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Elf Monate nach dem Erreichen des Jupiter würde die Goddard schließlich in einen Orbit um den Saturn gehen. Zu diesem Zeitpunkt, mehr als zwei Jahre nach dem Aufbruch aus dem Erde/Mond-System, rechnete der Anthropologe James Wilmot damit, dass die Subjekte seines Experiments bereit wären, das politische System und die persönlichen Bindungen einer neuen Gesellschaft zu schaffen. Er fragte sich, welche Form diese Gesellschaft wohl annehmen würde. Malcolm Eberly wusste es bereits.

Drei Tage nach dem Start

Der große Vorteil, einen Wissenschaftler mit der Leitung des Habitats zu beauftragen, sagte Eberly sich, ist der, dass Wissenschaftler so vertrauensvoll naiv sind. Ehrlichkeit ist das konstituierende Element ihrer Arbeit, wodurch sie sich auch im Alltagsleben ehrlich verhalten. Was sie wiederum zu der Annahme verleitet, dass auch ihre Mitmenschen ehrlich seien.

Eberly lachte laut, als er die Pläne für den Tag Revue passieren ließ. Es wird Zeit, Bewegung in die Sache zu bringen. Wo wir nun unterwegs sind, wird es Zeit, dass diese Leute mich als ihren natürlichen Anführer betrachten.

Und wer wäre besser geeignet, den Anfang zu machen als Holly, sagte er sich. Meine Neugeborene. Sie schmollte, seit er sie bei der Start-Zeremonie einfach hatte abblitzen lassen. Er sah, dass unter den Nachrichten, die an diesem Morgen eingegangen waren, auch eine von ihr war; und sie hatte ihn auch schon zweimal angerufen. Gut, sagte er sich — Zeit, sie wieder zum Lächeln zu bringen.

Er wies das Telefon an, sie zu lokalisieren. Die holografische Abbildung, die überm Schreibtisch erschien, zeigte ihm, dass sie in ihrem Büro bei der Arbeit war.

Als sie Eberlys Gesicht erkannte, erschien bei ihr ein Ausdruck der Hoffnung und frohen Erwartung.

»Holly, würden Sie bitte in mein Büro kommen, falls Sie einen Moment Zeit haben?«, fragte er leutselig.

»Ich werde SAL da sein!«, sagte sie.

SAL?, fragte Eberly sich, als ihr Bild verblasste. Was soll — ach so! Schneller als Licht. Der für sie typische Slang.

Er hörte, wie sie leise und zaghaft an seine Tür klopfte.

Lass sie warten, sagte er sich. Nur so lang, dass ein leichtes Unbehagen sie beschleicht. Er spürte förmlich, wie sie unbehaglich draußen vor der Tür stand.

»Herein«, sagte er, als sie erneut klopfte.

Holly schmollte nicht mehr, als sie Eberlys Büro betrat. Sie wirkte vielmehr besorgt, beinahe ängstlich.

Eberly stand auf und wies auf den Stuhl vorm Schreibtisch. »Bitte setzen Sie sich, Holly.«

Sie setzte sich auf die Stuhlkante wie ein scheuer Vogel, der bereit war, beim geringsten Anzeichen von Gefahr aufzufliegen. Eberly nahm auch wieder Platz und musterte sie für eine Weile stumm. Holly war mit einem moosgrünen Gewand über Leggins von einem etwas helleren Grün bekleidet. Sie trug keine Ringe oder sonstigen Schmuck außer den Ohrsteckern. Diamanten, wie er sah. Seit der Asteroidengürtel für den Bergbau erschlossen worden war, waren Edelsteine normale Gebrauchsgüter geworden. Wenigstens hat sie dieses blöde Zeichen auf der Stirn entfernt, sagte Eberly sich. Sie ist wirklich recht attraktiv. Manche Männer finden dunkle Haut exotisch. Ihre Figur haut einen zwar nicht gerade vom Hocker, aber sie hat schöne lange Beine. Ob ich sie mit jemandem verkuppeln sollte? Nein, beschloss er. Fürs Erste soll sie ausschließlich auf mich fixiert sein.

Er bedachte sie mit einem sparsamen Lächeln. »Ich habe Sie verletzt, nicht wahr?«

Holly machte vor Erstaunen große Augen.

