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Dann wurde sie sich bewusst, dass dies die Gelegenheit war, zu Wilmot zu gelangen, ohne von Kananga oder sonst jemandem daran gehindert zu werden. Holly stand auf. Sie hatte die Augen noch immer auf dem Bildschirm und sah, dass fast alle auf der Veranstaltung waren. Ich wette, dass Wilmot in seinem Quartier ist. Ich könnte mich dort 'reinschleichen und ihm sagen, was hier vorgeht.

Sie schaltete den Wandbildschirm ab und ging zielstrebig durch den Tunnel in Richtung Athen, wo sich Wilmots Unterkunft befand.

Nach ein paar Minuten bog sie indes in einen Nebentunnel ab, durch die Instandhaltungs-Roboter zwischen den Haupt- Versorgungstunnels wechselten. Es hat keinen Sinn, schnurstracks aufs Dorf zuzumarschieren, sagte sie sich. Mach lieber einen Umweg und halte Ausschau nach Wachen, die vielleicht hier Streife gehen.

Deshalb verfehlte Raoul Tavalera sie, der von Athen kommend auf der Suche nach ihr durch den Versorgungstunnel ging.

Urbain und Timoschenko nutzten ihre fünf Minuten, um noch einmal die Positionen zu bekräftigen, die sie schon im bisherigen Verlauf des Wahlkampfs vertreten hatten. Urbain betonte, dass wissenschaftliche Forschung der eigentliche Zweck des Habitats sei, sein raison d'кtre, und dass mit ihm als Leiter des Habitats die Erforschung von Saturn und Titan ein großer Erfolg werden würde. Timoschenko hatte zum Teil Eberlys ursprüngliche Position aufgegriffen, dass die Wissenschaftler keine abgehobene Elite werden dürften, der alle anderen im Habitat zu dienen hätten. Eberly hatte den Eindruck, dass Timoschenko stärkeren und längeren Applaus erhielt als Urbain.

Als Timoschenko sich setzte, stand Eberly auf und ging langsam zum Podium. Ob Morgenthau Recht hat, fragte er sich. Ob Urbains Wähler zu Timoschenko wechsein? Ob die Ingenieure den Schulterschluss mit den Wissenschaftlern suchen?

Das macht keinen Unterschied, sagte Eberly sich, als er die Kanten des Podiums packte. Es wird Zeit, einen Keil zwischen sie zu treiben. Es wird Zeit, die überwältigende Mehrheit der Stimmen auf mich zu vereinigen.

»Es wird Zeit«, sagte er zum Publikum, »den letzten Redner vorzustellen. Ich bin in der ungewohnten Situation, mich selbst vorstellen zu müssen.«

Vereinzeltes Gelächter ertönte in der Menge.

»Also darf ich ohne Übertreibung sagen, dass hier jemand ist, der nicht mehr vorgestellt werden muss: Ich!«

Das Publikum lachte. Vyborg und ein paar seiner Leute applaudierten, und der Großteil der Menge schloss sich ihnen an. Eberly stand am Podium und sog ihre Verehrung förmlich ein — ob echt oder gespielt spielte für ihn keine Rolle, solange die Leute da unten so funktionierten, wie er es wollte.

»Dieses Habitat ist mehr als ein Spielplatz für Wissenschaftler«, sagte Eberly, nachdem sie sich wieder beruhigt hatten. »Es ist mehr als eine wissenschaftliche Expedition. Es ist unsere Heimat: eure und meine. Und doch wollen sie uns sagen, wie wir zu leben haben und dass wir ihnen zu dienen hätten.

Sie halten es für selbstverständlich, dass wir eine strenge Bevölkerungskontrolle betreiben, obwohl dieses Habitat mit Leichtigkeit das Zehnfache der gegenwärtigen Population beherbergen und ernähren könnte.

Aber wie können wir uns eine wachsende Bevölkerung überhaupt leisten? Unsere Ökologie und Ökonomie sind starr und geschlossen. In ihren Plänen für unsere Zukunft ist kein Raum für Bevölkerungswachstum, für Babies.

