»Wir werden die Menschen befragen müssen, verschiedene Konzepte einer Verfassung ausarbeiten, Kandidaten aufstellen…«
»Ja, ja«, sagte Wilmot. »Erledigen Sie das nebenher, während Sie die Namensgebungs-Wettbewerbe durchführen. Aber es wird keine Änderung der Durchführungsbestimmungen geben, bis wir uns im Orbit um Saturn eingerichtet haben. Ist das klar? Nutzen Sie die restliche Zeit im Transit, um Ihre neue Regierung zu bilden, aber die Amtseinführung wird erst stattfinden, wenn wir unseren Bestimmungsort erreicht haben.«
Eberly dachte für einen Moment mit gesenktem Blick nach. Dann schaute er Wilmot direkt an und sagte: »Ja, damit bin ich einverstanden.«
»Gut«, sagte Wilmot, erhob sich und streckte die Hand über den Schreibtisch aus. »Dann sind wir uns also einig.«
Eberly und Holly standen auch auf und schüttelten Wilmot die Hand. Als sie sein Büro verließen, ließ Wilmot sich wieder auf den Stuhl sinken und sagte sich, dass er diese Besprechung protokollieren und schnellstmöglich nach Atlanta schicken lassen sollte.
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Das ist der schönste Anblick im ganzen Sonnensystem: Saturn und seine glühenden, wunderschönen Ringe.
Sie spannen sich wie eine Brücke aus Licht über den Äquator des Planeten, umkreisen die ob ihrer Masse abgeplattete Sphäre des Planeten und schweben der Schwerkraft zum Trotz über ihm.
In seiner Eigenschaft als zweitgrößter Planet unseres Sonnensystems ist Saturn etwas kleiner als Jupiter, aber auf seiner Umlaufbahn entfernt er sich doppelt so weit von der Sonne wie Jupiter. Wie Jupiter ist auch Saturn ein Gasriese, der fast ausschließlich aus den leichtesten Elementen besteht: Wasserstoff und Helium. Wären wir in der Lage, ein Schwimmbecken von der fast zehnfachen Größe der Erde zu bauen, würde Saturn darin schwimmen: Der Planet hat nämlich eine etwas geringere Dichte als Wasser.
Beim Anflug auf den Saturn wirbeln die fahl gelben und beigefarbenen Wolken des Planeten über eine Scheibe, die durch die hohe Drehgeschwindigkeit sichtlich abgeflacht ist. Ein Saturn-Tag dauert gerade einmal zehn Stunden und neununddreißig Minuten. Für die Ahnen war der Saturn der am weitesten entfernte Planet, den sie zu sehen vermochten, und zugleich derjenige, der seine Bahn am Himmel am langsamsten zog. Mit der zehnfachen Entfernung der Erde von der Sonne braucht Saturn neunundzwanzig Komma vier sechs Erdenjahre, um die Sonne einmal zu umkreisen.
Es ist das Ringsystem, das Saturn seine geheimnisvolle Schönheit verleiht. Jupiter und die äußeren Welten wie Uranus und Neptun sind von schmalen, kaum sichtbaren Ringen umgeben. Saturn hat jedoch breite Bänder aus Ringen, die hell leuchten und den Planeten umspannen. Sie hängen in der Leere wie riesige Heiligenscheine.
Als Galilei sein primitives Teleskop zum ersten Mal auf den Saturn richtete, glaubte er einen Dreifach-Planeten zu sehen: Die kleinen Linsen vermochten die Ringe nicht aufzulösen; für ihn muteten sie wie eigentümliche Ohren an, die aus beiden Seiten des Planeten sprossen. Er schrieb an Johannes Keppler einen codierten Brief, den nur der Empfänger selbst zu lesen vermochte. »Ich habe festgestellt, dass der höchste Planet ein Dreifach-Körper ist«, schrieb Galilei in einem Anagramm. Keppler verstand ihn jedoch falsch und glaubte, Galilei wollte ihm sagen, dass er zwei Marsmonde entdeckt habe.
Später entdeckten Astronomen mit verbesserten Teleskopen dann diese unglaublichen Ringe. Bis zum heutigen Tag ist der Saturn eins der ersten Objekte, das Amateur-Astronomen ins Visier nehmen. Der Anblick des beringten Planeten nötigt dem Betrachter immer Bewunderung ab und entlockt ihm entsagungsvolle Seufzer.
Die ästhetisch schönen Ringe des Saturn bestehen aus Partikeln aus Eis und vereistem Staub. Während die meisten dieser Teilchen nicht größer sind als Staubkörner, erreichen manche jedoch die Größe von Häusern. Die Ringe haben einen Durchmesser von ungefähr vierhunderttausend Kilometern und sind dabei nicht viel dicker als hundert Meter. Von der Proportion her sind sie nicht dicker als ein Taschentuch auf einem Fußballfeld.