»Das war nicht meine Absicht. Manchmal gehe ich so in meiner Arbeit auf, dass ich ganz vergesse, die Menschen um mich herum könnten auch Gefühle haben. Es tut mir wirklich Leid«, sagte er. »Das war taktlos von mir.«

Ihr Gesicht erhellte sich, als ob die Sonne aufgegangen wäre. »Ich sollte nicht so ein Mimöschen sein, Malcolm. Aber es hat mich einfach überkommen. Ich wollte bei der Feier an Ihrer Seite sein und…«

»Und ich habe Sie enttäuscht.«

»Nein!«, sagte sie wie aus der Pistole geschossen. »Es war mein Fehler. Ich hätte es besser wissen müssen. Es tut mir Leid. Ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten.«

Eberly lehnte sich auf seinem komfortablen Stuhl zurück und bedachte sie mit einem gütigen, väterlichen Lächeln. Wie leicht sie doch zu lenken ist, sagte er sich. Nun bittet sie mich sogar noch um Verzeihung.

»Ich meine«, plapperte Holly weiter, »ich weiß, dass Sie viel zu tun haben und die Verantwortung für die Menschen des ganzen Habitats und all das und ich hätte Ihnen von vornherein nicht zumuten dürfen, sich die Zeit zu nehmen und mit mir in der Gegend 'rumzustehen, um sich die alberne Feier anzuschauen wie ein Schuljunge beim Schulfest oder irgendetwas in der Art…«

Ihre Stimme wurde immer leiser wie ein Spielzeug, dessen Batterien schlapp machten.

Eberly ersetzte das Lächeln durch einen Ausdruck der Bekümmerung. »Schon gut, Holly. Die Sache hat sich bereits erledigt. Vergessen wir es.«

Sie nickte glücklich.

»Ich hätte einen Auftrag für Sie, falls Sie Zeit haben, sich damit zu befassen.«

»Die Zeit werde ich mir nehmen!«

»Wunderbar.« Er lächelte wieder — dieses frohe, dankbare Lächeln.

»Und was ist das für ein Auftrag?«

Er rief den Grundriss des Habitats auf und projizierte ihn auf die kahle Wand. Holly sah die Dörfer, die Parks, landwirtschaftlichen Anbaugebiete und Gärten, die Büros, Werkstätten und Fabrikkomplexe, alles schön ordentlich angeordnet und durch Pfade für Fußgänger und Elektrofahrräder miteinander verbunden.

»Dies ist unsere neue Heimat«, sagte Eberly. »In der wir für mindestens fünf Jahre leben werden. Manche von uns — viele von uns — werden gar den Rest ihres Lebens hier verbringen.«

Holly nickte zustimmend.

»Aber wir haben noch für nichts einen Namen gefunden. Nichts außer den technischen Bezeichnungen. Wir können unsere Heimatorte aber nicht einfach › Ortschaft A‹, ›Ortschaft B‹ und so weiter nennen.«

»Ich verstehe«, murmelte Holly.

»Die Gärten sollten eigene Namen bekommen. Die Hügel und die Wälder — einfach alles. Wer will denn schon im ›Einzelhandels-Komplex Numero Drei‹ einkaufen gehen?«

»Ja schon, aber wie sollen wir denn für alles Namen finden?«

»Ich werde es nicht tun«, sagte Eberly. »Und Sie auch nicht. Dies ist eine Aufgabe, die von den Bewohnern des Habitats erledigt werden muss. Die Leute müssen die Namen selbst aussuchen.«

»Aber wie…«

»In einem Wettbewerb«, antwortete er, bevor sie die Frage noch ausformuliert hatte. »Oder vielmehr in einer Serie von Wettbewerben. Die Bewohner einer jeden Siedlung werden einen Wettbewerb veranstalten, um ihrem Ort einen Namen zu geben. Die Arbeiter einer Fabrik werden einen Wettbewerb veranstalten, um ihrer Fabrik einen Namen zu geben. Das wird die Aufmerksamkeit der Menschen beanspruchen und sie für Monate beschäftigen.«

»Kosmisch«, sagte Holly atemlos.

»Ich brauche jemanden, um die Regeln auszuarbeiten und jeden einzelnen Wettbewerb zu organisieren. Wollen Sie das für mich tun?«

»Logisch!«

Eberly gestattete sich ein leises Lachen angesichts ihrer Begeisterung. »Später werden Sie Komitees bilden müssen«, fuhr er fort, »um die vorgeschlagenen Namen zu bewerten und die Stimmen auszuzählen.«

»Super!« Er sah, dass Holly vor Vorfreude fast zitterte.

»Gut. Ich möchte, dass Sie dieser Sache absoluten Vorrang einräumen. Aber sprechen Sie mit niemandem darüber, bis wir so weit sind, es der Öffentlichkeit mitzuteilen. Ich will nicht, dass hiervon etwas vorzeitig nach außen dringt.«