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»Da können Sie lange warten.«

»Das gilt auch für mich«, sagte Tavalera.

Kananga schaute auf den verwundeten und malträtierten Ingenieur hinab und drehte sich dann wieder zu Holly um. »Ich glaube, ich kann sie überzeugen«, sagte er mit einem wölfischen Grinsen.

Er trat Holly in den Leib, sodass sie sich krümmte. »Das ist für den Tritt ins Gesicht, den Sie mir versetzt haben«, sagte er und fasste sich ans Kinn. »Das war aber nur eine Anzahlung.«

Fritz hatte seit Stunden angespannt an der Haupt- Steuerkonsole gesessen, ohne etwas zu sagen oder sich auch nur zu rühren. Die anderen Techniker schlichen auf Zehenspitzen um ihn herum. Weil die Verbindung zu Gaeta unterbrochen war, vermochten sie nichts anderes zu tun als zu warten. Die Missionszeituhr auf Fritz' Konsole zeigte, dass Gaeta noch immer für über dreißig Stunden Luft hatte, aber sie hatten keine Ahnung, in welchem Zustand er war.

Nadia Wunderly kam in die Werkstatt und spürte sofort, dass eine Stimmung wie bei einem Begräbnis herrschte.

»Was ist mit ihm?«, fragte sie den nächsten Techniker flüsternd.

Der Mann zuckte die Achseln.

Sie ging zu Fritz. »Haben Sie schon irgend etwas von ihm gehört?«

Fritz schaute mit verquollenen Augen zu ihr auf. »Seit zwei Stunden nicht mehr.«

»Oh.«

»Sind diese Eisflocken wirklich lebendig?«, fragte Fritz.

»Ich glaube schon«, sagte sie mit Betonung auf ich. »Wir werden aber noch ein paar Proben nehmen und ein paar Untersuchungen durchführen müssen, bis wir eine endgültige Bestätigung haben.«

»Sie fressen den neuen Mond wirklich auf?«

Wunderly nickte verdrießlich. »Sie schwärmen über die gesamte Oberfläche. Ich habe die Instrumente darauf programmiert, Messungen vorzunehmen, aber es wird einige Zeit dauern, bis wir eine Abnahme des Monddurchmessers feststellen werden.«

»Ich verstehe. Dann haben Sie also eine große Entdeckung gemacht.«

»Ich wünschte, ich hätte das gewusst, bevor Manny nach draußen gegangen ist…«

»He, Fritz!«, drang es knisternd aus dem Lautsprecher des Funkgeräts. »Hörst du mich?«

»Manny!« Fritz sprang auf. »Manny, du lebst!«

»Ja, aber ich weiß nicht, wie lang noch.«

Rückkehr

Timoschenko, der allein im Cockpit des Raumboots saß, hatte der Unterhaltung zwischen Gaeta und den Technikern gelauscht und war dann in Niedergeschlagenheit verfallen, als Gaeta verstummt war. Dann haben die Wissenschaftler also eine große Entdeckung gemacht, sagte er sich. Sie werden Preise einheimsen und mit Champagner anstoßen, und Gaeta wird schmählich vergessen.

Das ist der Lauf der Welt. Die Großkopfeten klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, während der kleine Mann einsam stirbt, sagte er sich. Vielleicht wird man noch ein paar Video-Dokumentationen über Gaeta bringen: der tollkühne Stuntman, der in den Ringen des Saturns gestorben ist. Doch in ein paar Wochen wird kein Hahn mehr nach ihm krähen.

Timoschenko hatte das Raumboot so programmiert, dass es die Cassini-Teilung zwischen dem A- und B-Ring durchstoßen und in eine Position gehen würde, wo Gaeta gemäß der Programmierung unterhalb der Ringebene herauskommen sollte. Er wusste aber, dass der Stuntman nicht an dieser Stelle herauskommen würde — nicht nach dem, was mit ihm geschehen war. Wahrscheinlich würde Gaeta überhaupt nicht mehr herauskommen, doch Timoschenko wartete trotzdem an der vereinbarten Stelle.

»He, Fritz! Hörst du mich?«

»Manny!«, platzte Fritz heraus. »Du lebst!«

Der Klang von Gaetas Stimme elektrisierte Timoschenko. Er schaute durchs Cockpitfenster auf die schimmernde Weite der Saturnringe; sie waren so hell, dass es ihm schier die Tränen in die Augen trieb. Dann setzte der Verstand wieder ein, und er überprüfte die Radarbilder. Da war ein Objekt von der Größe eines Menschen, der wie eine Gewehrkugel aus den Ringen herausgeschleudert wurde.

