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»Wo sind die Damen, die oben schliefen?« fragte ich ihn.

»Fort,« antwortete er, indem sich sein Gesicht in ein schadenfrohes Grinsen zog. »Ich habe sie hinausgelassen.«

»Und heimlich, damit wir es nicht bemerken sollten!«

»Allerdings, Mesch'schurs. Ich gönne meinen werten Gästen gern den Schlaf. Darum habe ich die Küchenthür so leise nach außen geöffnet und die Leiter so leise hinausgeschafft und draußen angelehnt, daß ihr es selbst dann nicht gehört hättet, wenn ihr wach gewesen wäret. Und ebenso leise sind die Damen dann auch durch den Laden herabgestiegen.«

Er sagte das mit einem so merkwürdigen Hohne, daß ich ihn am liebsten hätte ohrfeigen mögen. Ich fragte weiter:

»Ihr wißt nicht, wohin sie sind?«

»Nein.« »Und doch habt Ihr sie im Wagen fortgeschafft!«

»Im Wagen?« meinte er erstaunt. »Woher wißt Ihr das?«

Ich dachte an die Worte, welche Judith zu dem Händler gesagt hatte: »Mr. Hunter hat dafür gesorgt, daß ich schnell zu ihm kommen kann.« Sollte er ihr beim Abschiede gesagt haben, er wolle hier einen Wagen für sie bereithalten lassen? Ich antwortete:

»Ich weiß, daß hier bei Euch ein Wagen für eine Mrs. Silverhill gestanden hat!«

»Wenn Ihr es so gewiß wißt, warum soll ich es da leugnen! Er stand drüben an der Station im Schuppen. Ich habe ihn aus Little Rock besorgen müssen und ein Heidengeld dafür bezahlt, obwohl es nur eine alte, ausgediente Ueberlandkutsche war.«

»Nach welcher Richtung ist die Kutsche fort?«

»Das kümmert Euch nicht.«

»Well, ganz wie Ihr wollt, Sir! Nun zeigt uns doch einmal die Pferde, die Ihr uns verkaufen wollt!«

»Ich verkaufe sie nicht. Ich will Euch offen sagen, daß Mrs. Silverhill, die eine sehr feine Dame ist, mich dafür bezahlt hat, daß ich Euch kein Pferd ablasse.«

»So wird es andere Leute geben, bei denen wir welche bekommen.«

»Hier in Gainesville? Da irrt Ihr Euch. Es giebt keinen Pferdehuf hier im Orte, der nicht mir gehört. Schöne Pferde sind's; das muß man sagen. Soll ich sie Euch mal zeigen? Sie stehen da draußen in der Fenz.«

Er sagte das wieder in seinem so niederträchtig schadenfrohen Tone und deutete dabei mit der Hand über die Station hinüber. Ich verstand den Blick, welchen mir Winnetou zuwarf, und antwortete:

»Ansehen kann man sie sich einmal. Zeigt sie uns also!«

Wir hatten alles, was uns gehörte, bei uns und folgten ihm ins Freie, wo, vielleicht zehn Minuten vom Orte entfernt, eine Fenz errichtet war, in welcher sich zwölf Pferde befanden. Es waren einige dabei, welche uns gefielen. Der Mann blieb aber bei seiner Weigerung. Da sagte ich:

»Sir, hat Mrs. Silverhill Euch unsere Namen genannt?«

»Nein.«

»So will ich sie Euch sagen. Hier steht Winnetou, der Häuptling der Apatschen; ich bin Old Shatterhand, von dem Ihr wohl schon gehört habt, und der Dritte von uns ist auch ein Mann, der nicht mit sich spaßen läßt. Ihr verkauft Pferde, und wir brauchen augenblicklich welche; Ihr wollt uns nur aus reiner Schikane keine ablassen. Nun hört, was ich Euch sage; es ist unsere feste Absicht, die wir unbedingt ausführen werden: Wir kaufen Euch dort die zwei Braunen und hier den Schwarzen ab und zahlen Euch für das Stück sofort fünfundachtzig Dollars. Dazu gebt Ihr uns drei alte Sättel mit Zügelzeug, das Stück zu fünfzehn Dollars, macht Summa Summarum dreihundert Dollars. Wollt Ihr nicht, so gehen wir fort. Was darauf geschieht, ist auch einmal jetzt unsere Sache und nicht die Eurige!«

