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»Und das alles war Teil Ihres Plans, die Kontrolle über die Regierung des Habitats zu übernehmen«, fragte er. Er vermochte es noch immer kaum zu glauben.

»Das war mein Plan«, stellte Morgenthau richtig. »Dieser Wurm war lediglich Mittel zum Zweck.«

»Aber er ist doch ins Amt des Verwaltungschefs gewählt worden«, sagte Wilmot mit einem ungläubigen Kopfschütteln. »Sie sind in einer freien Wahl an die Macht gelangt. Wozu dann die Gewalt?«

»Wir wollten keine demokratische Regierung haben«, antworte Morgenthau, bevor Eberly etwas sagen konnte. »Das war nur Taktik, ein erster Schritt zur Erlangung der absoluten Macht.«

»Absolute Macht.« Wilmot sank auf dem Stuhl zusammen. »Begreifen Sie nicht, wie instabil eine solche Regierung wäre? Sie hätten sie wenige Stunden nach Amtsantritt selbst zerstört.«

»Wegen seiner Schwäche«, sagte Morgenthau und deutete wieder auf Eberly.

»Und diese barbarische Folter von Miss Lane? Was wollten Sie damit erreichen?«

»Wir mussten alle Spuren von Nanotechnik im Habitat beseitigen«, sagte Morgenthau heftig. »Nanomaschinen sind Teufelswerk. Wir dürfen sie hier nicht dulden!«

»Das ist doch idiotisch«, sagte Cardenas zornig. »Wenn Sie das wirklich glauben, müssen Sie einen Sprung in der Schüssel haben.«

»Nanotechnik ist böse«, bekräftigte Morgenthau. »Sie sind böse!«

Cardenas schaute die Frau finster an. »Wie kann jemand nur so verblödet sein? So selbstgerecht und verbohrt, dass er bereit ist, Menschen zu quälen und zu töten?«

Morgenthau erwiderte ihren Blick. »Nanotechnik ist böse«, wiederholte sie. »Sie werden früher oder später für Ihre Sünden bezahlen.«

Wilmot hatte selbst Vorbehalte gegen Nanotechnik, aber diese Morgenthau war wirklich eine Fanatikerin, sagte er sich.

Er wandte sich wieder an Eberly. »Und Sie haben einfach dabeigestanden und zugelassen, dass sie das arme Mädchen folterten.«

»Ich habe versucht, sie davon abzuhalten«, blökte Eberly. »Was hätte ich denn tun sollen?«

Wilmot atmete tief durch. Er sehnte sich mehr denn je nach einem Whisky. Schwieriges Fahrwasser. Sie haben noch immer diese blöden Unterhaltungsvideos, mit denen sie mir an den Karren fahren können.

»In Ordnung«, sagte er. »Ich werde Folgendes tun: Ms. Morgenthau und Dr. Vyborg werden mit dem Schiff, das die Wissenschaftler herbringt, zur Erde zurückkehren.«

»Wir werden aber nicht zur Erde zurückkehren«, sagte Morgenthau.

»Doch, genau das werden Sie tun. Sie beide werden aus dem Habitat verbannt. Auf Lebenszeit.«

»Verbannt?« Zum ersten Mal schaute Morgenthau besorgt. »Das können Sie nicht tun. Dazu sind Sie überhaupt nicht autorisiert.«

»Aber ich«, sagte Eberly mit einem Lächeln. »Ich finde, dass Exil die perfekte Lösung ist. Gehen Sie zu ihren Freunden bei den Heiligen Jüngern zurück. Dann werden Sie schon sehen, wie sie einen Misserfolg belohnen.«

Morgenthaus Augen schleuderten Blitze. »Das können Sie mir doch nicht antun!«

»Ich bin der rechtmäßig gewählte Verwaltungschef dieser Gemeinschaft«, sagte Eberly. Er genoss den Moment sichtlich. »Es liegt durchaus in meinem Ermessen, Sie beide zu verbannen.«

Vyborg erwachte schließlich aus der Trance; plötzlich schaute er entsetzt und ängstlich. Wilmot konzentrierte sich jedoch auf Eberly. Kann ich ein Bündnis mit diesem Mann eingehen?, fragte er sich. Kann ich darauf vertrauen, dass er die Regierung ordnungsgemäß führt?

»Ja, Sie sind offiziell der Regierungschef«, pflichtete Wilmot ihm zögerlich bei. »Aber wir werden trotzdem einen Weg finden müssen, die gesamte Bevölkerung an der Regierungsverantwortung zu beteiligen.«

»Allgemeine Dienstpflicht«, sagte Cardenas. »Das wird in Selene und manchen Ländern auf der Erde so gehandhabt und scheint auch recht gut zu funktionieren.«

Wilmot kannte das Konzept. »Es wird von jedem Bürger verlangt, dass er mindestens für ein Jahr Dienst an der Allgemeinheit verrichtet?«, fragte er voller Skepsis. »Glauben Sie auch nur für einen Moment, dass ein solches Konzept hier funktionieren würde?«

»Einen Versuch wäre es wert«, erwiderte Cardenas.

