiden Lagern herrschte, ermüdete erst nach Mitternacht. Die mehr als gesättigten Esser legten sich in Gruppen zu einander schlafen. Bald herrschte dann Ruhe. Ich hatte ein Zelt angewiesen bekommen, welches ich mit Winnetou teilte. Bevor ich mich niederlegte, machte ich einen Rundgang, um nach den beiden Meltons zu sehen. Sie befanden sich in der Obhut ihrer Wächter, und es schien keine Veranlassung zur Sorge da zu sein. Als ich dann zum Zelte kam, saß vor demselben ein Beduine, in welchem ich den Mann von Elatheh erkannte.

»Was thust du hier?« fragte ich.

»Wachen, Effendi,« antwortete er.

»Das ist nicht nötig. Lege dich getrost auch nieder!«

»Effendi, wenn ich am Tage schlafe, kann ich des Nachts wachen. Du stehst ja unter meinem Schutze.« »Ich bedarf desselben aber nicht!«

»Weißt du das? Nur Allah kann es wissen! Ich habe dir soviel zu verdanken und bin so arm, daß ich dir nichts dafür geben kann. Erfreue mich also durch die Erlaubnis, hier bleiben zu dürfen. Meine Wachsamkeit ist das einzige, was ich dir bringen kann!«

»Nun wohl! So will ich dich nicht dadurch betrüben, daß ich dich fortschicke. Allah sei mit dir, mein Hüter und mein Freund!«

Ich gab ihm die Hand und trat dann in das Zelt. Daß ich ihn Freund genannt hatte, war ein Vorzug, der ihn jedenfalls stolz und glücklich machte.

Winnetou war auch ermüdet, da er in voriger Nacht ebensowenig geschlafen hatte, wie ich; wir schliefen bald ein. Ungefähr gegen drei Uhr nach Mitternacht, also nach gar nicht langer Zeit, wurde ich geweckt durch einen Ruf, welcher draußen erscholclass="underline"

»Werda! Zurück!«

Ich horchte. Auch Winnetou richtete sich auf. »Zurück!« rief es draußen noch einmaL

Wir gingen hinaus. Mein Freund und Hüter saß nicht mehr am Eingange des Zeltes; er war aufgestanden und stand lauschend an der Seite desselben. Der Mond war untergegangen.

»Was gab es?« fragte ich.

»Ich saß an der Thür und wachte,« antwortete der Mann. »Da sah ich einen Menschen gekrochen kommen und rief ihn an. Er verschwand darauf schnell. Ich erhob mich von der Erde und ging um das Zelt. Da sah ich einen zweiten davonspringen und rief ihm nach.«

»Vielleicht sind's zwei Tiere gewesen?«

»Was für welche sollten es sein! Es waren Menschen, die es auf dich abgesehen hatten!« »Das glaube ich nicht. Wir befinden uns ja unter lauter Freunden!«

»Weißt du das? Allah allein kann es wissen! Doch geh hinein, und leg dich getrost wieder schlafen; ich wache für dich!«

Ich ging hinein, vollständig überzeugt, daß der Mann sich getäuscht hatte. Winnetou war derselben Ansicht. Wie gut aber wäre es gewesen, wenn wir dem Beduinen geglaubt hätten!

Wir schliefen bald wieder ein, wurden aber nach vielleicht einer Stunde durch einen Heidenlärm, welcher draußen erscholl, wieder aufgeweckt. Wir griffen nach unsern Waffen und eilten hinaus. Eben stieg der erste Schein des Tages im Osten auf; man konnte leidlich sehen. Der erste Mensch, auf welchen mein Auge fiel, war Krüger-Bei, welcher nach unserm Zelte gelaufen kam. Er rief mir atemlos zu, und zwar vor Aufregung in deutscher Sprache:

»Die Gefangenen sind fort mit drei Kamelen!«

»Welche denn? Wir haben verschiedene Gefangene, die beiden Meltons und die vierzehn Ayuns. Welche meinen Sie?«

»Die Ayuns nicht.«

»Also die Meltons? Alle Wetter! Das wäre ein Streich! Dann müssen wir sofort nach! Aber da laufen Ihre Leute nach allen Richtungen hin und her, und verderben mir die Spuren. Geben Sie den Befehl, daß jeder sofort an dem Platze zu bleiben hat, an welchem er sich jetzt befindet!«

Er rief mit einer wahren Donnerstimme diese Weisung über die beiden Lager hin, und sofort trat Ruhe ein. Der Scheik und Emery kamen auch herbei, und nun berichtete Krüger-Bei:

»Als jetzt vor zehn Minuten zwei neue Wächter zu dem Kolarasi Melton kamen, um die früheren abzulösen, war er fort. Seine Fesseln lagen da und daneben der eine Wächter mit dem Messer im Herzen.«

»Liegt der Tote noch dort?« fragte ich.

»Ja.«

»Kommt hin!«

Ja, da lag er, der arme Teufel! Die Klinge war ihm bis an das Herz gestoßen worden. Er hatte jedenfalls nicht ein Wort sagen, nicht einen Ruf ausstoßen können. Das Sonderbarste aber war, daß man erst nach dieser Entdeckung bemerkt hatte, daß auch der junge Melton fehle. Dazu waren die drei besten Eilkamele fort!

Winnetou hatte kein Wort von denen, die wir ge- gesprochen hatten, verstanden. Er sah mich fragend an, und ich erklärte ihm das neue, nicht eben freudige Ereignis. Er senkte den Kopf, überlegte eine kleine Weile und sagte dann:

»Ein Wächter ist tot. Wo ist aber der zweite?«

»Auch fort!« antwortete Krüger-Bei, dem ich die Frage verdolmetschte.

»Dann war der andere Wächter im Einverständnisse mit Melton,« erklärte der Apatsche. »Und darum hat Melton zu dir gesagt, er sei nicht so machtlos, wie du anzunehmen scheinest.«

»Ganz richtig!« stimmte ich bei. »Und wir beide sind durch die Aufmerksamkeit unsers Hüters einer großen Gefahr entgangen. Die Meltons haben sich nach unserm Zelte geschlichen, um sich zu rächen, sind aber von diesem Manne vertrieben worden.«

»Wir müssen ihnen nach!«

»Ja, und zwar ohne Säumen. Leider haben sie die besten Kamele mitgenommen. Wir müssen uns mit den nun besten begnügen.«

Ich teilte dem Herrn der Heerscharen unsern Entschluß mit und bat ihn, drei schnelle Tiere aussuchen und für mehrere Tage mit Wasser und Proviant versehen zu lassen.

»Nur drei? Warum nicht mehr?« »Weil nur wir drei reiten werden, Emery, Winnetou und ich.«

»Ich nicht auch?«