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»Warum nicht! Ich denke gerade, daß er es in seiner Angst, in seinem Aerger sagt.«

»Er wird es sagen,« behauptete Winnetou in seiner ruhigen Weise. »Er wird es sagen, und gerade darum hat Winnetou sich hierher gesetzt.«

Jetzt passierte mir etwas Seltenes; nämlich ich erriet nicht, was der Apatsche mit diesen Worten meinte. Als er sah, daß ich ihn fragend anblickte, fuhr er fort:

»Glaubt mein Bruder Scharlieh, daß die Meltons sich vor uns fürchten?« »Werden sie denken, daß sie uns hier fangen und vernichten können?«

»Nein. Ich bin im Gegenteile überzeugt, sie wissen, daß ihre Rolle wahrscheinlich bald zu Ende gespielt ist.«

»Ja, überfallen und töten lassen wir uns nicht von ihnen; Vogel haben sie fangen können, uns aber nicht. Wir haben ihr Nest entdeckt. Sollten sie entkommen, so sind wir immer wieder hinter ihnen her und lassen ihnen keine Ruhe, bis wir sie ergriffen haben. Das wissen sie. Auf einmal fällt Vogel in ihre Hände, wirft ihnen ihre Verbrechen vor und sagt, daß er der einzige und richtige Erbe ist. Was werden sie thun?«

»Ihn sofort umbringen!« antwortete Emery im Tone der Ueberzeugung.

»Ist mein Bruder Scharlieh derselben Ueberzeugung?«

»Nein,« erwiderte ich, denn ich wußte nun, was Winnetou gemeint hatte. »Der Mord könnte ihre Lage nicht verbessern, sondern er würde sie nur verschlimmern, weil die Mörder dann bei uns auf kein Erbarmen mehr rechnen dürften.«

»Mein Bruder hat recht; denn wenn sie ihn nicht töten, sondern ihn als Geisel gebrauchen, ist Rettung für sie möglich.«

»So meint mein Bruder Winnetou, daß, wenn wir hier sitzen bleiben, bald ein Kundschafter und dann ein Unterhändler kommen wird?«

»Ja.«

»Mein Bruder ist der Scharfsinnigste von uns dreien. Er irrt sich nie, und ich bin jetzt auch überzeugt, daß seine Vermutung sich erfüllen wird.«

»Ich zweifle sehr daran,« brummte Emery unwillig. »Und selbst wenn es sich bewahrheiten sollte, würdet ihr mit diesen Menschen in Unterhandlung treten?«

»Ja. Man thut, was klug ist. Es gilt zunächst, dafür zu sorgen, daß dem jungen Manne kein Leid geschieht, und dies können wir nur dadurch erreichen, daß wir scheinbar auf die Vorschläge, welche uns etwa gegemacht werden, eingehen oder sie wenigstens in Ueberlegung ziehen. Wir sind heute unvorsichtig und dadurch unglücklich gewesen, doch ist bei dem Unglücke ein großes Glück, welches mich mit dem Unfalle vollständig auszusöhnen vermag.«

»Welches Glück?«

»Daß wir unsere Lassos bei uns haben. Hätten wir sie bei den Pferden zurückgelassen, so wären sie uns verloren, und ich wüßte nicht, wie wir Vogel befreien wollten.«

»Pshaw! Heraus muß er auf jeden Fall; eher ruhe ich nicht!«

»Aber unter welcher Vermehrung der Gefahren und Schwierigkeiten! So aber bin ich überzeugt, daß er schon morgen früh wieder frei sein wird. Ich hoffe nämlich, daß -«

Winnetou unterbrach mich durch einen Wink, den er mir gab. Er lag so, daß er ein Stück in den Hohlweg hinein- und hinabblicken konnte; ich sah seine Augen funkeln; dann hörte ich Schritte; es kam jemand, langsam und vorsichtig, wie einer, der seiner Sache nicht sicher ist. Wir schoben uns noch weiter ins Gebüsch hinein; da kam er - ein Indianer. Er sah nach links und rechts, und als er rundum niemand erblickte, trat er vollends aus dem Hohlwege heraus und begann, die Spuren zu mustern, welche sich von uns und seinen Leuten hier im Grase befanden.

