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»Das ist dasselbe, was ich auch gehört habe; aber Sie irren sich. Das waren keine Menschen, sondern Pferde.«

»Ich möchte aber doch wetten, daß es Menschen gewesen sind. Und über zehn waren es ganz gewiß.«

»Sie sind nicht so geübt wie ich. Es waren zwei Pferde, welche mit ihren Hufen die Erde so treffen, daß ein Unerfahrener allerdings denken kann, es seien über zehn Menschen. Wir müssen Winnetou und Sir Emery wecken, denn ich bin überzeugt, daß es die Meltons gewesen sind.«

Als die Genannten erwachten und meine Meldung hörten, waren sie gleicher Meinung mit mir. Emery sagte:

»Ja, sie waren es; sie sind fort, und wir müssen ihnen augenblicklich nach.«

»Nein,« entgegnete Winnetou. »Meine Brüder müssen mit mir warten, bis es hell geworden ist, damit wir die Spuren sehen können.«

»Das brauchen wir nicht. Wir kennen ja die Richtung, in welcher sie reiten.«

»Nein, die kennen wir nicht,« antwortete ich. »Winnetou hat recht. Wir müssen unbedingt warten.«

»Wir wissen doch, daß sie nach dem kleinen Colorado reiten. Wenn wir das auch thun, müssen wir auf ihre Spur treffen.«

»Aber es ist möglich, daß sie von jetzt an eine andere Richtung einschlagen, um uns irre zu führen.« »Da müssen sie sich doch sagen, daß das vergeblich sein dürfte!«

»O nein. Sie haben keine Ahnung davon, daß wir ihr Ziel kennen; sie sind später in Albuquerque angekommen, als ihr sauberer Jonathan, und er hat ihnen also nicht erzählen können, was geschehen ist, seit sie sich von ihm getrennt haben. Sie glauben also, wir folgen ihnen und wissen nichts von ihm und dem Orte, an welchem sie ihn treffen wollen. Darum ist es sehr leicht möglich, daß sie auf den Gedanken kommen, uns in eine andere Gegend zu locken.«

»Well! Aber was schadet das? Wir reiten eben nach dem Colorado, um ihren Jonathan zu fassen. Wenn sie von dieser Richtung abweichen, so lassen wir sie laufen.«

»Wir wollen aber auch sie haben!«

»Wir bekommen sie sicher bei ihrem Jonathan. Wenn wir diesen haben, so warten wir, bis sie kommen. Und kommen werden sie.«

»Das ist gar nicht sicher. Ich möchte lieber das Gegenteil behaupten. Und wenn sie wirklich kommen, so werden sie dies mit solcher Vorsicht thun, daß es gewiß außerordentlich schwer sein wird, sie zu erwischen.«

»Das behauptest du mit solcher Sicherheit?«

»Ja. Ich habe meine Gründe dazu. Frage Winnetou! Er wird mir beistimmen.« »Warum sollten sie sich später noch mehr in acht nehmen, als jetzt?«

»Das ist doch so einfach! Sie wollen uns fortlocken. Wenn sie bemerken, daß wir ihnen nicht folgen, so müssen sie natürlich annehmen, daß wir nach dem "Schlosse" der Jüdin seien, und zwar ihnen voran. Sie müssen auch hin, und da versteht es sich ganz von selbst, daß sie, wenn sie kommen, dies nur mit äußerster Vorsicht thun werden.«

»Hm! Das ist allerdings nun zu begreifen.«

»Dazu kommt, daß wir dann leicht zwischen zwei Feuer kommen können, vor uns haben wir Jonathan Melton und hinter uns die beiden.«

»Pshaw! Jonathan ist gar nicht zu fürchten!«

»Richtig! Aber du vergissest, daß er eine Anzahl von Indianern bei sich hat, welche mit der Jüdin und ihrem verstorbenen Manne, ihrem Häuptlinge, aus der Sonora herübergezogen sind. Mit diesen Leuten haben wir doch unbedingt zu rechnen.«

»Das ist richtig. Du meinst also, daß wir den Meltons nachreiten, selbst wenn sie einen andern Weg einschlagen?«

»Ja. Wir müssen sie haben. Darum können wir nicht eher von hier fort, als bis es Tag geworden ist und wir ihre Spuren sehen können.«

»Auch müssen wir warten, um unsere Pferde noch einmal zu tränken,« bemerkte Winnetou. »Sie haben zwar gestern abend Wasser bekommen, aber wir wissen nicht, wohin es geht und ob wir heute und morgen wieder welches finden.«

