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"Könnte nicht bei der beträchtlichen Zahl dieser Leute irgend eine Unvorsichtigkeit, eine

Nachlässigkeit vorkommen oder ein Verrath geschehen?"

"Ich werde mit der Arretur nur treue Beamte betrauen?"

"Und dennoch kann sich Einer unter denselben befinden, in dem Ew. Majestät sich täuschen. Mißglückt die Arretur auch nur eines einzigen, so ist es sehr leicht möglich, daß er, um sich zu retten, die Flamme an das Pulverfaß legt, welches ja bereits bis an den Rand gefüllt ist, wie wir leider überzeugt sein müssen." "So soll ich die Leute frei lassen?"

"Nein, Majestät. Sie müssen unbedingt schleunigst unschädlich gemacht werden, aber in einer Weise, welche uns vollständige Sicherheit bietet, daß nicht ein Einziger entkommt." "Kennst Du eine solche Weise?" "Ich denke es." "Nun?"

A "Wir arretiren sie selbst, und zwar Alle gleich mit einem Schlage."

"Ah! Dann müßten wir sie auf irgend einen bestimmten Punkt zu vereinigen suchen?"

"Allerdings."

"Wo?"

"An ihrem gewöhnlichen Versammlungsort, der Klosterruine."

"Das wäre allerdings ein ganz vortrefflicher Plan, wenn er ausgeführt werden könnte." "Seine Ausführung ist sehr leicht möglich. Dieser Abb, hat ja die Unvorsichtigkeit begangen, ein Konzept seiner ganzen Korrespondenz aufzubewahren. Erstens kenne ich aus demselben seinen Stil und zweitens habe ich ersehen, daß alle Aufgezeichneten bereits einmal oder öfters die Ruine besucht haben müssen. Wir telegraphiren ihnen und bestellen sie, da es für heut zu spät ist, für morgen um Mitternacht zur Ruine. Sie kommen sicher. Der Ort wird von Militär umzingelt, welches ja der treue Wallroth, der das Terrain bereits kennt, besorgen kann, und so haben wir die Überzeugung, daß uns keiner entkommt."

"Und die hiesigen?"

"Das sind Fünf, deren Arretur ich selbst und der Vater besorgen können." "Gut; so sei es. Schreibe die Depeschen sofort; aber sorge dafür, daß uns Niemand in die Karte zu sehen vermag! Die Arretur des Prinzen werde ich selbst, und zwar gleich, übernehmen. Du, Brandauer, gehst zu Wallroth und siehst, wie es mit dem Hofprediger steht. Sobald Ihr mit diesen Obliegenheiten zu Ende seid, erwarte ich Euch im Schlosse." Er verließ den Gasthof und begab sich über den Fluß hinüber nach dem herzoglichen Palais. Dort frug er nach dem Prinzen, welcher einen Theil des Gebäudes bewohnte, erfuhr, daß derselbe anwesend sei, und ließ sich bei ihm melden. Natürlich wurde er sofort empfangen. Der Prinz, welcher seine volle Generalsuniform trug und augenscheinlich zum Ausgehen bereit gewesen war, kam ihm mit gut gegebener Ehrfurcht entgegen.

"Majestät! Welch hohe und unerwartete Ehre! Ich vernahm daß Ew. Königliche Hoheit geruht hätten, mit Papa auszufahren?"

"Ich bin bereits wieder zurück, wie Sie sehen, General." "Und der Vater?"

"Es sind sehr wichtige Angelegenheiten, welche ihn veranlaßt haben, sich meiner Wiederkehr nicht anzuschließen. Ich kam, um Sie davon zu benachrichtigen und Ihnen bei dieser Gelegenheit einige Mittheilungen zu machen." "Ich höre, Majestät!" antwortete der Prinz.

Er schob dem Könige ein Fauteuil entgegen und wartete, von ihm ebenso zum Platz nehmen eingeladen zu werden, was aber zu seiner Verwunderung nicht geschah. Er mußte stehen bleiben, während der König sich setzte und sogleich begann:

"Zunächst einige private Fragen: Sie hatten auf Veranlassung Ihres Vaters eine gewisse Intention in Betreff der hier anwesenden Prinzessin Asta von Süderland?" Der Prinz erschrak recht sichtlich.

"Majestät!" war die einzige Antwort, welche er zögernd hervorbrachte.

"Sie dürfen mir offen antworten, denn Sie sehen, daß ich nicht so ununterrichtet bin, wie Sie bisher wohl angenommen haben. Ich weiß sehr genau, daß die Anwesenheit der süderländischen Herrschaften nur allein mit dieser Intention in Beziehung stand."

"Hat Vater Ihnen die betreffende Mittheilung gemacht?"

"Leider nein, doch bin ich natürlich von anderer Seite unterrichtet worden. Wie weit ist diese

Angelegenheit gediehen?"