Jetzt kehrte er uns den Rücken zu. Winnetou erhob sich und stellte sich leise hinter ihn; auch ich stand leise auf, und Emery folgte geräuschlos unserm Beispiele. Jetzt fragte der Apatsche laut:

»Was sucht mein roter Bruder hier im Grase?«

Der Yuma fuhr herum, sah uns und ließ vor Schreck seine Flinte fallen. Winnetou schleuderte sie schnell mit dem Fuße fort und fügte hinzu:

»Hat mein Bruder etwas verloren?«

Ich sah es wie einen blitzartigen Entschluß über das braune Gesicht des Yuma gehen und schnellte mich mit drei Schritten vor den Hohlweg hin. In demselben Augenblicke that er das Gleiche. Er flog mir gerade in die Arme, die ich fest um ihn schlang; er machte zwar einen Versuch, sich loszureißen, als ihm dieser aber nicht gelang, verhielt er sich still und ließ sich von Winnetou vollends entwaffnen. Als ich ihn dann aus dem Hohlwege zur Seite führte, wo wir gesteckt hatten, und ihm befahl, sich niederzusetzen, gehorchte er ohne Widerstreben. Winnetou legte sich so, daß er hinter dem Busche hervor den Hohlweg überblicken konnte, und sagte dann zu dem Gefangenen:

»Weiß mein Bruder, wer wir sind?«

Der Gefangene nickte.

»Er mag unsere Namen sagen!«

»Winnetou und Old Shatterhand; das andere Bleichgesicht kenne ich nicht.«

»Dieser weiße Mann ist ein berühmter Jäger, der sich noch nie vor einem Feinde gefürchtet hat. Mein Bruder hat unsere Namen richtig genannt. Wo hat er sie gehört, oder hat er uns vielleicht selbst kennen gelernt?«

»In der Sonora, bei der Hazienda del Arroyo und in Almaden alto habe ich euch gesehen.«

»Wenn mein Bruder sich erinnert, was dort geschehen ist, so wird er auch wissen, daß wir nicht Feinde der Yuma sind, denn wir haben Frieden mit ihnen geschlossen. Warum treten die Yumas hier gegen uns auf?«

Der Gefragte antwortete nicht.

»Wir haben damals Hunderte von Yumas besiegt, und jetzt seid ihr so wenige. Meint ihr, daß ihr diesmal glücklicher sein werdet?«

»Wir wohnen in einem Pueblo, in das kein Feind kommen kann!«

»Mein Bruder irrt sich. Der Felsen von Almaden alto war viel fester und viel schwerer zu ersteigen, als euer Pueblo; wir sind dennoch hineingekommen und haben den Besitzer sogar gefangen herausgeschafft. Und Almaden alto wurde von vielen Yumas bewacht, und hier mein Bruder Shatterhand hat es ganz allein erobert. Wie leicht ist es uns da, in euer Pueblo zu gelangen! Ihr könnt alle wachen; wir werden uns doch, wenn wir wollen, ungesehen durch die Flußenge und den schmalen Eingang schleichen. Wenn wir dies

thun, seid ihr verloren; daher rate ich euch, es nicht so weit kommen zu lassen!«

Diese Worte nahmen dem Yuma einen Stein vom Herzen. Er war gefangen; wir konnten ihn töten; jetzt aber antwortete er schnelclass="underline"

»Warum giebt der Häuptling der Apatschen einen Rat, der nicht befolgt werden kann?« »Nicht befolgt? Warum?« fragte Winnetou, obgleich er den Roten recht gut verstanden hatte. »Weil die, an welche er gerichtet ist, den Rat nicht hören können.« »Wir werden dich zu ihnen senden.«

Da hellte sich das Gesicht des Yuma noch mehr auf und er sagte:

»So laß mich gehen! Ich werde meinen Brüdern sagen, welchen Rat du mir gegeben hast.«

»Warte noch! Seit wann schämen sich rote Krieger nicht, Sklaven eines Weibes, einer weißen Squaw zu sein?«

»Wir sind nicht ihre Sklaven.«

»Ihr seid es. Ihr fangt um ihretwillen sogar Feindschaft mit drei berühmten Kriegern an, von denen ihr wißt, daß sie euch, sobald sie nur wollen, vernichten werden. Um dieses Weibes willen nehmt ihr Menschen in Schutz, welche Diebe und Mörder sind und nicht einmal zu einem Stamme der roten Männer gehören. Man sollte euch verachten!«

Das Auge des Yuma blitzte zornig auf. Er beherrschte sich aber und sagte: »Die Weiße war die Squaw unseres Häuptlings; nur deshalb dienen wir ihr noch.«

»Welcher rote Krieger hat jemals der Squaw seines Häuptlings gedient und noch dazu nach dem Tode desselben? Mein Bruder mag seinen Gefährten sagen, was Winnetou von ihnen denkt, wenn sie die weiße Frau und deren beiden Freunde noch länger beschützen. Ihr habt einen jungen Weißen gefangen, der unser Freund ist; ihr habt uns unsere Pferde geraubt; ihr habt uns gestern abend überfallen, um uns zu fangen und zu töten. Das alles fordert unsere Rache heraus, und diese wird euch unvermeidlich treffen, wenn ihr euch nicht zu der Sühne versteht, welche ich von euch fordere.«