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Zunächst versicherte sich Max daß er wirklich unbeobachtet sei; dann öffnete er die geheime Thür zu dem Gange und zog sie aus Vorsicht wieder hinter sich zu. Einige Stufen abwärts vernahm er ein Geräusch, als ob Jemand an einem eisernen Gegenstande arbeite. Er stieg hinab und tastete an den Fallschirm, von dessen Dasein er A bisher nichts gewußt hatte. Sofort hörte das Geräusch hinter demselben auf. "Majestät, sind Sie es?" "Ja. Wer ist da?" "Max Brandauer."

"Ah, Gott sei Dank! Ich hatte auf Dich gerechnet. Kannst Du mich befreien, aber ohne

Aufsehen?"

"ich hoffe es."

"Kennst Du diese beiden Eisenwände bereits?"

"Nein. Also zwei sind es?"

"Ja; eine vor mir und eine hinter mir."

"In welcher Entfernung von einander?"

"Zwölf Schritte ungefähr." "Aus welcher Richtung sind sie vorgeschoben?" "Von oben herabgefallen."

"Sie stehen jedenfalls mit einem Mechanismus in Verbindung. Welche fiel zuerst nieder?" "Die nach dem Garten zu war schon nieder, als ich den Gang betrat. Ich ließ den Prinzen vor mir gehen; er faßte mich aber plötzlich, warf mich die Stufen hinab und sprang in die Bibliothek zurück. Noch ehe ich mich aufraffen und ihm folgen konnte fiel die andere herab, und ich war eingeschlossen."

"Jedenfalls hat er die erstere herabgelassen, noch ehe der Gang betreten wurde. Haben Sie nichts bemerkt, Majestät? Um den Gang zu öffnen, brauchte er nur ein Büchergestell abzurücken. Hat er noch eine andere Bewegung vorgenommen, einen anderen Griff gethan?" "Ja. Links an diesem Gestell, welches sich nachher bewegte, zog er ein Buch aus dem Fache und drückte an einem Knopfe, worauf ein Rasseln zu hören war."

"Ganz so, wie ich vermuthe. Dies war vor dem Eintritte in den Gang, den er dadurch nach außen hin abgeschlossen hat. Dann hat er Ihnen jedenfalls durch einen zweiten Knopf den Weg nach rückwärts abgeschnitten. Bitte, verhalten Sie sich ruhig. Ich werde nachsehen." "Wie kommst Du hierher? Du mußt Dich doch jedenfalls allein in der Bibliothek befinden?" "Allerdings. Ich habe den Prinzen gefangen genommen." "Ah! Tüchtiger Kerl! Weiter!"

"Ich stellte Prinzeß Asta Ihre Lage vor, Majestät. Sie stimmte bei mir zu helfen. Während ich versuche, diese Wände zu beseitigen, hält sie den Haushofmeister im Salon zurück. Doch haben wir jetzt keine Zeit zu verlieren, es kann jeden Augenblick ein Diener in die Bibliothek treten."

Er kehrte in die letztere zurück und nahm seine Untersuchung vor. Bald war links von der Thür ein Knopf und rechts in gleicher Entfernung von derselben ein zweiter gefunden, doch konnten beide nicht bewegt werden. Er suchte in derselben Linie nach oben und unten und fand endlich tief am Boden hinter den Büchern zwei gleiche Knöpfe, welche auf sein Drücken nachgaben. Ein zweimaliges unterirdisches Rasseln war die Folge.

Schnell brachte er die Bücher wieder an ihre Stelle und öffnete die Thür. Hinter derselben stand bereits der König.

"Frei!" jubelte er mit unterdrückter Stimme. "Die Wände sind emporgestiegen."

"Sehr gut. So brauche ich meine Werkzeuge nicht anzuwenden, die uns durch das dabei unvermeidliche Geräusch leicht verrathen konnten."

"Was aber nun? Wie komme ich hinaus?"

"Majestät können ja unbemerkt den Palast betreten haben und den Herzog sprechen wollen." "Dies möchte ich denn doch nicht thun. Jedenfalls ist die Dienerschaft in der Meinung, daß ich dieses Haus vorhin unbemerkt verlassen habe. Sollte ich es jetzt wieder betreten haben, ohne bemerkt worden zu sein, so könnte dies auffallen, und wir haben bis morgen Abend alles dergleichen zu vermeiden."

"So gibt es nur den Weg durch das Treppenfenster. Blicken Sie hinab in den Garten, Majestät. Es befindet sich kein Mensch in demselben, und auch die Passage zwischen der Mauer und dem Flusse ist ziemlich leer. Durch die hintere Pforte werden Sie leicht den Garten verlassen können." "Ist sie offen?"

"Ich weiß es nicht. Für alle Fälle haben Sie hier dieses Kofferchen. Es enthält einen Meißel und einen Dietrich."

"Komme ich gut durch das Fenster?"

