Unterdessen hatte Max seine Depeschen geschrieben und sie aufgegeben. Dann schritt er der Schmiede zu. Die drei Gesellen standen bei der Arbeit; sie mußten fleißig sein, um den fehlenden Meister mit zu ersetzen.
"Was muß nur seit gestern los sein?" meinte Heinrich, der Artillerist, indem er ein mit der Zange gefaßtes Eisen in die Gluth schob und dann den Blasebalg in Bewegung setzte. "Halte den Schnapel!" antwortete Thomas. "Hape etwa ich oder der Paldrian darnach gefragt?"
"Na, man wird doch wohl fragen können, ob -"
"Still, alte Wißpegierde! Du hast gar nichts zu fragen op! Wir hapen Ordre zu pariren, den Pefehlen zu gehorchen und uns um weiter nichts zu pekümmern. Üprigens kommt da drüpen der junge Herr. Frage nur ihn selper, wenn Du apgedonnert werden willst!" Max trat ein.
"Habt Ihr sehr nothwendig?" frug er.
"Es gipt viel zu thun," antwortete der Obergeselle. "Aper wenn uns der Herr Doktor prauchen sollte, so sind wir sehr pereit."
"So legt die Arbeit weg und zieht Euch an. Ihr sollt mir helfen." "Was?"
"Einige Leute heimlich arretiren."
"Ah, wieder Spitzpupen! Gleich fertig, Herr Doktor!"
"Wer zuerst fertig ist, holt den Kutschwagen, mit dem der Meister heut gefahren ist. Er steht bei Eurer Barbara vor der Thür und wird schnell hierher gebracht. Übrigens muß Alles so geheim geschehen, daß kein Mensch eine Ahnung von dem hat, was wir thun." "Zu Pefehl, Herr Doktor!" Max besann sich.
"Halt, noch besser! Ich brauche nur Thomas. Ihr Andern arbeitet fort. Ich werde mehrere einzelne Herren bringen. Sobald sie die Werkstatt betreten haben, faßt und bindet Ihr sie und schafft sie in die Eisenkammer, wie damals den Helbig. Sie werden auf das Strengste bewacht, bis ich weiter über sie bestimme! Es versteht sich von selbst, daß Ihr dafür sorgt, daß jetzt Niemand, der uns stören könnte, die Schmiede betritt."
A Er ging in die Stube zur Mutter. Baldrian und Heinrich arbeiteten mit den Lehrjungen fort. Nach kaum zwei Minuten kam Thomas aus seiner Kammer herab.
"Freue mich wie ein Schneekönig auf dieses neue Apenteuer. Euch aper, Ihr Lehrpupen, sage ich, daß Ihr Euch wacker haltet und den Schnapel nicht aufthut, pis Ihr die Erlaubniß pekommt zu reden. Adio!"
Er stieg mit großen Schritten die Straße hinab zu seiner Barbara, die er aber nicht zu sehen bekam, weil er gar nicht eintrat, sondern das Sattelpferd wieder einsträngte, auf den Bock B stieg und zur Schmiede zurückkehrte. Max trat heraus und stieg ein.
"Wohin?" frug Thomas.
"Kriegsminister."
"Hm!" machte der Geselle.
Es mochte ihm doch etwas zu ungewöhnlich erscheinen, einen Kriegsminister in die Eisenkammer zu stecken. Er zog an, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Kurze Zeit nachher hielt er vor dem Hotel des Ministers, von dem Max wußte, daß er jetzt nicht im Ministerium beschäftigt, sondern zu Hause anzutreffen sei. Er ließ sich melden und wurde vorgelassen. Der hohe Beamte wußte C wie Jedermann, daß der König mit der Familie Brandauer in engem Verkehre stehe, und vermuthete in Folge dessen, daß die Anwesenheit des Schmiedesohnes mit einer nicht unwichtigen Angelegenheit in Verbindung stehe. Daher seine Bereitschaft ihn zu empfangen.
Als Max eintrat befand er sich ganz allein in seinem Gemache. "Sie sind der Herr Doktor Brandauer?" "Aufzuwarten, Excellenz." "Was bringen oder was wünschen Sie?" "Ich komme als Beauftragter Sr. Majestät." "Ah!"
D "Excellenz wissen vielleicht, daß Seine Majestät sich beinahe täglich in unserer Behausung befinden -"
"Allerdings."
"Majestät wünschen Sie gegenwärtig bei uns zu sehen."
"Bei Ihnen? Jetzt?"
"Ja."
"In welcher Angelegenheit?"
"Ob diese Angelegenheit den Kavalleriebeschlag oder Ähnliches betrifft, weiß ich nicht. Mir wurde nur bedeutet, zu Ihnen zu fahren, um Sie zu einer augenblicklichen Konferenz einzuladen." "Mich allein?"
