»Ich könnte mir vorstellen, dass sie die halbe Milliarde zurückfordern werden«, erwiderte Fritz gleichmütig.
»Von der wir aber schon einen großen Batzen ausgegeben haben.«
Fritz zuckte die Achseln.
»Sie werden mir die Hölle heiß machen«, sagte Gaeta und runzelte besorgt die Stirn. »Außerdem wird mich niemand mehr für einen Stunt engagieren. Dann bin ich erledigt.«
»Oder tot«, sagte Fritz mit vollem Ernst.
»Sie sind wirklich eine große Hilfe, amigo.«
»Ich bin Techniker. Und nicht Ihr Finanzberater oder Ihr Leibwächter.«
»Sie sind un fregado, eine seelenlose Maschine, genau das sind Sie.«
»Indem Sie mich beleidigen, wird Ihr Problem auch nicht gelöst.«
»Na und? Sie lösen mein Problem doch eh nicht — niemand löst mein Problem!«
Fritz schürzte für einen Moment die Lippen, was darauf hindeute, dass er nachdachte. »Vielleicht… nein, das würde wahrscheinlich nicht funktionieren.«
»Vielleicht was?«, fragte Gaeta.
Fritz hob die Hand, tätschelte den klobigen Anzug am gepanzerten Oberarm und sagte nachdenklich: »Das Problem ist, Sie in den Anzug zu stecken, nachdem er sterilisiert wurde — ohne ihn dabei zu kontaminieren.«
»Ja. Richtig.«
»Vielleicht wäre es möglich, Sie in einer Art sterilen Hülle zu verpacken. In einer Plastikhülle, die bereits dekontaminiert wurde.«
»Meinen Sie?«
Fritz neigte den Kopf auf die Seite und sagte: »Nur dass wir dann das Problem hätten, Sie in der Hülle zu versiegeln, ohne sie zu kontaminieren.«
»Das gleiche Problem, als wenn ich gleich in den maldito Anzug steigen würde.« Gaeta stieß eine Kanonade spanischer Flüche aus.
»Wenn wir es aber außerhalb des Habitats im Weltraum tun würden«, sagte Fritz langsam, als ob er seine Gedanken während des Sprechens sortierte, »dann würden vielleicht zwischen dem ultravioletten Fluss der Außenumgebung und dem harten Vakuum die Kontaminarionsanforderungen erfüllt werden.«
Gaetas dunkle Brauen schossen in die Höhe. »Glauben Sie?«
Fritz zuckte erneut die Achseln. »Lassen Sie mich ein paar Zahlen durch den Computer schicken. Dann werde ich mit Urbains Planetenschutz-Team sprechen.«
Gaeta grinste und klopfte Fritz so herzhaft auf die Schulter, dass der kleine Mann ins Wanken geriet. »Ich wusste doch, dass Sie es schaffen würden, amigo! Ich wusste es.«
142 Tage nach dem Start
Eberly hatte für über zwei Stunden gelangweilt dagesessen, während alle sechzehn Abteilungsleiter des Habitats ihre langen, drögen Wochenberichte herunterleierten. Wilmot hatte auf diesen wöchentlichen Besprechungen bestanden; Eberly hielt sie freilich für sinnlos und überflüssig. Es ging Wilmot doch nur darum, sich wichtig zu machen, sagte er sich.
Es bestand überhaupt keine Veranlassung, zwei bis drei Stunden in diesem engen Konferenzraum zuzubringen. Jeder Abteilungsleiter hätte seinen oder ihren Bericht auch elektronisch an Wilmot zu übermitteln vermocht. Aber nein, der alte Mann musste am Kopfende des Tisches thronen und so tun, als ob er wirklich etwas leisten würde.
Für eine Gemeinschaft von zehntausend angeblichen Störenfrieden war das Habitat eigentlich ganz störungsfrei zum Saturn unterwegs. Der größte Teil der Population war noch relativ jung und voller Energie. Eberly hatte mit Hollys engagierter Hilfe alle wirklichen Unruhestifter aussortiert, die sich für einen Platz im Habitat beworben hatten. Diejenigen, die er akzeptiert hatte, waren auf die eine oder andere Art mit den restriktiven Strukturen der hoch organisierten Gesellschaften auf der Erde in Konflikt gekommen: Sie waren unzufrieden mit dem ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz, ärgerten sich über die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch die örtlichen Behörden und waren auch nicht bereit, den Bescheid einer genetischen Prüfungskommission bezüglich des Antrags auf die Geburt eines Kindes zu akzeptieren.