Wir blieben also sitzen, bis der erste Schimmer des Tages im Osten erschien und wir das Pueblo sehen konnten. Wir ritten hin und bemerkten, daß alle Be- Bewohner wach waren. Das war ein Beweis, daß sie in der Nacht etwas gegen uns vorgehabt hatten. Als sie sahen, daß wir nach der Cisterne wollten, kam einer von ihnen auf uns zu und sagte:

»Wenn ihr eure Pferde tränken wollt, müßt ihr wieder bezahlen!« »Wer bist du denn, daß du dies zu verlangen hast?«

»Ich bin der Häuptling des Pueblo.«

»Ah so! Wir wollten gestern mit dir reden und haben nach dir gefragt. Warum antwortete man uns nicht?« »Weil ich nicht hier war.«

»Das ist eine Lüge, denn ich erinnere mich ganz genau, dein Gesicht gesehen zu haben. Wann bist du denn von hier fortgegangen?«

»Gestern früh.«

»So bist du also vorgestern und auch die vorigen Tage hier gewesen?« »Ja.«

»Dann wirst du uns wohl sagen können, ob in der Zeit Fremde hier gewesen sind.« »Es war niemand hier.«

»Aber gestern sind doch zwei weiße Reiter zu euch gekommen?«

»Nein. Als ich heimkam, hat man mir nur von euch erzählt. Wären noch andere dagewesen, so hätte man es mir auch gesagt.«

»Es sind zwei Reiter da gewesen. Sie haben uns in der Nacht gesucht, um uns zu töten!« Er erschrak und antwortete:

»Sennor, wie könnt Ihr so etwas behaupten! Wir sind ehrliche und friedliche Leute, die nichts Böses thun!«

»Wäret ihr wirklich so ehrliche Leute, so würdest du uns nicht belügen. Eigentlich sollten wir euch dafür züchtigen; aber wir wollen das nicht thun, denn wir sind Christen. Wir wissen, daß die beiden Männer, von denen ich spreche, vor kaum einer Stunde fortgeritten sind. Da wir aber sie nicht fürchten und euch verachten, werden wir so thun, als ob nichts geschehen sei und euch sogar euer Wasser bezahlen.«

Er bekam die verlangte Summe; wir tränkten unsere Pferde, tranken auch selbst und ritten dann fort, zunächst nach Spuren gar nicht suchend. Aber dann, als wir außer Sicht der Indianer waren, trennten wir uns, um nach der Fährte zu forschen. Der Apatsche fand sie zuerst. Sie hatte zunächst eine westliche Richtung, machte dann aber einen Bogen nach Nordwest.

»Siehst du!« sagte ich zu Emery. »Die von mir angedeutete Möglichkeit wird zur Wirklichkeit. Die Kerle sind vom richtigen Wege abgewichen.«

»Das ist fatal! Wer weiß, wie weit sie uns mit sich fortschleppen und wie lange Zeit wir brauchen, um wieder auf den rechten Weg zu kommen!«

»Ja, wenn wir ihnen im Galopp folgen könnten, so hätten wir sie bald eingeholt!« »Warum thun wir dies denn nicht?« »Vogels Pferd kommt nicht mit fort.«

Als ich das sagte, stieg Winnetou ab, betrachtete die Spur sehr aufmerksam und fragte dann Vogeclass="underline" »Mein junger Bruder hat nicht gelernt, eine Fährte zu lesen?«

»Nein,« antwortete der Gefragte. »Wenn die Stapfen nicht ganz deutlich sind, finde ich sie nicht.«

»So dürfen wir ihn nicht allein zurücklassen, weil er uns nicht finden und sich verirren würde. Die Meltons reiten gute Pferde; dennoch können wir sie bald einholen, um sie zu fangen. Winnetou wird jetzt mit Old Shatterhand die Verfolgung beginnen. Wir beide genügen, diese Menschen festzunehmen. Mein Bruder Emery mag mit dem jungen Manne auf unserer Fährte folgen.«

Das Gesicht des Englishman bewies, daß er nicht sehr darüber erbaut war, daß er zurückbleiben sollte, doch sagte er nichts dagegen. Wir ritten im Galopp fort, und er blieb mit Vogel hinter uns.

Der Vorsprung, welchen die Meltons vor uns hatten, betrug ungefähr eine Stunde. Selbst wenn sie, wie Winnetous Meinung gewesen war, gute Pferde hatten, mußten wir sie mit unsern vortrefflichen Komantschenrossen noch vor Mittag eingeholt haben, falls es zu einem Wettrennen kommen sollte. War das nicht der Fall, so erreichten wir sie noch viel früher. Es kam ganz darauf an, ob sie uns zeitig genug bemerken würden oder nicht.