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»Wurde einer von euch getroffen?«

»Nein,« antwortete Emery. »Die Kugeln waren zwar sehr gut gemeint, aber um so schlechter gezielt. Wer weiß, wer die Schufte gewesen sind! Jedenfalls ein paar hiesige Elendsritter, welche es auf andere Leute abgesehen hatten und uns mit diesen verwechselt haben.«

»Denkt das nicht! Es war auf mich abgesehen. Die Strauchritter waren die alten Meltons, wenn mich nicht alles täuscht.«

»Wetter! Ist das möglich?«

»Nicht nur möglich, sondern sogar mehr als wahrscheinlich.«

»Der Tausend! Wenn das wirklich so wäre, ärgerte ich mich tot! Warum glaubst du, daß sie es waren?«

»Das sollst du erfahren; aber um keinen Fehler zu begehen und nichts zu versäumen, muß ich wissen, wohin die beiden Halunken geflüchtet sind.«

»Fort sind sie, fort!«

»Und ihr habt sie nicht eingeholt? Winnetou ist doch ein großer Läufer!« Da erklärte der Apatsche:

»Winnetou war schnell hinter ihnen her; fast hatte er sie ereilt; aber da standen zwei Pferde, sie sprangen auf und galoppierten fort.«

»Ah, ist's so? Und da ihr eure Büchsen nicht mit hattet, konntet ihr ihnen keine Kugeln nachsenden. Der Plan war gar nicht schlecht ausgedacht; sie sind fort und werden nicht zurückkehren.«

»Meinst du?« fragte Emery. »Wenn sie umkehren und sich heranschleichen, geraten wir abermals in Gefahr.«

»Sie sind fort; ich weiß es sicher. Nun sie auch euch gesehen und wenigstens Winnetou erkannt haben, werden sie sich hüten, sich nochmals hierher zu wagen. Kommt mit herauf! Die Sennora wird es gestatten!«

Es war mir lieb, daß ich die beiden Gefährten hier hatte, wir konnten so ohne Weitläufigkeit mit Franz Vogel das weitere besprechen. Und Martha war natürlich hocherfreut, die beiden Männer, denen sie soviel zu verdanken hatte, bei sich zu sehen. Als wir uns wieder im Zimmer befanden, forderte ich zunächst Emery auf:

»Erzähle vor allen Dingen, wie sich der Vorfall jetzt draußen abgespielt hat!«

»Schlecht hat er sich abgespielt, herzlich schlecht!« zürnte er. »Hätte ich geahnt, daß die beiden Kerls da draußen im Felde lagen, so -«

»Im Felde?« unterbrach ich ihn.

»Ja. Wo sonst?«

»Nicht in den Büschen am Flusse?« »Nein. Warum fragst du?« »Nachher! Erzähle nur weiter!«

»Ich ging in euer Hotel, um mit euch zu reden, und traf nur Winnetou, der mir sagte, wen du gefunden hattest. Wir warteten auf dich. Du kamst nicht; da gingen wir zu dir.«

»Aber Winnetou kannte doch dieses Haus nicht!«

»Unsinn! Wir sind doch keine Kinder, die nicht wissen, wie man etwas erfährt, was man wissen will! Wir haben natürlich nach der Wohnung der Herrschaften gefragt. Wir schlenderten am Flusse her, um zu erfahren, ob vielleicht etwas Unangenehmes der Grund deines langen Ausbleibends sei, da erhoben sich plötzlich zwei Gestalten rechts von uns im Felde, höchstens vierzig bis fünfzig Schritte von uns. Wir sahen, daß sie die Gewehre auf uns anlegten und warfen uns nieder, gerade als die Schüsse aufblitzten. Dann sprangen wir auf und eilten auf sie zu. Die Halunken drehten um und schossen davon, was ihre Beine nur laufen konnten. Winnetou war mir voran; du weißt, daß er besser läuft, als ich; er kam ihnen näher und näher; da standen plötzlich, wie aus der Erde hervorgezaubert, zwei Pferde, auf welche sie sprangen; fort ging's im Galopp. So ist's geschehen.«

Winnetou fügte hinzu, indem ein leichtes Lächeln über sein schönes Gesicht glitt:

»Winnetou war dem einen sehr nahe und kam gerade recht, den Schwanz seines Pferdes zu erfassen und ihn beim ersten Sprunge des Tieres wieder loszulassen.«

»Ihr habt doch Revolver mit. Warum habt ihr nicht geschossen?«

»Weil wir nicht wußten, wer es war,« antwortete Emery. »Hätte ich geahnt, wen wir vor uns hatten, so wäre es jedenfalls anders geworden!«

