»Der gilt nichts mehr. Ich sage nochmals, wehe ihnen, wenn sie den Yumas einmal in die Hände fallen sollten!«
Der Zuni sprach jetzt, ganz entgegengesetzt von seiner vorherigen Freundlichkeit, mit einer Erbitterung, welche mir unerklärlich war. Darum sagte ich:
»Du scheinst ein sehr guter Freund der Yumas zu sein, denn du sprichst gerade so zornig, als ob du selbst einer wärst.
Ach bin ihr Freund, und ihre Feinde sind auch die meinigen!« gestand er ein.
»Du scheinst aber von ihnen falsch unterrichtet worden zu sein. Winnetou und Old Shatterhand haben damals sehr mild gegen die Yumas gehandelt; sie haben die Roten mehreremale besiegt und ganz in ihrer Gewalt gehabt, sind aber trotzdem ungemein nachsichtig mit ihnen verfahren. Schweigen wir von der Sache!«
»Ja, schweigen wir, denn wenn ich daran denke, möchte ich den Apatschen und seinen weißen Freund nicht anders, als am Marterpfahle sehen!«
Er wendete sich von uns ab, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und starrte düster in das Feuer. Seine Freundlichkeit war zu Ende. Winnetou warf mir einen bezeichnenden Blick zu.
Hätte der Zuni gewußt, daß wir die beiden waren, die er so gern an dem Marterpfahle sehen wollte! Eigentlich war es auffällig, daß er nicht auf diesen Gedanken kam. Er mußte es doch dem Apatschen ansehen, daß er ein Indianer war. Warum fragte er ihn nicht, zu welchem Stamme er gehörte? Winnetou wäre viel zu stolz gewesen, seinen Namen zu verleugnen. Und dann die Silberbüchse und mein Henrystutzen! Jedermann kannte die beiden Gewehre, wenn auch nur vom Hörensagen. Dort lehnten sie in der Ecke, und der Schein des Feuers fiel hell auf sie. Wenn der Zuni nur einen Blick hinwarf, mußte er wissen oder wenigstens ahnen, wen er vor sich hatte. Der Mann wurde mir immer unbehaglicher.
Da endlich kam seine Frau wieder. Sie war so durchnäßt, daß ihre Kleider sich eng an ihren Körper legten. Ohne einen Blick auf uns zu werfen, ging sie an uns vorüber und nach dem Lager, auf welchem sie bei unserer Ankunft gesessen hatte; dort setzte sie sich wieder hin. Sie war nicht häßlich, hatte aber ein unstätes, verschüchtertes Wesen und schien mehr die Sklavin ihres Mannes zu sein.
»Wo mag sich das arme Weib in solchem Wetter herumgetrieben haben!« meinte Emery in deutscher Sprache, da es möglich war, daß der Zuni ein wenig englisch verstand. »Welchen Grund kann es geben, jetzt da hinaus zu gehen und stundenlang draußen zu bleiben!«
»Einen sehr triftigen,« antwortete ich. »Wie weit, sagte vorhin der Zuni, daß es nach dem Flujo blanco sei?«
»Zwei Stunden zu reiten.«
»Und wie lange ist die Frau ungefähr abwesend gewesen?«
»Gewiß über vier Stunden, und - ah, meinst du etwa, daß sie bei den Meltons gewesen ist?«
»Ich halte es für sehr möglich, um unsere Ankunft zu melden.«
»Deinen Scharfsinn sonst in allen Ehren, Charley, diesmal aber verrechnest du dich!«
»Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Ich möchte behaupten, daß der Zuni uns sofort erkannt hat, als er uns kommen sah, und daß seine Freundlichkeit nur Maske war.«
»Das wäre! Wenn du recht hättest, könnte es für uns unangenehm werden! Wir sollen hier abgefangen werden?«
»Wahrscheinlich.«
»Dann müssen wir augenblicklich fort!« »Nein, wir bleiben!«
»Mensch, willst du dich hier ergreifen lassen?« »Nein.«
»Aber dies wird ganz gewiß geschehen, wenn du wartest, bis sie kommen!«
»Zu warten brauchen wir nicht, denn sie sind, wenn ich mich nicht überhaupt irre, jedenfalls schon da.« »Meinst du?«
»Ja. Sie sind wahrscheinlich gleich mit der Frau gekommen.« »Und stehen draußen?«
»Wetter! Und wir sitzen hier bei offener Thür am hellen Feuer! Einige Schüsse, und man ist mit uns fertig!«
»Keine Sorge! Die Meltons wollen uns lebendig haben, und werden uns darum nicht bekommen!«
Um für den Notfall gleich einige Kugeln versenden ZU können, ging ich nach der Ecke und holte meinen Stutzen. Bei dieser Gelegenheit trat ich auch an die Thür und zog die Felle so vor, daß nur ein schmaler Streifen offen blieb, durch welchen der Rauch abziehen konnte. Nun war es unmöglich, uns von draußen am Feuer sitzen zu sehen. Damit war aber der Zuni nicht zufrieden.