Ich habe einen anderen Plan. Ich weiß, wie wir leben und wachsen und glücklich sein können. Ich weiß, wie jeder Einzelne von euch reich werden kann!«

Eberly spürte das aufkeimende Interesse der Menge. Er hob den Arm und sagte:

»Um den Saturn kreist der größte Schatz im Sonnensystem: Billionen Tonnen von Wasser. Wasser! Was würden Selene und die anderen Städte auf dem Mond wohl für eine unerschöpfliche Wasserversorgung zahlen? Was würden die Mineure und Prospektoren im Asteroidengürtel zahlen? Mehr als Gold, mehr als Diamanten und Perlen ist Wasser die wertvollste Ressource im Sonnensystem! Und wir sitzen auf so viel Wasser, dass wir alle reicher sein werden als Krösus.«

»Nein!«, schrie Nadia Wunderly und sprang inmitten des Publikums auf. »Das können Sie nicht tun! Das dürfen Sie nicht tun!«

Drei Tage, drei Stunden und elf Minuten bis zur Ankunft

Eberly sah, wie eine kleine, pummelige Frau mit stachligem rotem Haar sich einen Weg durch die Menge bahnte.

»Sie dürfen die Ring-Partikel nicht absaugen!«, rief sie, während die Leute ihr eine Gasse freimachten. »Sie werden die Ringe ruinieren! Sie werden sie zerstören!«

Eberly gebot der Menge mit erhobener Hand zu schweigen und sagte trocken: »Wie es scheint, sind wir nun beim Frage- und Antwort-Teil dieser abendlichen Veranstaltung angelangt.«

Nachdem sie sich durch die Menge gekämpft und den Rand der Plattform erreicht hatte, blieb Wunderly stehen. Auf einmal wirkte sie verlegen und unsicher. Sie lief rot an und schaute sich um.

Eberly schaute lächelnd auf sie hinunter. »Wenn die anderen Kandidaten keine Einwände haben, würde ich diese junge Frau hier gern aufs Podium bitten, damit sie uns ihre Ansicht darlegen kann.«

Das Publikum applaudierte: lauwarm, aber es war immerhin Applaus. Eberly warf einen Blick auf Urbain und Timoschenko, die hinter ihm saßen. Urbain wirkte unsicher, beinahe verwirrt.

Timoschenko saß mit über der Brust verschränkten Armen da und hatte einen Ausdruck irgendwo zwischen Langeweile und Abscheu in seinem dunklen Gesicht.

»Kommen Sie herauf«, sagte Eberly. »Kommen Sie her und sagen Sie uns allen Ihre Meinung.«

Wunderly zögerte für einen Moment. Dann erklomm sie mit grimmigem Gesicht und entschlossen zusammengepressten Lippen die Stufen zur Plattform und ging ans Podium.

Während Eberly ein Mikrofon am Revers ihres Gewands befestigte, sagte sie ernst: »Sie können die Ringe nicht ausbeuten…«

Eberly brachte sie mit erhobenem Finger zum Schweigen. »Einen Moment noch. Würden Sie uns bitte erst Ihren Namen nennen. Und Ihre Tätigkeit.«

Sie schluckte, ließ den Blick übers Publikum schweifen und sagte: »Dr. Nadia Wunderly. Ich gehöre zum Fachbereich Planeten Wissenschaften.«

»Eine Wissenschaftlerin.« Dachte ich mir schon, sagte Eberly sich. Nun habe ich die Gelegenheit, den Wählern zu zeigen, wie egozentrisch die Wissenschaftler sind, wie rechthaberisch sie sind und dass sie sich keinen Deut um den Rest von uns scheren.

»Das stimmt, ich bin eine Planetenwissenschaftlerin. Und Sie können die Ringe nicht abbauen. Sie würden sie zerstören. Ich weiß wohl, dass sie groß wirken, aber wenn Sie alle Ring- Partikel zusammennehmen, würden sie einen Eiskörper mit einem Durchmesser von nicht einmal hundert Kilometern bilden.«

»Möchten Sie sich an dieser Diskussion beteiligen, Dr. Urbain?«, wandte Eberly sich an Urbain.

Der Quebecer erhob sich von seinem Stuhl und ging zum Podium. Timoschenko saß mit noch immer über der Brust verschränkten Armen reglos da und schaute finster.

»Die Ringe sind fragil«, sagte Wunderly ernst. »Wenn man ihnen tonnenweise Partikel entzieht, werden sie vielleicht zerbrechen.«

»Dr. Urbain, stimmt das?«, fragte Eberly.

Urbains Gesicht verfinsterte sich für einen Moment. Dann zupfte er sich am Bart und erwiderte: »Ja, natürlich, wenn man den Ringen ständig Partikel entzieht, wird man sie irgendwann destabilisieren. Das ist offensichtlich.«

»Wie viele Tonnen Eispartikel können wir den Ringen denn entziehen, ohne sie zu destabilisieren.«