»Mein Bruder mag nicht so sprechen,« sagte der Apatsche. »Wir haben nicht klug, sondern wie Knaben gehandelt, welche keine Erfahrung besitzen. Sie schossen; sie waren Mörder, und Mörder läßt man nicht entlaufen. Wir hätten, als wir uns niederwarfen, liegen bleiben sollen; sie hätten geglaubt, wir seien getroffen worden und verwundet, oder gar tot. Sie wären zu uns gekommen, um nachzusehen, und wir hätten dann - weiß mein Bruder Emery, was wir dann gethan hätten?«

»Alle Wetter!« rief Bothwell begeistert. »Natürlich weiß ich es! Wir hätten sie gepackt und nicht wieder fortgelassen. Wir sind doch zwei Kerle, die es mit solchen Menschen aufnehmen dürfen. Ja, du hast recht, wir haben wie Schulbuben gehandelt. Wie konnten wir nur so dumm sein! Sage mir das einmal, Charley!«

»Das ist leicht zu sagen,« antwortete ich. »Ihr ginget unbefangen und ahnungslos eures Weges und mußtet also sehr betroffen sein, als ihr, so nahe der Stadt dazu, plötzlich mit Gewehren angefallen wurdet. Es ist ein Zeichen außerordentlicher Geistesgegenwart, daß ihr sofort niedergefallen seid. Mehr kann kein Mensch selbst vom gewandtesten und berühmtesten Westmanne verlangen.« »Well! Das beruhigt mich. Dennoch wäre es besser gewesen, wenn wir Winnetous List in Anwendung gebracht hätten. Aber das ist nun vorüber; sprechen wir nicht mehr davon, da uns das nur zum Aerger gereichen würde!«

»Ja, sprechen wir lieber von der Meldung, welche du uns in das Hotel bringen wolltest! Hattest du uns etwas Wichtiges zu sagen?«

»Ja. Jonathan Melton ist hier gewesen und mit seiner Braut bei Plener abgestiegen.« »Wann?«

»Gestern vormittags. Die beiden haben mit einander gespeist, neue Pferde eingetauscht und sind dann gleich wieder fortgereist.«

»Zu Wagen?«

»Ja. Vorher hat ihnen Plener einen Führer besorgen müssen, welcher mit ihnen abgeritten ist. Sie fahren über Acoma nach dem kleinen Colorado hinüber.«

»Wenn man das glauben darf! Es könnte darauf angelegt sein, uns irre zu führen.« »Dann müßte Plener mit Jonathan unter einer Decke stecken!«

»Ist nicht nötig. Jonathan kann ihn belogen haben, um uns von ihm täuschen zu lassen.«

»Möglich! Plener macht den Eindruck eines geriebenen Hoteliers, aber ein Schurke ist er sicher nicht. Und warum sollte sich Jonathan mit solchen Vorsichtsmaßregeln abgeben? Er wird das nicht für nötig halten, da er sehr wahrscheinlich überzeugt ist, daß wir da drüben im Thale des Todes von den Komantschen umgebracht worden sind.«

»Es ist möglich, daß er das denkt und sich also ziemlich sicher fühlt. War das alles, was du zu sagen hattest?«

»Nein. Plener selbst wollte ich nicht weiter fragen und belästigen, konnte aber von seinen Leuten nichts weiteres erfahren, sodaß ich mich heute abend wieder an ihn wendete. Da sind heute vormittag zwei Männer in seinen Salon gekommen, haben eine gute Zeche gemacht und ihn gefragt, ob ein Sennor mit einer Sennora zu Wagen bei ihm vorgesprochen habe. Er hat ihnen der Wahrheit nach die Auskunft gegeben, wie mir; dann sind sie fort.«

»Sie kamen zu Fuß?«

»Ja. Und jetzt fällt mir ein, daß er mir so nebenbei bemerkte, sie hätten sehr große Sombreros gehabt.«

»Also Vater und Onkel Melton! Sie sind so vorsichtig gewesen, nicht bei Plener abzusteigen, sondern nur für kurze Zeit bei ihm einzukehren.«

»Aber warum sind sie bis heute abend hier geblieben und nicht sofort ihrem lieben Jonathan gefolgt?«

»Wahrscheinlich weil sie ermüdet waren, und auch ihren Pferden Ruhe gönnen mußten.«

»Wenn sie nicht ihre müden Pferde gegen frische umgetauscht haben! Geld werden sie wahrscheinlich haben.« »Natürlich. Jonathan hat sie gewiß damit versorgt. Sie sind von New-Orleans aus einen andern Weg, als den seinigen hier heraufgeritten, der Vorsicht halber. Heut abend besuchten sie das Konzert, um sich zu unterhalten, und sahen mich. Sie vermuteten ganz selbstverständlich, daß ihr bei mir seid, schlichen sich hinter mir her und warteten am Flusse, um auf mich zu lauern. Da kam hier Master Vogel an ihnen vorüber. Sie wußten, daß er der Bruder der Dame ist, bei der ich mich befand, und vermuteten, daß er mich warnen werde.«