Die gesamte Masse der Ringe entspricht der eines Eisplanetoiden mit einem Durchmesser von nicht mehr als hundert Kilometern. Es handelt sich dabei entweder um die Überreste von einem oder mehreren Monden, die dem Planeten zu nahe kamen und von den gravitationalen Gezeitenkräften zerbröselt wurden oder um übrig gebliebene Materie aus der Zeit der Planetenentstehung, die sich wegen der unmittelbaren Nähe des Saturn nie zu einem eigenständigen Himmelskörper zusammenklumpte.
Die Ringe sind dynamisch. Hunderte Millionen Partikel umkreisen den mächtigen Planeten, wobei sie laufend kollidieren, voneinander abprallen und in noch kleinere Fragmente zerbrechen — es geht dort zu wie auf einer überfüllten Autobahn mit lauter betrunkenen Autofahrern.
Die Dynamik der Ringe ist faszinierend. Lücken klaffen zwischen den großen Ringen, leere Räume, die durch die Anziehungskraft der über dreißig Saturnmonde geschaffen werden. Die Ringe werden von kleinen ›Hirtenmonden‹ begleitet, von kleinen Satelliten, die unmittelbar außer- und innerhalb eines jeden Rings kreisen und sie durch ihren minimalen gravitationalen Einfluss anscheinend in Position halten. Die Ringe sind quasi autark: In dem Maß, wie der Planet Partikel ansaugt, werden durch die Kollisionen mit den herumwirbelnden Teilchen ständig neue Partikel von den Hirtenmonden abgesplittert. Auf der Bahn um den Planeten unterliegen diese kleinen Satelliten einem Dauer-Bombardement durch den Schauer winziger Eispartikel, durch den sie hindurch fliegen und ›abgeschmirgelt‹ werden.
Die Hauptringe bestehen eigentlich aus Hunderten dünner Ringe, die miteinander verwoben zu sein scheinen. Von Raumfahrzeugen gemachte Fotos mit langer Belichtungsdauer zeigen geheimnisvolle Speichen, die die größten Ringe durchbohren: Muster aus Licht und Dunkelheit, die ebenso unerklärlich wie faszinierend sind. Vielleicht lädt die starke Magnetosphäre des Saturn die Staubpartikel elektrisch auf und versetzt sie dann in Bewegung, wodurch dieser Speichen-Effekt auftritt.
Der Planet selbst gibt dem wissbegierigen Forscher von der Erde nach wie vor Rätsel auf. Wie der massivere Jupiter wird Saturn von innen erhitzt, wobei der Kern aus Gesteinsschmelze unter dem Druck der Riesenwelt, die auf ihm lastet, siedet. Jedoch ist der Saturn kleiner als Jupiter, weiter von der Sonne entfernt und deshalb kälter. Wo der Jupiter eine blühende Biosphäre aus fliegenden Organismen in seiner dicken Wasserstoff-Atmosphäre beherbergt und eine sogar noch komplexere Ökologie schwimmender Lebewesen im tiefen, den Planeten umspannenden Ozean, scheint es auf dem Saturn kein Leben zu geben außer den kälteadaptierten Mikroben, die sich in der oberen Wolkenschicht tummeln.
»Der Saturn ist eine Sackgasse, was multizelluläres Leben betrifft«, verkündete ein enttäuschter Astrobiologe, nachdem die ersten Sonden den riesigen Ozean untersucht hatten, der unter den ewigen Wolken der beringten Welt brodelt, »gerade oberhalb der Schwelle der Bewohnbarkeit für etwas Komplexeres als einzellige Organismen.
Nur ein bisschen wärmer, und wir hätten ein Duplikat von Jupiter gehabt«, fügte er melancholisch hinzu.
Unter den Milliarden von Eispartikeln, aus denen die Ringe bestehen, haben Robotsonden präbiologische und chemische Aktivitäten entdeckt, aber Indizien für lebende Organismen sind bisher noch nicht gefunden worden.
Saturns großer Mond, Titan, ist indes ein ganz anderer Fall. Dort existiert nämlich eine reichhaltige Ökologie aus kohlenwasserstoffbasierten Mikroben, wodurch Titan für die Erschließung oder industrielle Nutzung von vornherein ausscheidet. Niemand außer Wissenschaftlern darf sich Titan überhaupt nähern, und selbst sie dürfen nichts anderes auf die Oberfläche hinunterschicken als gründlich sterilisierte Robotsonden.