"Sie hat nur diesen einen, den ja auch Majestät kennen." "Major von Wallroth?" "Ja, den Sohn des Herzogs."
"Eigenthümliche Verhältnisse? Was würde die Meinung Deines Vaters sein?"
"Ich gebe mein Wort, daß er sich meiner Befürwortung mit voller Überzeugung anschließen würde."
"Also Waldenberg."
"Oberschenke, ganz derselbe Ort, wo die Schmuggler auf Zarbas Befehl den früheren
Irrenhausdirektor mit seinem Oberarzte gefangen nahmen. Auch die beiden treuen Männer,
welche die Rollen dieser zwei abgesetzten Beamten drüben so vortrefflich weiter zu spielen wußten, habe ich Ew. Majestät nur auf Rath der Zigeunerin vorgeschlagen."
"Wirklich? Du sprichst allerdings sehr warm für sie, und so sehe ich mich doch genöthigt,
ihren Wunsch zu erfüllen. Aber darf ich meine Militärs an die Seite von Schmugglern stellen?"
"Majestät, es brauchen die Soldaten nicht zu wissen, mit welchen Gefährten sie kämpfen. Es ist überhaupt noch nicht erwiesen, daß wir es wirklich mit Paschern zu thun haben. Hat sich nicht auch die spanische Regierung der Briganti und Kontrebandisti gegen Napoleon bedient? Und, verzeihen Majestät, wer macht den Mann zum Schmuggler?"
"Du willst sagen, das Gesetz oder die falsche wirthschaftliche Politik? Ein kühner Vorwurf, Max, der ganz mit der Ansicht Deines Vaters stimmt. Doch, ich zürne Dir nicht und bin ja bereits entschlossen, die Landesgrenzzölle fallen zu lassen."
"Ich bin wenigstens davon überzeugt, daß Major von Wallroth sich nicht schämen wird da zu kommandiren, wo Zarba thätig ist."
"Nun wohl. Ich werde meinen Privatsekretär schicken, ihn bei dem Hofprediger abzulösen. Wir können unsere Gefangenen nicht eher als bis es Nacht wird, in die Anstalten unterbringen. Die Artillerie soll noch heute Abend ausrücken und Waldenberg im Geschwindmarsch zu erreichen suchen. Dich aber kann ich nicht entbehren, denn wir haben eine solche Menge von komplizirten Vorkehrungen zu unserer Sicherheit zu treffen, daß mir Deine Arbeitskraft ganz unbedingt nothwendig ist." - -
Es war zu Tremona. Ein herrlicher Tag lag über Land und See ausgebreitet. Die Sonnenstrahlen brillirten über die Wogen hin und färbten die Fluth in goldenen, silbernen und purpurnen Tinten, aus denen, wenn ein Ruder in sie tauchte oder ein Fisch aus ihnen emporschnellte, schimmernde Diamanten, Rubinen und Perlen zu springen schienen. Und vom hohen Ufer herab winkte eine Vegetation, deren tiefes saftiges Grün das Auge erquickte, wenn es von der herrlichen Scenerie der See sich ermüdet und angegriffen fühlte. Droben im Garten von Schloß Sternburg gab es eine Laube, in der ein Menschenkind saß, welches die Schönheit der Umgebung genoß und den Balsam der würzigen Lüfte in vollen Zügen einathmete - Almah.
Neben ihr saß Mutter Horn, die Kastellanin, eine mächtige Klemmbrille auf der Nase und einen Strumpf zum Ausbessern in den Händen. Sie hatte zu ihrer großen Freude erfahren gelernt, daß sie sich dieser etwas gewöhnlichen aber doch so nothwendigen Arbeiten vor ihrer lieben süßen Türkin gar nicht zu schämen brauchte; im Gegentheile, die kleinen zarten Händchen derselben hatten ihr schon sehr oft bei solchen Dingen fleißig mitgeholfen, ein Umstand, der die Liebe der Kastellanin zu Almah noch gesteigert hätte, wenn eine solche Steigerung überhaupt möglich gewesen wäre.
Die beiden Frauen waren trotz des Naturgenusses in einer sehr lebhaften Unterhaltung begriffen.
"Und diese große Reise hat Ihnen also gar nicht geschadet?" frug Mutter Horn. "Nicht im Geringsten; ich fühle mich sogar ganz außerordentlich gekräftigt. Und, Mütterchen, sehen Sie denn nicht, daß ich schön geworden bin? Dieses braune Gesicht gegen die bleichen Wangen, welche ich vorher hatte, nicht wahr?"