"Es ist breit genug. Nur bitte ich es wieder einzusetzen, damit die geheime Passage von keinem Unberufenen bemerkt wird." "Und nachher?" "Sie passiren an dem Palais vorüber. Ich werde in den B Salon zurückkehren und Sie bemerken. Wir verlassen sofort das Haus und holen Sie schnell ein. Die Equipage der Prinzessin steht Ihnen dann zur Verfügung." "Gut. Also vorwärts!"

Er trat in den Gang zurück, welchen Max verschloß. Der letztere nahm sich darauf einige

Bücher aus den Regalen und kehrte damit mit unbefangener Miene in den Salon zurück, an dessen Fenster er leicht Platz nehmen konnte, weil die Prinzessin seine Absicht errieth und den Haushofmeister mit lebhafter Unterhaltung vollständig beschäftigte.

Nach einiger Zeit schritt der König langsam vorüber, hart am Ufer des Wassers und das

Gesicht dem Flusse zugekehrt, damit er nicht erkannt werde, wenn je das Auge eines

Bewohners des Palais auf ihn falle. Max ergriff die Bücher und näherte sich Asta. Sie verstand ihn und erhob sich.

"Nun, Sie haben ausgewählt?"

"Dieselben, welche Sie befahlen, Hoheit."

"Geben Sie dem Herrn Hofmeister die Nummern, damit er sie sich aufzeichnen kann." "O bitte, Hoheit, das ist nicht nöthig," meinte der Genannte. "Ich bin ja glücklich Ihnen an Stelle Seiner Durchlaucht dienen zu können."

Er geleitete Beide bis an den Wagenschlag. Eine Strecke weit aufwärts erreichten sie den König, welcher einstieg. Es wurde kein Wort gesprochen, bis man das Schloß erreichte. Hier ergriff der König zu ersten Male das Wort: "Bitte, königliche Hoheit, belieben Sie bei mir mit einzutreten!"

Sie antwortete durch eine zustimmende Verneigung. Max folgte ihnen. Im Vorzimmer erhob sich der süderländische Gesandte von dem Sitze, auf welchem er bereits seit einiger Zeit auf den Monarchen gewartet hatte.

"Sie wünschen zu mir, Herr Baron?" frug ihn der König. "Allerdings, Majestät." "Treten Sie mit ein."

Der König führte die Prinzessin nach einer Ottomane und wandte sich dann an den

Gesandten:

"Sprechen Sie!"

"Ich habe im Auftrag meines Monarchen dieses Couvert zu übergeben, Majestät." Der König nahm das einigermaßen große Volumen und öffnete es. Sein Gesicht nahm beim Lesen einen ganz eigenthümlichen Ausdruck an. Als er geendet hatte, blickte er dem Gesandten scharf entgegen.

"Der Inhalt dieses Königlichen Handschreibens ist Ihnen bekannt?" "Nein."

"Sie können dies bei Ihrer Ehre versichern?" "Bei meiner Ehre, Majestät."

"Darf ich fragen, mit welchen Bemerkungen Sie es für mich empfingen?"

"Es liegt bereits seit längerer Zeit bei mir. Ich hatte die Weisung, es Ew. Majestät erst nach besonderem Befehle zu überreichen. Dieser traf vor einer Stunde ein."

"Telegraphisch?"

"Ja."

"Haben Sie Ursache, den Wortlaut dieser Depesche als Geheimniß zu betrachten?"

"Nein. Das Telegramm befindet sich noch in meiner Tasche. Wenn Ew. Majestät befehlen - -"

"Ich bitte nur!"

"Hier!"

Er überreichte die Depesche. Sie enthielt nur folgende Weisung:

"Betreffendes Schriftstück sofort eigenhändig übergeben und abwarten, ob der König Urlaub ertheilt. Im Gegenfalle aber bleiben."

Es war der Miene und dem ganzen Verhalten des Gesandten anzusehen, daß er über die geheimen Evolutionen seines Königs sich in vollständiger Unwissenheit befand. Er erhielt in Folge dessen einen überaus gnädigen Bescheid.

"Ich danke Ihnen sehr, Herr Baron! Der Inhalt dieses Dokumentes ist ein solcher, daß ich mir die Frage erlaube, ob Ihnen in Beziehung auf dasselbe und überhaupt vielleicht gewisse Instruktionen ertheilt worden sind, welche eine Änderung unseres bisherigen Usus bezwecken könnten."

"Ich muß es verneinen."

"Ehrlich?" frug der König in halb scherzendem Tone. "Ehrlich!"

"So will ich Ihnen bemerken, daß ich mit der Art und Weise, A in welcher Sie die Interessen Ihres Landes bisher bei mir vertraten, recht sehr zufrieden bin. Ich wünsche, daß Sie noch lange Zeit auf Ihrem gegenwärtigen Posten bleiben, und werde dahin zu wirken suchen, daß auch von Seiten Ihres Königs Ihre Verdienste die richtige Anerkennung finden. Da ich in nächster Zeit Ihrer Gegenwart öfters und dringend bedarf, so wünsche ich sehr, daß Sie die Residenz nicht verlassen und mir mit dem ganzen Gesandtschaftspersonale stets zur Verfügung stehen. Adieu, Herr Baron!"