»Die Leute hier werden sich nie darauf einlassen«, sagte Wilmot. »Man wird Sie auslachen.«

»Ich wäre auch dafür«, sagte Gaeta. »Mir erscheint es durchaus sinnvoll, jeden einzubeziehen.«

Wilmot hob eine Augenbraue. »Was spielt das denn für Sie für eine Rolle? Sie werden doch mit dem Schiff abfliegen, das die Wissenschaftler herbringt.«

»Nein, das werde ich nicht«, sagte Gaeta mit Nachdruck. Er drehte sich zu Cardenas um und wirkte plötzlich schüchtern, geradezu kleinlaut. »Ich meine, ich — äh… ich will nicht gehen. Ich will hier bleiben. Ein Bürger werden.«

»Und den Stuntman an den Nagel hängen?«, fragte Cardenas offensichtlich überrascht.

Er nickte feierlich. »Es wird Zeit, dass ich Schluss damit mache. Außerdem kann ich Wunderly bei der Erforschung der Ringe helfen. Und vielleicht irgendwann auf der Oberfläche von Titan landen und Urbain und den anderen Wissenschaftlern helfen.«

Cardenas warf sich ihm an den Hals und gab ihm einen dicken Kuss. Wilmot wollte schon die Stirn runzeln, musste stattdessen aber lächeln.

Urbain und Wunderly saßen im Büro des Chef- Wissenschaftlers und schauten sich die Aufzeichnung von der Ankunft des neuen Mondes im Hauptring an. Sie sahen, wie die hellen Eis-Partikel des Rings den Neuankömmling umschwärmten und die dunkle unregelmäßige Form mit glitzerndem Eis überzogen.

»Bemerkenswert«, murmelte Urbain. Diesen Begriff hatte er bisher jedes Mal verwendet, wenn er sich das Video angeschaut hatte. »Sie verhalten sich wie Lebewesen.«

»Sie sind Lebewesen«, sagte Wunderly. »Davon bin ich überzeugt.«

Urbain nickte und fuhr sich automatisch übers Haar. »Das ist ein zu großer Sprung, Nadia. Es stimmt wohl, dass die Partikel dynamisch sind; das ist offensichtlich. Aber lebendig? Es liegt noch viel Arbeit vor uns, bevor wir zweifelsfrei behaupten können, dass es sich um Lebewesen handelt.«

Wunderly grinste ihn an. Er hat wir gesagt, sagte sie sich. Er ist nun auf meiner Seite.

»Es haben sich schon viele Wissenschaftler gegen Ihre Interpretation ausgesprochen«, sagte Urbain. »Sie wollen einfach nicht glauben, dass die Ring-Partikel lebendig sind.«

»Dann werden wir ihnen eben stichhaltige Beweise vorlegen müssen«, sagte Wunderly.

»Das wird dann Ihre Aufgabe sein«, sagte Urbain. »Was mich betrifft, so werde ich mit dem Schiff zur Erde zurückkehren, das die anderen Wissenschaftler herbringt.«

Wunderly war geschockt. »Zur Erde zurückkehren! Aber…«

»Ich habe mir das sehr gründlich überlegt«, sagte Urbain mit erhobenem Finger. »Sie brauchen einen Mentor auf der Erde — jemanden, der Ihre Beweise präsentiert und Ihre Sache gegenüber den Skeptikern vertritt.«

»Aber ich dachte, Sie würden hier bleiben.«

»Und bei den Neuen die zweite Geige spielen?« Urbain rang sich ein Lächeln ab, und sie erkannte den Schmerz dahinter. »Nein, ich kehre zur Erde zurück. Es ist mir nie gelungen, meine eigene Karriere zu befördern, aber ich glaube, dass ich um so mehr für Sie tun kann. Für Sie und Ihre Ring- Lebewesen werde ich sogar zum Löwen!«

Wunderly wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie wusste aber, dass jeder junge Wissenschaftler mit unorthodoxen neuen Ideen einen Mentor brauchte. Selbst Darwin brauchte Huxley.

»Zumal mein Lebensmittelpunkt auf der Erde ist«, fuhr Urbain fort. »In Paris. Vielleicht… vielleicht vermag ich sie so zu beeindrucken, dass sie zu mir zurückkommt.«

»Ich bin sicher, dass Ihnen das gelingen wird«, sagte Wunderly sanft.

»Dann steht mein Entschluss also fest. Ich kehre zur Erde zurück. Sie werden die Arbeit an den Ringen leiten.«