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Das war knapp!

Hollys Beine versagten den Dienst. Sie sank auf den Metallboden des Tunnels und setzte sich in die Pfütze unter der Luke.

Sie wussten, dass ich in der Röhre war, sagte sie sich. Sie wussten es und wollten mich ersäufen.

Der Scout lief mit schnellen Schritten neben der Pipeline durch den Tunnel. Er hörte, wie das Wasser hindurch floss, doch als der vorsichtige Mann, der er war, lief er weiter — in der Hoffnung, dass seine Beute rechtzeitig ausgestiegen war. Geh kein Risiko ein und gib der Beute keine Chance, zu entkommen.

Er war ein Äthiopier, der einmal davon geträumt hatte, olympisches Gold im Marathonlauf zu gewinnen, bis die olympischen Spiele auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wurden. Er hielt sich, seine Eltern und seine jüngeren Geschwister mit dem dürftigen Gehalt eines Polizisten am Leben. Selbst das wurde ihm jedoch genommen, als ein Verwandter eines Politikers aus der Hauptstadt seine Stelle und sein Gehalt bekam. Mit der Aussicht zu verhungern, nahm er eine Stelle im Saturn-Habitat an: unter der Bedingung, dass sein Gehalt jeden Monat an seine Eltern ausgezahlt wurde. An Bord hatte er sich dann mit Oberst Kananga angefreundet und einen ruhigen Posten in der Sicherheitsabteilung bekommen.

Diese Verfolgung was der erste wichtige Auftrag, den er für den Oberst ausführte, nachdem er monatelang nur routinemäßige Sicherheitspatrouillen in einem Habitat durchgeführt hatte, in dem es kein wirkliches Verbrechen gab — nur verzogene, eigenwillige Söhne und Töchter der Reichen, die sich wie Kinder aufführten, die partout nicht erwachsen werden wollten.

Er hatte nicht vor, bei diesem Auftrag zu versagen. Er wollte Oberst Kananga eine Freude machen.

»Ich gerate unter Beschuss«, sagte Gaeta.

Er stand noch immer ziemlich hoch über dem Ring, doch Staubteilchen trafen bereits den Anzug, wie die Sensoren an der Außenhülle meldeten. Kein Problem, sagte Gaeta sich. Noch nicht. In ein paar Minuten wird es schlimmer werden.

Es war schwierig, die Entfernung zu schätzen. Er schaute hinab auf ein weites Feld aus weißem, gleißendem Licht, als ob er in einem Ballon zu einem riesigen Gletscher absteigen würde. Aber der Ring war nicht massiv; er bestand aus Milliarden und Abermilliarden Teilchen, als ob alle funkelnden Murmeln des Universums sich dort versammelt hätten. Der häusergroße Eisbrocken war taumelnd an ihm vorbei geflogen und kollidierte nun mit den kleineren Partikeln, die ihn umschwärmten — sie stoben auseinander.

»Dein Geschwindigkeits-Vektor ist gut«, sagte Fritz mit ruhiger und zuversichtlich klingender Stimme. »Die Einschlag-Energie dürfte minimal sein.«

»Ja«, pflichtete Gaeta ihm bei und driftete immer tiefer zum riesigen Meer aus funkelnden Teilchen. »Ich spüre auch noch nichts.«

»Wir erhalten gerade die Größenschätzungen für die Teilchen«, sagte Wunderly. »Sie scheinen im Moment nicht größer als ein paar Millimeter.« Sie klang enttäuscht.

»Soll ich nach größeren Brocken suchen?«

»Du hältst dich an die geplante Flugbahn«, sagte Fritz brüsk. »Kein Abenteuer, bitte.«

Gaeta lachte. Keine Abenteuer. Und, wie zum Teufel, nennst du das hier?

Wunderly meldete sich wieder. »Der neue Mond ist in einen permanenten Orbit gegangen.«

»Kann ich von hier aus nicht sehen.«

»Ja, er ist auf der anderen Seite des Planeten. Ich erhalte Bilder vom Minisat im polaren Orbit.«

Die Teilchen wurden nun wesentlich dicker. Gaeta hatte das Gefühl, als ob er langsam in einem Schneesturm versänke: Glitzernde Schneeflocken wirbelten um ihn herum und tanzten in einem unsichtbaren Wind. Sie schienen sich etwas von ihm zu entfernen und ihm Platz zu schaffen.

