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Er entfernte sich, und wir warteten nun mit Spannung auf die Ankunft der Angehörigen des zarten Geschlechtes, welche nach allem, was geschehen war, die Stirn hatte, mit uns sprechen zu wollen.

»Nun,« meinte der Apatsche zu Emery, »hat mein Bruder die Erfahrung gemacht, daß selbst das Unmögliche möglich werden kann?«

»Das ist allerdings der Fall! Wie die Person es wagen kann, zu uns zu kommen, ist mir unbegreiflich. Bin neugierig, was sie uns mitteilen wird!«

»Das, was ich gesagt habe. Winnetou wird ihr kein Wort gönnen; meine Brüder mögen mit ihr reden.«

»Ich nicht, denn ich befürchte, so grob zu werden, daß ich alles verderben würde. Charley, willst du das Amt übernehmen?«

»Auch mich widert es an; aber ich sehe, daß ich den Umständen Rechnung tragen muß. Sprich mir aber nicht darein; du könntest unserer Angelegenheit dadurch Schaden bringen.«

Man war im Pueblo jedenfalls von unserer Einwilligung überzeugt gewesen, denn wir hatten noch nicht lange gewartet, so sahen wir die Jüdin unten im Hohlwege erscheinen. Sie hatte eine junge Indianerin bei sich, welche einen aus Rohr und Schilf geflochtenen leichten Sessel trug.

Die Judith hatte Toilette gemacht, hier in der Wildnis an der Grenze zwischen Neu-Mexiko und Arizona! Als sie sich uns näherte, nahm ihr Gesicht ein siegreiches Lächeln an; sie nickte uns grüßend zu, gab der Indianerin einen Wink, den Stuhl uns gegenüber zu setzen, nahm Platz und sagte:

»Ich bin erfreut, Sennores, Sie so wohl zu sehen. Der weite Ritt scheint auf Ihre Gesundheit keinen nachteiligen Einfluß ausgeübt zu haben; darum hoffe ich, daß Ihr Wohlbefinden auf unsern Gegenstand von guter Wirkung sein werde!«

Wir waren weder aufgestanden, noch hatte sie einen Gruß von uns empfangen. Mein Gesicht war gewiß kein freundliches, als ich ihr antwortete:

»Keine Redensarten! Bleiben wir streng bei der Sache, welche uns zusammenführt! Sie wohnen jetzt mit dem sogenannten Small Hunter und mit seinem Vater im Pueblo?«

»Ja.«

»Sie wußten in New-Orleans noch nicht, daß dieser Mann sein Vater war. Wann haben Sie es erfahren?« »Hier, als der Vater ankam.«

»So kennen Sie nun wohl auch den richtigen Namen Ihres Bräutigams?« Sie schwieg, und erst als ich meine Worte wiederholte, fragte sie: »Muß ich Ihnen das sagen?«

»Sie müssen nicht; Sie können es leugnen; aber wir würden wohl eher einig werden, wenn Sie die Wahrheit sagten. Schämen werden Sie sich wahrscheinlich nicht, das zu thun.«

Sie errötete nicht und erbleichte nicht; sie antwortete lachend:

»Mir wurde gesagt, daß ich mich vor Ihnen weder zu schämen noch zu fürchten hätte. Sie sind uns ungefährlich; darum kann ich Ihnen ohne besondere Angst sagen, daß ich den Namen meines Verlobten allerdings kenne.«

»Jonathan Melton und sein Vater heißt Thomas Melton. Nicht wahr?« »Sehr richtig.« »Und sein Oheim?« »Harry Melton.«

»Wissen Sie, wo der letztere sich gegenwärtig befindet?«

»Das werden Sie wohl besser wissen als jeder andere! Sie haben ihn ja erstochen.« »Von wem wissen Sie das?«

»Von seinem Bruder. Einem so gewaltthätigen Menschen, wie Sie sind, ist alles, selbst so ein Raubmord zuzutrauen.«

»Hm! Sie halten mich also für gewaltthätig?«

»Natürlich, denn ich habe alle Ursache dazu! Oder haben Sie mich nicht schon einmal durchpeitschen lassen wollen?«

»Allerdings, und ich gestehe ihnen, daß es mich jetzt eine gewaltige Anstrengung kostet, nicht gewaltthätig zu sein. Bleiben wir aber ruhig; das ist besser. Da Sie den Namen ihres Verlobten kennen, wissen Sie auch, weshalb ich mich hier befinde?«

»Ja. Er hat es mir aufrichtig gesagt.«

»Und Sie gestehen es ebenso aufrichtig zu! Sie wissen also, daß er ein Betrüger ist?«