»Wie? Ist's wahr, ist's wahr? Ihr seid Winnetou und Old Shatterhand?« rief er aus. »Wenn das ist, welch eine Ehre! Wie stolz bin ich darauf, erzählen zu können, daß ich solche Männer in meinem Salon bewirtet habe! Ja, jetzt gehen mir die Augen auf, Mesch'schurs. Das ist Winnetou, der Häuptling mit der Silberbüchse. Und Ihr habt zwei Gewehre, ein schweres und ein leichtes. Das ist der Bärentöter und der famose Henrystutzen. Mesch'schurs, ihr sollt die Pferde mit den Sätteln haben. Nehmt sie; nehmt sie hin! Und nun will ich euch auch sagen, wohin die Frauen gefahren sind. Sie sind nach Henrietta, wo sie neue Pferde nehmen wollen. Dann gehen sie über die Dryfurt des Red River, um die Canadianstraße der Wagenzüge zu gewinnen, welche nach San Pedro und Albuquerque führt.«

Diese Einwilligung hatte ich nicht erwartet; ich war vielmehr auf eine erneute Weigerung gefaßt gewesen. In dem Falle hätten wir uns augenblicklich auf die drei von mir bezeichneten Pferde gesetzt, ihm für jedes fünfzig Dollars hingeworfen und wären ohne Sattel- und Zaumzeug davongeritten. So aber war es doch viel besser.

Er bat uns, mit ihm ins »Hotel« zurückzukehren, wo wir die Sättel auswählten und sie und die Pferde bezahlten. Während das erstere geschah, war er für einige Augenblicke fortgegangen; aus welchem Grunde, das sahen wir sehr bald darauf, denn kaum war er zurückgekehrt, so füllte sich der »Salon« mit sämtlichen Bewohnern des Ortes; sie kamen, groß und klein, alt und jung, um uns - nicht anzusehen, sondern förmlich anzustaunen, und wir konnten uns dies ruhig gefallen lassen, da sie uns dabei nicht im geringsten belästigten. Keiner wagte es, uns auch nur anzureden; der Wirt aber machte ein gutes Geschäft dabei, denn während der Stunde, welche wir noch blieben, wurde so viel getrunken, daß das Gesicht des Wirtes sich zu einem immer befriedigteren Schmunzeln verzog. Dies war wohl auch der Grund, daß er uns schließlich bat, einen Vorrat von Proviant als Zugabe von ihm anzunehmen. Wir weigerten uns natürlich nicht, das zu thun, und dabei zeigte es sich, daß er viel besseres Mehl und Fleisch besaß, als er gestern zu unserm Abendessen verwendet hatte. Er schenkte uns sogar eine kleine Pfanne und drei Becher, welche Gegenstände wir unterwegs bei der Zubereitung der Speisen recht gut gebrauchen konnten.

Nachdem wir uns auf diese Weise ausgerüstet hatten, ritten wir fort und schlugen selbstverständlich die Richtung nach Henrietta ein, weil die Jüdin den Weg dorthin genommen hatte. Dort angekommen, erfuhren wir, daß sie volle acht Stunden vor uns dagewesen war und nicht nur Wagen sondern auch Reservepferde bekommen hatte. Sie war natürlich überzeugt gewesen, daß wir ihr folgen würden, und hatte, wie es schien, die Anweisung erteilt, uns keine Auskunft zu geben.

Höchst wahrscheinlich hatte sie die Anweisung durch ein Trinkgeld unterstützt. Sie mußte überhaupt eine nicht unbedeutende Summe bei sich haben, da sie soviel Pferde erlangt hatte. Die Auskunft wurde uns allerdings auch verweigert; als jedoch Emery einen kleinen Pferdeboy heimlich zur Seite nahm und ihm zwei Dollars in die Hand drückte, öffnete er dem jungen den Mund und dieser teilte dem Englishman nicht nur die Zeit der Ankunft und Abfahrt der Jüdin mit, sondern verriet ihm auch, daß vor einiger Zeit ein Gentleman dagewesen sei, welcher für das schnelle Fortkommen der Dame gesorgt habe. Er beschrieb den Gentleman so genau, daß wir in demselben Jonathan Melton erkannten.

Es war leicht anzunehmen, daß Jonathan mit Judith die einzuschlagende Route verabredet und ihr dieselbe während seiner Voranreise möglichst erleichtert hatte. Geld dazu führte er ja mehr als genug bei sich.

Sie wollte also hinüber nach der San Pedro-Straße und hatte dazu allen Grund, weil es nur dort für sie Gelegenheit gab, ihre ermüdeten Pferde gegen frische umzutauschen. Da wir wußten, daß sie nach Albuquerque wollte, so hielt ich es nicht für nötig, uns auf ihrer Spur zu halten. Sie mußte, weil sie zu Wagen war und zuweilen die Pferde zu wechseln hatte, einen Umweg machen, während wir denselben abschneiden konnten. Thaten wir dies, so erreichten wir Albuquerque wahrscheinlich früher als sie und konnten nicht nur sie dort erwarten, sondern auch nach den Meltons ausschauen. Freilich ging der