A "Es werden noch einige sehr hoch gestellte Herren gegenwärtig sein." "Sonderbar. Eine Konferenz in der Schmiede! Dürfen Andere davon wissen?" "Majestät hat mich beauftragt, Ihnen die tiefste Verschwiegenheit zu empfehlen." "Sie haben selbst einen Wagen?" "Ja; er steht Excellenz zu Diensten." "Ich komme sofort. Warten Sie hier!"
Der Minister trat in das Nebengemach und kehrte bald in einem wenig auffälligen Anzuge zurück. Er folgte Max nach dem Wagen, und nachdem Beide denselben bestiegen hatten, fuhr Thomas im Trabe nach der Schmiede. Vor derselben angekommen, stieg er ab und öffnete den Schlag; dann trat er hinter Max und dem Minister in das Haus. "Wo befinden sich Majestät?" frug der letztere.
"Er wird pald kommen," antwortete Thomas. "Warten Sie nur noch ein Pischen!" Bei diesen Worten faßte er den Minister von hinten. Max griff mit den Gesellen ebenfalls zu; die Lehrjungen brachten die Stricke herbei, und ehe der Gefangene nur zum rechten Bewußtsein seiner so unerwarteten Lage gekommen war, lag er gebunden und geknebelt in der Eisenkammer, deren schwere Thür sich hinter ihm schloß.
Auf diese Weise währte es kaum eine Stunde, so hatte Max die in der Residenz wohnenden und auf der Liste angegebenen Verschworenen beisammen, ausgenommen den Hofprediger, zu dem er sich auch noch begab. Eben stieg er aus dem Wagen, als er seinen Vater daherkommen sah. Dieser beschleunigte seine Schritte und frug, als er mit ihm in den Flur trat:
"Wieweit bist Du?"
"Fertig, bis auf diesen Einen. Die Depeschen sind besorgt und die Männer gefangen. Und Du?"
"Ich habe bisher vergebens auf den König gewartet. Er wollte Prinz Raumburg gefangen nehmen; es wird ihm doch nicht ein Unglück passirt sein? Es ließ mir keine Ruhe; ich mußte Wallroth und Dich suchen."
"Wenn er noch nicht da ist, muß allerdings irgend eine Störung oder etwas Ähnliches zu Grunde liegen, und -"
Er wurde durch den Eintritt eines Mannes unterbrochen, welcher schnell an ihnen vorüber wollte. Er trug Raumburgische Livree. "Wo wollen Sie hin?" frug Max.
Der Mann besah sich den Frager, und da derselbe anständige Kleidung trug, würdigte er ihn einer Antwort:
"Zum Herrn Hofprediger."
"Was wünschen Sie bei demselben?"
"Gehören Sie zu ihm?" "Ich habe Alles Eingehende zu empfangen." "Hier ist ein Billet abzugeben." "Müssen Sie es eigenhändig überreichen?" "Das ist mir nicht ausdrücklich anbefohlen." "Von wem ist es?"
"Von Seiner Durchlaucht, General von Raumburg." "Ah; kommen Sie mit."
Sie nahmen den Diener mit in das Zimmer, in welchem sich der Major befand.
"Ein Billet des Prinzen Raumburg an den Hofprediger," meldete Max an Wallroth. "Ich werde es erbrechen."
Er las es und reichte es dann dem Major und dem Vater entgegen. Es enthielt folgende Zeilen:
"Wir sind verrathen, doch ist noch nichts verloren. Zwar hat der König auf unbegreifliche
Weise Alles erfahren, aber ich halte ihn in unserem Palais gefangen, eile jetzt zur Prinzessin,
um deren Person in Sicherheit zu bringen, und verlasse die Stadt. Lassen Sie gegen Abend
Ihre Leute los. Um Mitternacht werden die Süderländer die Grenze überschreiten, wie ich telegraphisch befohlen habe. Und meine weiteren Depeschen werden bis morgen den
Aufstand über das ganze Land verbreiten. R."
Max wandte sich an den Diener:
"Sie hatten mehrere Karten abzugeben?"
"Ja."
"An wen?"
"Sie sehen ein, daß ich dies verschweigen muß. Ich bin Diener. Warum lasen Sie dieses Billet, ehe es in die Hände des Herrn Hofpredigers gekommen ist?"
"Meine Anstellung gibt mir das Recht dazu. Sie hatten auch ein Billet an den Herrn Kriegsminister?" B "Allerdings."
Max nannte auch die Namen der Übrigen her, welche er gefangen genommen hatte, und erhielt dieselbe Antwort.
"Welche haben Sie bereits abgegeben?"
"Erst das Ihrige. Ich habe meinen Gang erst begonnen."
"Der Herr General befindet sich bei der Prinzessin von Süderland?"