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»Ich freue mich«, sagte Kananga, »dass unser neuer Verwaltungschef sich für eine Weile von seinen vielen Pflichten freimachen konnte, um dieser Verhandlung beizuwohnen.«

»Verhandlung?«, fragte Eberly barsch.

»Jawohl. Ich möchte, dass Sie als Vorsitzender Richter fungieren.«

Eberly schaute unbehaglich auf Holly und wandte den Blick schnell wieder ab.

»Gegen wen wird überhaupt verhandelt? Wie lautet die Anklage?«

»Holly Lane wird des Mordes an Diego Romero angeklagt«, sagte Kananga mit ausgestrecktem Finger.

»Das ist doch Bullshit!«, rief Tavalera.

Kananga ging auf den verwundeten jungen Mann zu und trat ihm in die Rippen. Die Luft wurde Tavalera mit einem schmerzlichen Grunzen aus der Lunge gepresst. Holly ballte die Fäuste; Kananga drehte sich zu ihr um und versetzte ihr einen fiesen Schlag mit dem Handrücken, sodass die Lippe aufplatzte. Sie taumelte ein paar Schritte zurück.

»Dieses Gericht duldet keine Ausbrüche«, sagte Kananga streng zu Tavalera, der nach Luft schnappte und sich krümmte. »Weil Sie der Angeklagten geholfen haben, werden Sie mit ihr angeklagt.«

»Wenn ich hier schon Richter sein soll«, sagte Eberly, »dann werde ich auch bestimmen, wer sprechen darf und wer nicht.«

»Natürlich«, sagte Kananga mit einer ironischen Verbeugung.

»Ich nehme an, dass Sie der Ankläger sind«, sagte Eberly zum Ruander.

Kananga nickte knapp.

»Und wer ist der Verteidiger?«

»Die Angeklagten werden sich selbst verteidigen«, antwortete Morgenthau.

»Und die Geschworenen?«

»Morgenthau und ich werden als Geschworene fungieren«, sagte Vyborg.

Ein Militärgericht, sagte Eberly sich düster. Sie machen mich zu ihrem Komplizen. Ich würde mich nie darauf herausreden können, nicht an Hollys Exekution beteiligt gewesen zu sein; dafür haben sie schon gesorgt.

Ich kann höchstens darauf hinwirken, dass diese Farce von einer Gerichtsverhandlung nach gewissen Regeln abläuft. Das Urteil steht aber schon so fest wie die Angst in Hollys Augen.

Er seufzte tief und wünschte sich, er wäre woanders. Egal wo, sagte er sich, nur nicht wieder in meiner alten Gefängniszelle in Wien.

»Gut«, sagte er schließlich und wich Hollys Blick aus. »Die Verhandlung ist eröffnet.«

Exekution

Mit Hilfe des internen Anzugscomputers führte Gaeta ein paar überschlägige Berechnungen durch. Die Temperatur sank weiter, obwohl er die Heizung voll aufgedreht hatte. Du musst eine Lösung finden, solange es noch halbwegs warm im Anzug ist. Sonst ist es zu spät.

Er traf eine Entscheidung. Gaeta zog beide Arme aus den Anzugsärmeln. Die Beine aus den Anzugsbeinen zu ziehen war schon schwieriger. Hätte diesen Yogakurs mitmachen sollen, den sie letztes Jahr angeboten hatten, sagte er sich, während er versuchte, ein Bein herauszuziehen und es unter dem Gesäß zu falten. Mit dem anderen Bein war es noch schwieriger; Gaeta japste vor Schmerz, als irgend etwas an der Rückseite des Schenkels riss. Er fluchte in einer Mischung aus Spanisch und Englisch, und schließlich gelang es ihm, auch das andere Bein in den Torso des Anzugs zu ziehen. Er schnaufte wegen der Anstrengung und verspürte einen pulsierenden Schmerz im Bein. Dann saß er in der Karikatur eines Lotussitzes im Torso des Anzugs.

»In Ordnung«, sagte er sich. Nun wollen wir mal sehen, wie lang du Vakuum atmen kannst.

»Ich habe Don Diego nicht getötet«, sagte Holly und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Lippe. Mit der anderen Hand wie sie auf Kananga. »Er hat es getan. Er hat es mir gegenüber sogar zugeben.«

»Haben Sie irgendwelche Zeugen dafür?«, fragte Eberly im Versuch, Zeit zu schinden. Er wusste aber nicht wieso. Er wusste schließlich, dass es hoffnungslos war. Kananga würde Holly des Mordes ›überführen‹ und sie zusammen mit Tavalera exekutieren. Luftschleusen-Justiz.

