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Urbain schüttelte heftig den Kopf. »Es werden nur ferngesteuerte Sonden zur Oberfläche von Titan geschickt. Keine Menschen!«

»Bei allem Respekt, Sir«, sagte Gaeta mit immer noch leiser und freundlicher Stimme, »Sie denken wie ein Wissenschaftler.«

»Ja, natürlich. Wie denn sonst?«

»Schauen Sie, ich bin in der Show-Branche, nicht in der Wissenschaft tätig. Ich werde dafür bezahlt, riskante Stunts durchzuführen, wie zum Beispiel durch die Wolken des Jupiter zu gleiten und mit Skiern den Olympus Mons auf dem Mars herunterzufahren.«

»Stunts«, murmelte Wilmot.

»Genau, Stunts. Die Leute zahlen viel Geld dafür, an meinen Stunts teilzuhaben. Deshalb die VR-Ausrüstung.«

»Die Spannung der virtuellen Realität. Ein Surrogat- Erlebnis.«

»Ein billiges Vergnügen, stimmt. Damit macht man aber das große Geld. Meine Investoren werden schon nach den ersten zehn Sekunden, die ich in den VR-Netzwerken bin, ihre erste halbe Milliarde verdienen.«

»Sie riskieren Ihr Leben, damit andere Leute mit einer VR-Ausrüstung auf einen Abenteuer-Trip gehen können«, sagt Urbain fast anklagend.

Falls Gaeta überhaupt eine Reaktion zeigte, bestand sie darin, dass sein Lächeln noch breiter wurde. »Der Trick ist der, die Risiken zu beherrschen. Die Bedingungen zu erkunden und die erforderliche Ausrüstung zu kaufen oder zu entwickeln. Man bezeichnet mich zwar als Teufelskerl, aber ich bin kein Narr.«

»Und Sie wollen als erster Mensch die Oberfläche des Titan betreten«, sagte Wilmot.

»Das sollte nicht allzu schwer sein. Sie werden sowieso dorthin fliegen, also fliegen wir bei euch mit. Der Titan hat eine Atmosphäre und eine ganz ordentliche Schwerkraft. Und die Strahlungswerte sind nicht annähernd so hoch wie auf dem Jupiter.«

»Und Kontamination?«, fragte Urbain.

Gaeta zog die Augenbrauen hoch. »Kontamination?«

»Es gibt Leben auf dem Titan. Es ist zwar nur mikroskopisch klein: einzellige bakterielle Lebewesen. Aber es sind Lebewesen, und wir müssen jede Kontamination vermeiden. Das ist unsere erste Pflicht.«

Gaeta entspannte sich wieder. »Ach so. Ich werde einen gepanzerten Raumanzug tragen. Sie können ihn abschrubben und mich in ultraviolettem Licht baden, wenn ich zurück bin. Das tötet alles Kroppzeug ab, das vielleicht noch am Anzug klebt.«

Urbain schüttelte den Kopf noch heftiger. »Nein, nein und nochmals nein. Sie verstehen nicht. Wir machen uns wahrlich keine Sorgen, dass Mikroben Sie kontaminieren. Unsere Sorge ist vielmehr, dass Sie vielleicht sie kontaminieren.«

»Hä?«

»Es existiert eine einzigartige Ökologie auf dem Titan«, sagte Urbain. Seine blauen Augen funkelten, und der Bart sträubte sich schier. »Wir dürfen nicht das geringste Risiko eingehen, sie zu kontaminieren.«

»Aber das sind doch nur Bakterien!«

Urbain klappte die Kinnlade herunter. Er schaute aus wie ein Strenggläubiger, der soeben eine Blasphemie vernommen hat.

»Einzigartige Organismen«, stellte Wilmot klar. »Sie dürfen nicht beeinträchtigt werden.«

»Aber es sind doch schon Sonden auf dem Titan gelandet«, wandte Urbain ein, »jede Menge Sonden sogar!«

»Jede Einzelne wurde aber so gründlich desinfiziert, wie es nach dem Stand der Wissenschaft nur möglich war«, sagte Urbain. »Sie waren Dosen von Gammastrahlung ausgesetzt, die fast die elektronischen Schaltkreise zerstört hätten. Und ein paar von ihnen wurden während des Dekontaminations- Vorgangs wirklich außer Funktion gesetzt.«

Gaeta zuckte die Achseln. »Gut, dann dekontaminieren Sie meinen Anzug eben auf die gleiche Art.«

»Wenn Sie drinstecken?«, fragte Wilmot in ruhigem Ton.