Manche hatten sogar versucht, auf friedlichem Weg eine Änderung des politischen Systems zu erreichen — jedoch ohne Erfolg. Also waren sie nun hier im Habitat Goddard, einer von Menschen erschaffen Welt, in der es reichlich Platz für Wachstum gab. Sie drehten der Erde den Rücken zu und waren bereit, auf der lächerlichen Suche nach persönlicher Freiheit bis zum Saturn zu reisen.
Der Trick ist, sagte Eberly sich, als der Leiter der Instandhaltung sich über triviale Probleme ausließ, ihnen die Illusion persönlicher Freiheit zu vermitteln, ohne ihnen diese Freiheit jedoch zu gewähren. Sie müssen mich als Garanten der Freiheit und Hoffnungsträger betrachten. Sie müssen mich als unverzichtbaren Anführer akzeptieren.
Es wird Zeit, diesen Prozess einzuleiten, beschloss er, als der Chef der INST sich endlich setzte. Sofort.
Zuvor musste er aber noch den Bericht des Sicherheitsdirektors abwarten. Leo Kananga war eine eindrucksvolle Gestalt: ein großer, tiefschwarzer Ruander, der darauf bestand, als ›Oberst‹ tituliert zu werden — sein Rang in der ruandischen Polizei, bevor er sich freiwillig für die Saturn-Mission gemeldet hatte. Er hatte den Kopf kahl geschoren und war ganz in Schwarz gekleidet, wodurch er noch größer wirkte. Trotz des eindrucksvollen Auftritts hatte er jedoch wenig Neues zu berichten; es gab keine besonderen Vorkommnisse. Nur ein paar Rangeleien in der Cafeteria, normalerweise zwischen jungen Männern, die in einer hormonellen Aufwallung jungen Frauen imponieren wollten. Und eine Rauferei bei einem Fußballspiel in einem der Parks.
»Hooligans«, sagte Kananga grimmig. »Manchmal haben wir sogar den Fall, dass es nach der Übertragung bedeutender Sportveranstaltungen von der Erde zu Ausschreitungen kommt.«
»Vielleicht sollten wir solche Übertragungen gar nicht mehr zulassen«, schlug eine der Frauen vor.
Der Sicherheitschef schaute sie mit einem mitleidigen Lächeln an. »Das müssen Sie nur versuchen, und es gibt einen richtigen Aufstand.«
Großer Gott, sagte Eberly sich, sie werden das noch für die nächste halbe Stunde durchkauen. Und wirklich meldeten sich nun noch weitere Personen zu Wort. Wilmot saß stumm am Kopfende des Tisches; er beobachtete, hörte zu und fasste sich manchmal an den Bart.
Welche von diesen Figuren wird mir gegenüber wohl loyal sein?, fragte Eberly sich. Und wen werde ich austauschen müssen? Sein Blick fiel sofort auf Berkowitz, den übergewichtigen Leiter der Kommunikations-Abteilung. Ich habe Vyborg seine Stelle versprochen, sagte Eberly sich. Zumal Berkowitz mir gegenüber nie loyal wäre; wie sollte ich einem Juden vertrauen, der sein ganzes Leben in der Medienbranche verbracht hat.
Schließlich flaute der Sturm im Wasserglas wegen der Hooligans ab. Natürlich ohne eine Entscheidung. Bei dieser Art von Diskussion kommt nie ein Ergebnis heraus, sagte Eberly sich, nur heiße Luft. Trotzdem sollte ich die Hooligans im Hinterkopf behalten. Vielleicht könnten sie mir noch einmal nützlich werden.
Wilmot strich sich über den Bart und sagte: »Damit liegen die Berichte der Abteilungen alle vor. Gibt es noch unerledigte Punkte, mit denen wir uns befassen müssen?«
Niemand regte sich, nur dass ein paar Leute auf die Tür zu schielen schienen, durch die man den Konferenzraum verlassen konnte.
»Noch irgendwelche Fragen? Wenn nicht…«
»Ich hätte noch einen Vorschlag, Sir«, sagte Eberly und hob die Hand.
Aller Blicke richteten sich auf ihn.
»Schießen Sie los«, sagte Wilmot mit einem Ausdruck leichter Überraschung.
»Ich finde, wir sollten in Erwägung ziehen, die Kleidung zu vereinheitlichen.«
»Vereinheitlichen?«
»Sie meinen, alle sollten Uniformen tragen?«
Eberly lächelte sie geduldig an. »Nein, keine Uniformen. Natürlich nicht. Aber ich habe festgestellt, dass große Unterschiede in Kleidungsstil eine gewisse… nun, Reibung verursachen. Wir erheben den Anspruch, dass alle Menschen hier gleich seien, und doch protzen ein paar Leute mit teurer Kleidung. Und mit Schmuck.«