Holly schüttelte matt den Kopf.

»Sie lügt natürlich«, sagte Kananga. »Sie war nämlich die Letzte, die mit Romero zusammen war. Sie behauptet, sie habe die Leiche entdeckt. Ich sage, sie hat den alten Mann ermordet.«

»Aber wieso hätte ich das tun sollen?«, platzte Holly heraus. »Er war doch mein Freund. Ich hätte ihm doch nie etwas angetan.«

»Vielleicht ist er zudringlich geworden«, suggerierte Eberly. Das war ein Griff nach dem Strohhalm. »Vielleicht haben Sie ihn in Notwehr getötet. Oder vielleicht war es sogar ein Unfall.«

»Unsinn«, murmelte Morgenthau, die neben Vyborg stand.

»Sie sind eine Geschworene«, sagte Eberly. »Sie dürfen keinen Kommentar abgeben.«

»Sie ist schuldig«, blaffte Vyborg. »Wir können uns die Beweisaufnahme sparen.«

Wenn ich die Wärme aus dem Anzug entweichen lasse, verjage ich sie vielleicht, sagte Gaeta sich. Und wenn nicht, bin ich sowieso tot. Was habe ich also zu verlieren?

Er nickte im vereisten Helm. Dann tu es auch. Worauf wartest du noch?

Er programmierte das Steuergerät in der Anzugsbrust um, damit es die Zugangsluken in den Anzugsärmeln und -beinen öffnete. Die vier Tasten glühten vor seinen Augen. Die vier Finger der rechten Hand schwebten über ihnen.

Tu es!, befahl er sich.

Gaeta schloss fest die Augen und atmete heftig aus, um die Lunge möglichst vollständig zu entleeren; dann stach er mit den Fingern auf die Tasten.

Und zählte: tausendeins, tausendzwei, tausenddrei…

Vorm geistigen Auge sah er, was geschah. Die warme Anzugsluft strömte aus den offenen Zugangsluken. Eine plötzliche Hitzewelle würde gegen die Eis-Kreaturen anbranden. Vielleicht würde sie sie töten. Auf jeden Fall müsste sie ihnen Unbehagen verursachen.

…tausendacht, tausendneun…

Gaeta verspürte ein Knacken in den Ohren. Er vermochte die Luft nicht viel länger anzuhalten. Er wagte es auch nicht, die Augen wieder zu öffnen. Er erinnerte sich an Geschichten von Leuten, die durch die jähe Dekompression geplatzt waren. Das Blut und die Eingeweide werden im ganzen Anzug umherspritzen, sagte er sich.

…tausendzwölf, tausend…

Er hieb wieder auf die Tasten und hörte, wie die Zugangsluken zuschlugen. Er öffnete die Augen einen Spalt weit, aktivierte die Luftsteuerung und hörte, wie die Luft aus dem Reservetank in den Anzug zischte und ihn wieder auffüllte.

Doch das Helmvisier war immer noch vollständig vereist. Vor lauter Verzweiflung hieb er wieder auf die Taste für die Schubdüsen.

Es war, als ob ein Böller unter seinem Hintern gezündet worden wäre. Der Schub der Düsen setzte völlig unerwartet ein. Er jaulte in einer Mischung aus Überraschung, Freude und Schmerz auf, als der Anzug sich in Bewegung setzte. Er flog blind, aber wenigstens flog er.

Morgenthau und Vyborg mussten sich nicht einmal anschauen, um sich auf ein Urteil zu verständigen.

»Schuldig«, sagte Morgenthau.

»Schuldig im Sinne der Anklage«, sagte Vyborg. »Und Ihr Komplize auch.«

»Komplize«, platzte Tavalera heraus.

Kananga versetzte ihm wieder einen Tritt.

»Die Geschworenen haben Sie schuldig gesprochen«, sagte Eberly zu Holly. »Möchten Sie noch etwas sagen?«

»Jede Menge«, spie Holly förmlich aus. »Aber nichts, was euch gefallen würde.«

Morgenthau trat vor Holly. Sie zog einen Palmtop aus dem grellbunten Kaftan und sagte: »Es gäbe da noch etwas, das ich gern hören würde. Ich will ein Geständnis, dass Sie und Ihr Freund hier zusammen mit Dr. Cardenas an der Entwicklung von Killer-Nanobots gearbeitet haben.«

»Das ist nicht wahr!«, sagte Holly.

»Ich sage auch nicht, dass es wahr sein muss«, erwiderte Morgenthau mit einem verschlagenen Lächeln auf den Lippen. »Ich will es nur von Ihnen hören.«