»Wie — wenn ich drinstecke?«

»Weil Sie, wenn Sie in den Anzug steigen, einen ganzen Zoo von mikrobieller Flora und Fauna an den äußeren Teilen des Anzugs hinterlassen, die Sie berühren: Schweiß, Fett und wer weiß was nicht alles. Schon ein Fingerabdruck, ein Atemhauch könnte genug terrestrische Mikroben freisetzen, um Titans gesamte Ökologie zu verwüsten.«

»Ich müsste also im Anzug bleiben, wenn ihr ihn mit Gammastrahlen bombardiert?«

Wilmot nickte. »Nur so werden wir Ihnen gestatten, die Oberfläche von Titan zu betreten«, sagte Urbain ungerührt.

38 Tage vor dem Start

Ein Lächeln steht ihm wirklich gut, sagte Susan sich. Nur ist er leider immer so ernst.

Malcolm Eberly blickte konzentriert auf die dreidimensionale Abbildung, die mitten in der Luft über seinem Schreibtisch schwebte. Susan mutete er wie ein kalifornischer Surfer-Typ an, doch nur vom Hals aufwärts. Das blonde Haar hatte er nach der neuesten Mode kurz geschnitten. Er hatte hohe Wangenknochen und ein kräftiges Kinn. Eine fein geschwungene Nase und funkelnde blaue Augen von der Farbe eines Gletschersees. Und ein bezauberndes Lächeln, das er leider allzu selten zeigte.

Sie hatte sich zurückgelehnt, um ihm ihre Vorzüge zu präsentieren: Sie war mit dem schlichten Gewand und der Hose bekleidet, die ihm so gut gefiel, hatte das Haar in den Naturzustand zurückversetzt und die widerspenstigen Locken abgeschnitten. Die Verzierung an der Stirn hatte sie auch beseitigt und trug nun gar keinen Schmuck mehr außer den kleinen Ohrsteckern aus Asteroiden-Diamant.

Doch nichts von alledem hatte er bisher zur Kenntnis genommen.

»Wir müssen die Kriterien der Auswahlverfahren verschärfen«, sagte er, ohne vom Display aufzuschauen. Er hatte eine tiefe, sonore Stimme und sprach ein amerikanisches Englisch, das jedoch von einem kultivierten britischen Akzent überlagert wurde.

»Schauen Sie.« Eberly betätigte die Fernbedienung, und das Display rotierte über dem Schreibtisch, so dass Susan die dreidimensionale Grafik anschauen konnte. Das Büro war klein und spartanisch: Das Mobiliar bestand nur aus Eberlys grauem Metallschreibtisch und dem harten kleinen Plastikstuhl, auf dem Susan saß. Es hingen keine Bilder an den Wänden. Eberlys Schreibtisch war akkurat aufgeräumt.

Sie beugte sich auf dem unbequemen, knarrenden Stuhl nach vorn und betrachtete die Reihe der bunten Zickzacklinien, welche die vor ihren Augen schwebende Grafik durchzogen. Die Konfiguration war noch genau die gleiche, an die sie sich vom Vortag erinnerte, bevor sie Feierabend gemacht hatte.

»In den zwei Wochen, die Sie bereits im Human-Resources-Büro arbeiten«, sagte Eberly, »haben die erfolgreichen Rekrutierungen um fast dreißig Prozent zugenommen. Sie leisten anscheinend mehr als das ganze restliche Personal zusammengenommen.«

Das liegt nur daran, dass ich Eindruck bei dir schinden will, sagte sie sich. Sie hatte aber nicht den Nerv, ihm das ins Gesicht zu sagen; sie vermochte sich lediglich ein Lächeln abzuringen.

Er lächelte jedoch nicht, sondern sagte: »Leider handelt es sich bei zu vielen der neuen Rekruten um verurteilte politische Dissidenten und Unruhestifter. Wenn sie schon auf der Erde für Unruhe gesorgt haben, dann werden sie es wahrscheinlich auch hier tun.«

Ihr Lächeln verflog. »Aber ist denn das nicht auch ein Zweck dieser Mission?«, fragte sie. »Wir fliegen zum Saturn, um den Menschen eine neue Chance zu geben, damit sie ein neues Leben anfangen können.«

»Aber es muss alles im Rahmen bleiben, Holly. Alles in Maßen. Wir wollen hier keine notorischen Querulanten und Aufsässigen. Dann könnten wir genauso gut noch Terroristen ins Habitat aufnehmen.«

»Habe ich denn wirklich so schlechte Arbeit geleistet?«

Sie erwartete, dass er sie beruhigte und ihr sagte, dass sie ihre Arbeit gut machte. Stattdessen stand Eberly auf und ging um den Schreibtisch herum.