"Ja, Kindchen, Sie sehen jetzt ungeheuer kräftig aus. Aber es gibt sehr viele Männer, welche bleiche Wangen mehr lieben als braune."
"So? Gibt es solche? Papa sagt, daß er braune Wangen gern habe, weil das ein Zeichen von
Gesundheit sei. Kranke Personen sollen ja niemals braune Wangen bekommen."
B "Aber bei Hofe ist braun eine gemiedene und bleich eine recht gesuchte Farbe."
"Ich bin ja gar nicht bei Hofe und will lieber braun als bleich aussehen. Denken Sie nur, wie das sonderbar schauen möchte, wenn unser Matrose bleiche Wangen hätte!"
"Unser Matrose? Wer?"
"Nun dieser Bill Willmers!"
"Ach ja, der ist ja "unser" Matrose! Und der hat sich wirklich so gut gehalten während der Reise?"
"Sehr gut. Und trotzdem habe ich ihn sehr oft und viel ausgezankt. Er sorgte nur für Papa und mich. Er hätte mir jedes Steinchen und Hölzchen unter den Füßen wegnehmen mögen, während er alle Anstrengungen trug und nur immer darauf sann, wie er uns das Reisen angenehm und leicht machen könne. Ich wünschte sehr, er wäre kein Matrose und kein Diener."
"Nicht? Was denn?"
"Ein - ein - ein Kapudan-Pascha oder ein General oder ein - ein - ja, ein Prinz!" "Ein Kapudan-Pascha, ein General oder ein Prinz! Und warum denn das, Kindchen?" "Weil - weil - ja, ich weiß es auch nicht genau; vielleicht weil er sich dann auch so schön bedienen lassen könnte, wie er uns jetzt bedient, und weil ich ihm so etwas von Herzen gönnen würde."
"Sie können ihn also wohl sehr gut leiden?"
"Ja, denn er ist im Übrigen gar nicht wie ein Matrose oder Diener. Wenn man ihm einen Befehl gibt, so sieht er grad so aus, als ob er diesen nicht aus Unterwürfigkeit, sondern aus Liebe und Herablassung ausführe. Übrigens befiehlt ihm nur Papa; ich bitte ihn stets, und wenn ich so freundlich spreche, so sieht er mich an mit ein paar Augen, mit denen ich mich von einem Andern gar nicht ansehen lassen würde." "Warum, Kindchen?"
"Weil - weil solche Augen nur Der haben darf, den man lieb hat."
"Ich denke, Sie können ihn gut leiden? Und das ist doch ganz dasselbe, als ob Sie ihn lieb haben!"
"Ja, das verstehe ich nicht, und darum wollte ich eben gern, daß er ein Kapudan-Pascha oder ein Prinz oder ein General wäre. Er hätte ganz gewiß das Geschick dazu, das können Sie mir glauben. Ich habe es gesehen, als wir da droben in den Bergen von den Schmugglern angefallen wurden."
"Angefallen sind Sie worden? Und gar noch von Schmugglern? Herrjesses, Kind, das ist ja ganz fürchterlich gefährlich!"
"Allerdings. Sie dachten, wir wären Süderländer, und verlangten uns Alles ab, was wir bei uns hatten. Aber da kamen sie bei Papa und dem Willmers an die Unrechten. Die sprangen mitten unter sie hinein und schlugen gar gewaltig um sich. Ich schrie laut vor Angst, denn ich sah,
daß wir dennoch besiegt werden würden. Da rief der Willmers:
"Seid Ihr Norländer oder Süderländer?"
"Warum?" frug der Anführer.
"Antwortet nur!"
Das klang so streng und befehlshaberisch, daß der Mann sofort sagte: "Norländer."
Da sagte Willmers nur ein einziges Wort, und sofort ließen sie von uns ab.
"Welches Wort?"
"Einen Namen, nämlich Zarba."
"Wunderbar! Zarba hieß doch die Zigeunerin, deren Mutter damals der Herzog von Raumburg ermordete, wie ich Ihnen und dem Herrn Pascha erzählt habe!" "Allerdings. Ich weiß auch nicht, wie das zusammenhängt. Ich habe Papa darüber gefragt, aber er konnte mir auch keine Auskunft geben. Aber sehen Sie den Dampfer, der jetzt in den Hafen läuft?"