Die Verlegenheit des Prinzen wuchs.

"Ich muß Ew. Majestät ersuchen, sich mit dieser Frage an den Vater zu wenden, da nur er kompetent ist."

"Das ist bereits geschehen. Er sieht von dieser Spekulation vollständig ab." "Ah! Aus welchem Grunde?"

"Weil es die Überzeugung eines jeden guten Unterthanen ist, daß in solchen Angelegenheiten nur der Monarch allein zu bestimmen hat, zumal wenn mit denselben politische Berechnungen verbunden werden, welche die bestehende Ordnung in Gefahr bringen." "Majestät erschrecken mich! Ich war allerdings angewiesen, mich Prinzeß Asta zu nähern, habe aber nicht die mindeste Ahnung, was mit diesen politischen Umtrieben gemeint sein könne."

"So? Auch hier dürfen Sie offen sprechen, denn ich bin in diesem Punkte ganz ebenso au fait wie in dem vorigen."

"Ich ersuche Ew. Hoheit, mich gütigst zu informiren!"

"Gern! Ich werde es thun, um Ihnen den Beweis zu liefern, daß ich nicht unwissend bin. Ihre projektirte Vermählung mit der B Prinzeß sollte den Hof von Süderland bewegen, Ihnen behilflich zu sein, der Thronerbe von Norland zu werden. Meine Absetzung, ja, mein Tod war eine ebenso beschlossene Sache, wie die Krönung Ihres lieben Herrn Vaters. Eine Erhebung des Volkes ist eingeleitet und, wie ich gestehe, mit sehr vieler Gewandtheit und Raffinerie.

Diese Revolution sollte Süderland die Veranlassung geben, seine Heere, welche sich bereits hinter der Grenze konzentriren, marschiren zu lassen." "Majestät, das ist ja eine ganz wahnsinnige Idee!"

"Allerdings so wahnsinnig, daß Ihre Stimme zittert und Sie vor Erregung erbleichen. Leider sind mir sämmtliche Aktenstücke der Verräther in die Hände gefallen, und ich bin in der Lage, die Schlange, welche mir drohte, unschädlich zu machen."

Der Prinz war wirklich bis zum Tode erbleicht und mußte alle Kraft aufbieten, um seine Fassung zu bewahren.

"Majestät dürfen vollständig überzeugt sein, daß sowohl ich als auch Papa einer solchen

Bewegung, wenn sie in Wirklichkeit existiren sollte, vollständig fern stehen."

"Von Ihrem Vater bin ich allerdings überzeugt, daß er derselben jetzt ganz und gar ferne steht," antwortete der König mit Bedeutung. "Und ich wünschte sehr, diese Überzeugung ebenso auch von Ihnen haben zu können!"

"Das dürfen Sie, bei meiner Ehre!"

"Bei Ihrer Ehre? Prinz, bedenken Sie dieses Wort!"

"Ich werde Majestät sofort überzeugen."

"Wodurch?"

"ich bitte um die Erlaubniß, Ihnen bei Unterdrückung des Aufstandes mit allen Kräften dienlich sein zu dürfen."

"Diese Erlaubniß gebe ich Ihnen vollständig, denn ich habe die Meinung, daß Sie mir sehr dienlich sein können."

"Bestimmen Majestät die Art und Weise!"

"Sie wird nicht eine aktive, sondern eine passive sein, ganz wie bei Ihrem Herrn Papa. Sie werden sich von Allem vollständig fern zu halten haben."

"Majestät!"

Dem Prinzen schien zu ahnen, welche Passivität der König meinte.

"Ihr Vater ist nämlich Gefangener. Sie sind ganz in demselben Grade kompromittirt wie er.

Geben Sie mir die Erlaubniß, Ihre Papiere einer Durchsicht zu unterwerfen?"

"Ew. Hoheit befehlen, und ich gehorche, protestire aber gegen jede Gewaltmaßregel, welche gegen den Vater oder mich angewandt worden ist oder noch angewandt werden könnte!"

"Ich pflege nur solche Maßregeln zu ergreifen, zu denen ich mich befugt oder genöthigt sehe."

"Dabei wäre wohl zu bedenken, daß der hohe Rang der Familie Raumburg in jeder, ich sage, in jeder Lage unbedingt zu berücksichtigen ist!"

"Ich stimme bei. Sowohl die bürgerliche Stellung als auch der Bildungsgrad und das genossene Vertrauen sind Faktoren, mit denen man ebenso zu rechnen hat, wie mit der Größe der Pflichten, welche eigentlich zu erfüllen waren. Wem viel gegeben ist, von dem wird auch viel gefordert, und der wird auch strenger bestraft, sobald er mit seinem Pfunde sündigte. Kommen Sie in Ihr Arbeitskabinet!"