»Warum verschließest du die Thür?« fragte er mich. »Willst du, daß wir hier ersticken?«
»Der Rauch zieht auch jetzt noch ab; kein Mensch erstickt, antwortete ich.
»Aber die Thür muß offen sein!«
Er stand auf.
»Ich bitte dich, sie zuzulassen, weil man uns von draußen sehen kann.« »Wer soll draußen sein!« »Vielleicht weißt du es.«
»Es ist niemand da, und die Thür wird wieder geöffnet!«
Er wollte hingehen, um die Felle zu entfernen. Diese Hartnäckigkeit ließ meine Vermutung als Gewißheit erscheinen.
»Bleib stehen, sonst schieße ich!« rief ich ihm zu, indem ich den Stutzen auf ihn anlegte.
Er drehte sich herum zu mir und erschrak, als er das Gewehr auf sich gerichtet sah.
»Du willst auf mich schießen?« rief er aus.
»Ja, wenn du dich nicht sofort hin zu deiner Squaw setzest.«
»Warum dorthin?«
»Frage nicht, sondern gehorche!«
»Das Haus gehört mir und nicht euch!«
»In diesem Augenblicke ist es unser. Es kommt ganz auf dich an, ob es dir wieder gehören wird.«
»Ihr seid meine Gäste; ich habe euch zu mir gebracht. Behandelt man seinen Wirt in dieser Weise?«
»Ja, weil er uns nur eingeladen hat, um uns zu verderben. Also setze dich augenblicklich, wenn du nicht eine Kugel haben willst!«
Er that, als ob er gehorchen wolle, und näherte sich dabei der Stelle, an welcher seine Flinte hing. Ich stand schnell auf, stellte mich vor dieselbe, deutete nach dem Lager und sagte:
»Nicht hierher, sondern dorthin sollst du gehen. Und nun mache schnell, sonst ist's mit meiner Geduld zu Ende!«
Er stand vor mir und blitzte mich wütend mit seinen dunklen Augen an.
»Schnell!« wiederholte ich. »Ich bin Old Shatterhand und hier sitzt Winnetou, von denen du vorhin gesprochen hast. Du willst uns nur am Marterpfahle sehen, wirst uns aber wohl auch so betrachten müssen!«
Da ließ er ein verächtliches Lachen hören und sagte:
»Glaubst du, daß ich über eure Namen erschrecken soll? Das fällt mir nicht ein! Ich habe schon, als ich euch kommen sah, gewußt, wer ihr seid!«
»Dachte es!«
»Ihr kamt hierher, um zu töten, seid aber selbst dem Tode in die Arme gelaufen. Weißt du, wer ich bin?« »Nun?«
»Kein Zuni, sondern einer jener Yumakrieger, welche mit ihrem Häuptlinge und seiner weißen Squaw hierhergezogen sind. Heute wirst du die Rache für die Hazienda del Arroyo und für Almaden alto erfahren!«
Er wendete sich von mir und schritt nach dem Lager zu, machte aber plötzlich eine Wendung und sprang, den Fellvorhang beiseite schiebend, zur Thür hinaus. Ich hätte ihn durch einen Schuß daran hindern können, wollte dies aber nicht gern thun. Seine Frau richtete sich langsam auf; wir sollten es nicht bemerken. Sie wollte auch plötzlich fortspringen. Da fragte ich sie:
»Sehnst du dich vielleicht nach deinem Manne?«
Sie antwortete nicht.
»Wenn du ihm folgen willst, so thue es; wir halten dich nicht.« Sie sah mir mit ungewissem Blicke ins Gesicht und fragte: »Was werdet ihr mit mir thun, wenn ich lieber bleibe?«
»Nichts, wir kämpfen nicht mit Frauen. Bleib also getrost sitzen und thue, was dir gefällt; nur darfst du uns auch nicht stören in dem, was wir thun werden.«
»Sennor, du bist gut! Ich werde hier bleiben und nichts thun, was euch mißfallen kann.«