»Ich weiß, das ist verrückt«, sagte er, »aber es sieht so aus, als ob die Flocken sich von mir entfernen würden.«

Er spürte förmlich, wie Fritz den Kopf schüttelte. »Das sieht aus deiner Perspektive nur so aus. Sie bewegen sich auf eigenen Umlaufbahnen um den Saturn, wie du es auch tust.«

»Vielleicht, aber ich könnte schwören, dass sie Abstand zu mir halten.«

»Versuch doch mal, ein paar von ihnen zu schnappen«, sagte Wunderly.

Gaeta bearbeitete die Tastatur und schob die Arme wieder in die Ärmel des Anzugs. »Ich habe die Probenbox geöffnet, aber ich glaube nicht, dass sie sich darin verirren.«

Er hörte Fritz' glucksendes Lachen. »Glaubst du etwa, sie würden dir aus dem Weg gehen? Vielleicht können sie dich nicht riechen.«

»Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, Kumpel. Es ist, als ob…« Gaeta verstummte, als plötzlich eine rote Warnlampe an der Innenseite des Helmvisiers aufleuchtete. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder.

»Ich habe ein rotes Licht«, sagte er.

»Die Sensoren sind deaktiviert«, sagte Fritz. Seine Stimme war plötzlich brüchig und angespannt. »Kein akutes Problem.«

Gaeta überflog die Helm-Anzeigen und sah, dass etliche Sensoren an der Außenhaut des Anzugs sich abgeschaltet hatten. Zwei am Rückentornister und zwei weitere am linken Bein. Er wusste, dass es unmöglich war, die Beine aus dem Innern des Anzugs sehen, aber er versuchte es trotzdem.

Alles, was er durchs Visier zu sehen vermochte, waren die Stiefelspitzen. Sie schienen vereist zu sein.

Er hob beide Arme und sah, dass sie auch mit einer dünnen Eisschicht bedeckt waren. Und er sah, wie beide Arme immer mehr vereisten.

»He! Ich vereise. Sie packen mich in Eis.«

»Das sollte nicht passieren«, sagte Wunderly. Sie klang beinahe verärgert.

»Es interessiert mich einen Scheiß, was passieren sollte. Diese kleinen cabrуns packen mich in Eis!«

Immer mehr rote Lampen leuchteten am Visier auf. Einer nach dem andern schalteten die Sensoren an der Außenhaut des Anzugs sich ab. Schockgefrostet.

»Kannst du noch Arme und Beine bewegen?«, fragte Fritz.

Gaeta versuchte es. »Ja. Die Gelenke sind zwar etwas steif, aber sie… oh, oh.« Nun lagerten die Eispartikel sich auch schon am Helmvisier ab.

»Was ist los?«

»Sie sind auch schon auf dem Visier«, sagte Gaeta. Er starrte eher fasziniert als ängstlich auf die Partikel. Die kleinen fregados kriechen übers Visier, wurde er sich bewusst.

»Sie bewegen sich«, meldete er. »Sie kriechen über das Visier!«

»Wie sollen sie denn kriechen«, sagte Wunderly.

»Sag ihnen das mal!«, antwortete Gaeta. »Sie überziehen das Visier. Den ganzen Anzug! Sie packen mich in Eis!«

»Das ist unmöglich.«

»Ja, sicher.«

Was auch immer sie waren, die kleinen Partikel krochen übers Helmvisier. Er sah es. Es wurden immer mehr, und sie bedeckten einen immer größeren Abschnitt des Visiers. Nach wenigen Minuten vermochte Gaeta gar nichts mehr zu sehen. Der Anzug war vollständig mit einer Eisschicht überzogen.

Gefangene

Wunderly saß in ihrem winzigen Büro. Sie hatte zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch stehen: Auf dem einen versuchte sie Gaeta zu beobachten, und den neuen Mond, der sich mit dem Hauptring vereinigt hatte, auf dem Monitor daneben.

Alles, was sie von Gaeta bekam, waren die Daten von den internen Sensoren des Anzugs und seine aufgeregte Meldung, dass die Eispartikel den Anzug umschlossen. Sie können sich doch gar nicht bewegen, sagte sie sich. Sie sind nicht lebendig, also auch nicht beweglich. Sie sind nur mit Eis überzogene Staubflocken.

Aber wie kommt es dann, dass sie Mannys Anzug überziehen? Elektromagnetische Anziehung? Temperatur- Differenzial?