»Gaeta!«, schrie Timoschenko ins Mikrofon, »ich komme dich holen!«

Gaeta brauchte ein paar Sekunden, um sich vom Schock der plötzlichen Schubdüsen-Zündung zu erholen. Er hatte keine Kontrolle darüber; er hieb verzweifelt auf die Tasten, doch die Rakete feuerte einfach weiter, bis ihr der Brennstoff ausging und sie stotternd verstummte. Erst dann versuchte Gaeta, eine Verbindung herzustellen. Er hörte Fritz' Stimme im Lautsprecher. Dem Cheftechniker schien es vor Überraschung und Freude förmlich die Sprache verschlagen zu haben; ein so seltener Vorgang, dass Gaeta lachen musste. Der alte cabrуn hat sich Sorgen um mich gemacht!

»In welcher Verfassung bist du?«, fragte Fritz wieder in seiner normalen professionellen Nüchternheit. »Die diagnostischen Daten, die wir erhalten, sind noch immer ziemlich uneinheitlich.«

Gaeta sah Eispartikel vom Helmvisier wegfliegen und sagte: »Ich bin in Ordnung, außer dass ich nicht weiß, wohin, zum Teufel, ich fliege. Wie sind meine Position und der Vektor?«

»Wir arbeiten daran. Dein Triebwerk ist anscheinend ausgebrannt.«

»Richtig. Ich habe keine Möglichkeit mehr, zu bremsen oder den Kurs zu ändern.«

»Keine Sorge«, ertönte Timoschenkos Stimme. »Ich habe dich auf dem Radar. Ich bin schon auf Rendezvous-Kurs.«

»Super«, sagte Gaeta. Das Helmvisier war nun wieder fast eisfrei. Er sah noch eine kleine Eisflocke, die umherirrte wie eine mit Amphetamin gedopte Ameise und schließlich verschwand.

»Und tschüss, amigito«, sagte Gaeta zu dem Partikel. »Nichts für ungut. Ich hoffe, du kommst wohlbehalten wieder nach Hause, kleiner Freund.«

Schmerz! Holly hatte noch nie zuvor einen so fürchterlichen Schmerz verspürt. Hätte es nicht einmal im Traum für möglich gehalten. Kananga schlug sie wieder in die Nieren, und ein neuer Schmerz explodierte in ihr — ein brennender, unerträglicher Schmerz, der alle anderen Sinneseindrücke auslöschte.

»Eine einfache Aussage«, sagte Morgenthau und beugte sich über sie. »Nur einen einzigen Satz. Sagen Sie uns, dass Sie Cardenas geholfen haben, Killer-Nanobots zu entwickeln.« Sie hielt Holly den Palmtop unter die Nase. Holly vermochte kaum zu atmen. »Nein«, grunzte sie durch geschwollene und blutige Lippen.

Kananga drückte ihr das Knie in den Rücken und drehte ihr brutal den Arm um. Holly schrie auf.

»Es kann nur noch schlimmer werden«, zischte Kananga ihr ins Ohr. »Es wird immer schlimmer werden, bis du tust, was wir wollen.«

Holly hörte, wie Eberly mit kläglicher, flehender Stimme sagte: »Sie werden sie umbringen. Um Gottes willen, lassen Sie sie in Ruhe.«

»Sie rufen Gott an?«, sagte Morgenthau zornig. »Welche Blasphemie.«

»Sie bringen sie um!«

»Sie wird sowieso sterben«, sagte Kananga.

»Nehmen Sie sich doch den anderen vor«, flehte Eberly. »Gönnen Sie ihr eine Pause.«

»Er ist schon wieder bewusstlos. Holly ist viel zäher, nicht wahr, Holly?« Kananga packte sie am Haar und riss Hollys Kopf so brutal zurück, dass sie glaubte, das Genick würde brechen.

»Wenn wir neuronale Controller hätten«, sagte Vyborg, »würde sie uns alles sagen, was wir hören wollen.«

»Wir haben aber nicht die entsprechende Ausrüstung«, sagte Morgenthau. Sie seufzte schwer. »Brechen Sie ihr die Finger, Einen nach dem andern.«

Timoschenko brachte das kleine Raumboot auf eine Flugbahn, auf der es sich dem herumwirbelnden Gaeta schnell näherte.

»Ich komme von dir aus gesehen aus vier Uhr auf dich zu«, rief er. »Wirst du es schaffen, in die Ladebucht zu klettern, wenn ich bis auf ein paar Meter an dich herangekommen bin?«

»Ich weiß nicht«, antworte Gaeta skeptisch. »Habe keinen Treibstoff für den Antrieb mehr. Nur noch die Kaltgas- Mikrosteuertriebwerke; damit kann ich mich höchstens noch um die Längsachse drehen.«