»Betrüger? Was der eine so nennt, nennt der andere anders. Jonathan ist ein Pfiffikus, und es fällt mir nicht ein, ihn darum zu tadeln.«

»Ich begreife das. Sie haben abgewirtschaftet; Sie besitzen nichts mehr, als den Stein- und Lehmhaufen, den Sie so hochtrabend Ihr Schloß nannten und den Ihnen jeder Indianer streitig machen kann. Nun ist es Ihnen sehr willkommen, daß Ihr Jonathan ein großes Erbe angetreten hat, welches Sie mit verzehren wollen. Habe ich recht?«

»Warum sollte ich Ihnen unrecht geben! Es würde doch zu nichts führen!« »Aber bedenken Sie, daß Sie dadurch zur Mitschuldigen werden!«

»Was ist Schuld, Sennor! Schuld ist alles, was das Gewissen beschwert; das meinige aber ist leicht.«

»Um diese Leichtheit beneide ich Sie nicht. Da Sie mit einer geradezu verblüffenden Aufrichtigkeit sprechen, will ich ebenso offen sein, Ich bin gekommen, Ihren Jonathan zu fangen.«

»Das wissen wir,« lachte sie.

»Und da Sie sich als Mitschuldige bekennen, habe ich große Lust, auch Sie festzunehmen!« Jetzt änderte sie doch die Farbe und fragte schnell und in unsicherm Tone: »Sennor, ich bin Parlamentärin. Wollen Sie mich etwa gleich hier behalten?« »Das könnte ich!«

»Nein, denn das wäre doch wohl gegen alles Völkerrecht!«

»Völkerrecht! Wo es sich um so große, so schauderhafte Verbrechen handelt! Habe ich Ihnen versprochen, Sie nach dem Pueblo zurückkehren zu lassen?«

»Nein, aber das verstand sich doch ganz von selbst!«

»Es war nicht so selbstverständlich, wie Sie meinen; doch will ich Sie beruhigen. Es fällt mir nicht ein, Sie zurückzuhalten. Sie können ungehindert in Ihre ehrenwerte Gesellschaft zurückkehren. Wenn es mir noch nötig erscheinen sollte, mich Ihrer Person zu versichern, so werde ich das so spät wie möglich thun.«

»Eine sehr freundliche Rücksicht für mich!« lächelte sie mich an.

»O nein; es hat einen ganz andern Grund. Ich mag Sie nicht bei mir haben, und darum will ich Sie so lang wie möglich von mir fern halten. Das ist die wahre Ursache.« »Sie halten Ihr Versprechen, Sennor. Sie sind ebenso aufrichtig mit mir, wie ich mit Ihnen. Ich habe Sie gehaßt vom ersten Augenblicke, an dem ich Sie sah!«

»Danke! So eine wirkliche, wahre und echte Ehre ist mir lange nicht widerfahren.«

»Und darum,« fuhr sie schnell fort, »ist es mir ein wahrer Hochgenuß, jetzt mit Ihnen verhandeln zu können - doch, vom Verhandeln kann eigentlich keine Rede sein! Ich bin nur gekommen, mir einen hohen Genuß zu bereiten, indem ich Ihnen sage, daß Sie sich hier ganz vergeblich bemühen. Sie bekommen weder einen Menschen in die Hand, noch einen Pfennig von dem Gelde, das Sie haben wollen! Sind Sie denn wirklich so verrückt, zu glauben, daß Sie in unser Pueblo dringen können?«

»Und wenn es mir dennoch gelänge, in den Felsenkessel zu gelangen?«

»Das ist eben unmöglich. Ich weiß zwar von damals her, daß Sie es verstehen, sich glatt und unbemerkt wie eine Schlange durchzudrängen, aber bei der hiesigen Oertlichkeit ist das unmöglich. Sie müßten über unsere Wächter wegsteigen.«

»Das ist doch nicht schwer! Es giebt gewisse Griffe und gewisse Stiche, welche einem über fünf und über zehn Wächter weghelfen. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich, wenn ich nur will, ganz gewiß in Ihr Thal komme!«

»Ja, die gewissen Griffe. und Stiche sind Ihnen freilich zuzutrauen. Es ist nur gut, daß Sie davon sprechen; da kann man doch seine Vorbereitungen treffen. Aber selbst wenn Sie wirklich in unsern Thalkessel gelangten, was hätten Sie davon? Sie wären dann noch immer nicht im Pueblo.«

»Das würde man ersteigen.«

»Bilden Sie sich nicht ein, allmächtig zu sein! Und wären Sie im Pueblo, so hätten Sie noch niemand von uns fest, Wir sind bewaffnet und würden Sie wahrlich nicht schonen! Und noch weniger Hoffnung hätten Sie, das Geld zu bekommen!«