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»Ich soll sie leiten…?«

Er grinste breit. »Ich habe Sie befördert. Im Team, das von der Erde kommt, sind nur drei Forscher, die sich für die Ringe interessieren — und sie haben gerade erst ihr Diplom gemacht. Ich habe Sie zur Leiterin der Ringdynamik-Studien ernannt. Die Neuen werden für Sie arbeiten.«

Wunderly musste an sich halten, um den Mann nicht zu umarmen.

Holly setzte sich im Krankenhausbett auf. Sie krümmte die Finger der rechten Hand und hielt die Hand vors Gesicht.

»Fast so gut wie neu«, sagte sie.

Cardenas nickte zufrieden. »Warten Sie noch ein paar Tage. Nano-Maschinen können auch nicht zaubern.«

Gaeta saß neben Cardenas; die beiden hockten auf kleinen Plastikstühlen fast in Tuchfühlung.

»Ich werde auch Nanos benutzen, wenn ich das nächste Mal in die Ringe gehe«, sagte er.

»Sogar Urbain verliert die Angst vor Nanomaschinen«, sagte Cardenas. »Er ist heute Morgen ins Labor gekommen und kein einziges Mal zusammengezuckt!«

Alle drei lachten.

Dann wurde Holly ernst. »Manny, ich möchte dir danken, dass du mir das Leben gerettet hast. Kananga hätte mich sonst getötet.«

Sein Gesicht verhärtete sich. »Ich habe es ihm zu leicht gemacht. Damals im barrio hätten wir mit ihm das Gleiche gemacht, was er dir und Raoul angetan hat. Und dann hätten wir ihn von einer Autobahnbrücke geworfen.«

»Ihr sprecht von mir?«

Tavalera fuhr im Rollstuhl in Hollys Zimmer und blieb an der anderen Seite des Bettes stehen.

»Ich wollte gerade zu Ihnen rüberkommen«, sagte Cardenas. »Was macht die Lunge?«

»Sie macht sich. Die Ärzte haben mich heute Morgen untersucht. Sie waren überrascht, dass ich solche Fortschritte mache.«

»Die Regeneration des Lungengewebes wird noch ein paar Tage dauern«, sagte Cardenas. »Bei den Rippen war es einfacher.«

Tavalera nickte. »Es ist schon komisch. Ich scheine fast zu spüren, wie diese kleinen Roboter in mir werkeln.«

»Das ist reine Einbildung.«

»Dann muss ich aber eine lebhafte Phantasie haben«, sagte er.

»Raoul«, sagte Holly, »ich rechne es dir hoch an, dass du mich beschützen wolltest.«

Er wurde rot. »Leider war ich dir keine sehr große Hilfe.«

»Du hast es immerhin versucht«, sagte Holly. »Als ich wirklich Hilfe brauchte, warst du da und hast mir helfen wollen.«

»Und ich habe eine Ladung Nanobots im Körper, die als Beweis dienen.«

Cardenas begriff, was er damit sagen wollte. »Keine Sorge, in ein paar Tagen werde ich sie wieder aus Ihnen entfernen, und Sie können nach Hause zurückkehren. Sie werden keine einzige Nano-Maschine mehr im Leib haben, wenn Sie die Erde erreichen.«

»Du wirst aber allein zurückkehren müssen, amigo«, sagte Gaeta. »Ich werde für immer hier bleiben.« Und er legte Cardenas den Arm um die Schulter.

Holly sah das Leuchten in Cardenas' Augen. »Und was ist mit den Technikern?«, fragte sie. »Werden sie auch hier bleiben?«

»Nee«, sagte Gaeta mit einem Kopfschütteln. »Fritz will zur Erde zurückkehren und einen neuen pendejo suchen, den er zu einem Medienstar aufbauen kann. Aber den Anzug werde ich behalten. Dieses Baby gehört mir.«

Tavalera schaute angespannt. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«

»Worüber?«, fragte Holly.

»Hier zu bleiben.«

»Wirklich?«, fragte Holly und machte große Augen.

»Ja. Irgendwie. Ich meine… so schlecht ist es hier gar nicht. In diesem Habitat, meine ich. Ich frage mich, Dr. Cardenas, ob ich weiter in Ihrem Labor arbeiten könnte? Als Ihr Assistent?«

»Ich brauche Ihre Hilfe, Raoul«, antwortete Cardenas wie aus der Pistole geschossen. »Ich hatte mich schon gefragt, was ich ohne Sie anfangen soll.«

»Dann bleibe ich«, sagte Tavalera und schaute Holly an.

Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Nicht zu fest, Raoul«, sagte sie, als er sie ergriff. »Sie ist noch ziemlich empfindlich.«

Er grinste und ließ ihre Hand in seiner liegen.

Cardenas stand auf. »Ich habe zu arbeiten. Ich werde heute Nachmittag noch mal bei euch beiden vorbeischauen. Komm, Manny.«

Gaeta lehnte sich auf dem knarrenden Stuhl zurück. »Wohin soll ich denn gehen? Ich bin doch im Ruhestand, nicht wahr?«

Cardenas packte ihn am Kragen. »Komm endlich, Manny. Ich werde schon noch etwas für dich finden.«

Er ließ sich von ihr hochziehen. »Na, wenn du es sagst…«

Sie gingen. Holly legte sich wieder hin. Tavalera hielt noch immer sanft ihre Hand.

»Du bleibst doch nicht etwa wegen mir, oder«, fragte sie ihn.

»Nein, nicht…« Er hielt inne. »Doch. Ich bleibe wegen dir«, sagte er fast trotzig. »Das ist die Wahrheit.«

Holly lächelte ihn an. »Gut. Das wollte ich nur hören.«

Er erwiderte ihr Lächeln.

»Telefon!«, rief Holly. »Verbinde mich mit Pancho Lane im Hauptquartier der Astro Corporation in Selene.«

Tavalera ließ ihre Hand los und wollte vom Bett wegrollen.

»Geh nicht, Raoul«, sagte Holly. »Ich möchte, dass du meine Schwester kennen lernst.«

Professor Wilmot saß in seinem Lieblingssessel und schwenkte vorsichtig das Whiskyglas, das er in der rechten Hand hielt. Obwohl sein Blick auf den Bericht gerichtet war, den der diktierte, ging er in Wirklichkeit weit über die Worte hinaus, die vor ihm in der Luft hingen. Er ließ die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren und versuchte den weiteren Gang der Ereignisse vorherzusehen.

Er saß lange Zeit allein da, schwenkte langsam den Whisky und fragte sich, was er seinen Vorgesetzten auf der Erde sagen sollte — wie er ihnen erklären sollte, was mit dem großen Experiment schief gelaufen war.

»Im Grunde ist überhaupt nichts schief gelaufen«, sagte er dann. »Mit dem Experiment sollte die Überlebensfähigkeit einer geschlossenen Gesellschaft getestet werden sowie die Fähigkeit, ein funktionsfähiges Gesellschaftssystem zu entwickeln. Leider entsprach das Gesellschaftssystem, das sich herauskristallisierte, nicht unseren Erwartungen und Wünschen. Es basierte vielmehr auf Gewalt und Täuschung und hätte in ein strenges, restriktives und autoritäres Regime gemündet. Auf der anderen Seite sind solche Systeme von Natur aus instabil, wie die Ereignisse der letzten Tage gezeigt haben.«

Er saß für eine Weile in Gedanken versunken da. Dann trank er einen Schluck Whisky und fuhr fort: »Wir treten in eine neue Phase des Experiments ein, den Versuch, eine funktionsfähige demokratische Regierung zu etablieren. Die Frage lautet nun, sind die Leute dieser Gemeinschaft zu faul oder zu selbstsüchtig, um sich die Mühe zu machen, sich selbst zu regieren? Sind sie nicht mehr als verzogene Kinder, die letztlich eine autoritäre Regierung brauchen, die die Dinge für sie regelt? Die Zeit wird es weisen.«

Er dachte an Cardenas' Vorschlag einer allgemeinen Dienstpflicht: dass von jedem Bürger verlangt wurde, eine gewisse Zeit lang einen Dienst an der Allgemeinheit abzuleisten. Anderenorts hat das schon funktioniert, sagte Wilmot sich. Vielleicht wird es auch hier funktionieren. Aber er hatte seine Zweifel.

Er nahm einen größeren Schluck Whisky und diktierte dann den letzten Abschnitt seines Berichts an die Leiter der Neuen Moralität in Atlanta.

»Sie haben den größten Teil der Finanzierung für diese Expedition übernommen, mit der erforscht werden sollte, ob eine ähnliche Auswahl von Personen als Population einer Mission zu einem anderen Stern dienen könnte — auf einer Mission, die viele Generationen dauern würde. Aufgrund der Ergebnisse der ersten zwei Jahre dieses Experiment muss ich schließen, dass wir einfach noch nicht genug wissen, wie menschliche Gesellschaften sich unter einer solchen Belastung verhalten, um ein definitives Urteil abgeben zu können.