"Dort? Ja. Es sind gar viele Passagiere an Bord." "Vielleicht ist Ihr Prinz, der Fregattenkapitän dabei." "Möchten Sie ihn sehen, Kind?"
"Ja, weil ich so sehr viel von ihm gehört habe. Er soll doch der beste und tapferste Seeoffizier in der ganzen norländischen Marine sein, wie mir Papa sagte."
"Ja, das ist wahr. Und unser alter Herr, sein Vater, ist der beste und tapferste Landoffizier von Norland. Sehen Sie, jetzt hat der Dampfer angelegt, und die Passagiere steigen aus." "Es sind sehr viele, lauter Herren; das Schiff scheint sehr weit herzukommen. Sehen Sie den einen Herrn mit grauem Haar? Der muß sehr vornehm sein, denn er hat mehrere Diener bei sich."
A "Der? Ja, meine alten Augen sind nicht so scharf wie die Ihrigen. Ich sehe zwar - was? Herrjesses, Kindchen, das ist ja - das ist mein gnädiger Herr!" "Der alte oder der junge?"
"Der alte natürlich, denn der junge wird doch nicht schon einen solchen grauen Kopf haben.
Kindchen, Herzchen, ist das eine Freude! Ich muß fort, sogleich hinein in das Haus und dafür sorgen, daß er empfangen wird. Kommen Sie!"
"Ich, o nein!"
"Nicht? Warum nicht?"
"Empfangen Sie ihn nur einstweilen. Er ist ein so vornehmer Herr, und da fürchte ich mich. Er hat mich bereits in Konstantinopel einmal gesehen und mich dabei mit Augen angeblickt, so groß, wie ich noch gar keine gesehen habe."
"So bleiben Sie hier oben oder gehen Sie heimlich in das Haus. Ich eile, ich fliege davon!" Die alte treue Kastellanin sprang förmlich über die Kieswege dahin. Bill Willmers war der Erste, dem sie begegnete.
"Durchl - wollte sagen - o, wissen Sie, wer soeben mit dem Schiffe angekommen ist?" "Nun?"
"Seine Durchlaucht, der gnädige Herr Papa." "Ah, wirklich?"
"Ja; er wird sogleich den Berg heraufkommen. Wir müssen ihn mit lautem Jubel empfangen." "Halt, das unterbleibt!" "Was? Warum?"
"Ich habe meine Gründe. Sie sagen blos Ihrem Manne, daß der Vater kommt, und verhalten sich im Übrigen ganz still. Ich werde ihm entgegen gehen."
Er trat zur kleinen Pforte und bemerkte den Fürsten, welcher den Fußpfad eingeschlagen hatte und also gerade auf ihn zukam. Auch dieser erblickte ihn und machte eine freudige Bewegung des Erkennens. Arthur aber legte die Hand an den Mund. Der Fürst verstand ihn sofort und legte die übrige Strecke des Weges in ruhiger Haltung zurück, obgleich er den Grund nicht errieth, B wegen dessen er beim Wiedersehen seines Sohnes sich Zwang auferlegen sollte.
Arthur empfing ihn mit einer kalten höflichen Verneigung.
"Zu wem wünscht der Herr?"
"Zum Prinzen von Sternburg."
"Der ist verreist."
"Ah! Wer sind Sie?"
"Ich heiße Bill Willmers, bin eigentlich Matrose und jetzt der Diener von Nurwan-Pascha, welcher gegenwärtig auf Schloß Sternburg zugegen ist."
"So!" lächelte mit Verständniß der alte Fürst. "Da weiß ich also schon, wen ich vor mir habe. Nun rathen Sie, wer ich bin!" "Weiß es nicht."
"Ich bin der Besitzer dieses Schlosses." "Wirklich? Durchlaucht von Sternburg, Excellenz?" "Ja."
"Dann Verzeihung! Ich hatte nicht die ausgezeichnete Ehre, Sie zu kennen. Das sind die
Diener des gnädigen Herrn?"
"Allerdings."
Hinter dem Fürsten standen drei Livreemänner, welche er erst in der Fremde engagirt hatte.
Sie kannten also Arthur nicht, und ihretwegen hatte dieser dem Empfange seines Vaters einen so fremden Anstrich gegeben.
"Sie tragen die Effekten Ew. Durchlaucht?"
"Ja."
"Gestatten Sie mir ein Arrangement!"
Er trat zu dem vordersten der Domestiken und erhob die Hand, um hinab nach dem Hafen zu zeigen.
"Sehen Sie dort die kleine Yacht, welche neben dem dicken Holländer liegt?" "Ja."
"Sie kehren sofort um und tragen diese Sachen an Bord der Yacht. Man wird Sie fragen, und Sie antworten, der Kapudan-Pascha habe es so befohlen. Der Arab-el-Bahr solle den Kessel heizen und sich die Papiere zum Auslaufen einhändigen lassen. Die Yacht wird heute zu jeder Minute segelfertig gehalten, und Sie bleiben dort und kleiden sich in Civil. Niemand darf wissen, daß Durchlaucht angekommen ist." A Die Diener blickten ihren Herrn fragend an. Dieser nickte ihnen zu.
"Thut dies, und verlaßt die Yacht nicht eher, als bis ich es Euch befehle!" Sie gingen zurück, und jetzt waren Vater und Sohn allein. "Warum diesen Empfang, Arthur?"
"Nicht hier. Komme herein, Vater. Der Pascha schreibt und wird Dich noch nicht bemerkt haben. Außer unter vier Augen behandelst Du mich als Domestiken."
"Wo wohnt Nurwan?"
"In Deinen Räumen."
"Und Almah?"
"Du kennst sie?"
"Ja," lächelte er. "Ich sah sie in Konstantinopel und erkannte in ihr das Original jenes Porträts, welches Dir so werth zu sein scheint. Ist sie es?" Arthur war erröthet.
"Sie ist es. Sie bewohnt die Thurmzimmer." "Und Du?"
"Die Stube neben der Küche."
"So nehme ich diejenigen des Fregattenkapitäns Sternberg. Du aber begleitest mich vorher nach Deiner Stube."
Sie gingen in schnellem Schritte über den Garten und Hof. Unter der Küchenthür stand der
Kastellan mit seiner Frau.
"Still!" gebot Arthur. "Wo sind die Lohndiener?"
"Oben."
"Sie dürfen nicht wissen, daß Vater angekommen ist!" "Fräulein Almah weiß es bereits." "Wo ist sie?"
"Im Garten. Wir sahen den gnädigen Herrn kommen, und ich sagte ihr wer Sie sind, Excellenz."
"Sie eilen sofort zu ihr und sagen, daß Sie sich geirrt haben; der Herr, welcher gekommen ist, war ein Fremder, der sich in dem Hause geirrt hat und mit seinen Dienern bereits wieder zurückgekehrt ist. Sie wird die Diener bereits gesehen haben; ich habe sie zurückgeschickt; der Herr selbst hat nicht den Bergpfad, sondern die Straße benützt." "Ich gehe sofort."
"So darf also auch der Kapudan-Pascha nicht wissen, daß der gnädige Herr angekommen sind?" frug der Kastellan.
"Jetzt noch nicht. Komm, Vater!"
Er trat mit ihm in die Stube, welche er als Bedienter sich hatte anweisen lassen. Hier erst umarmte und küßte er ihn herzlich.
"Willkommen, mein lieber bester Papa! Du wirst Dich allerdings sehr wundern, daß -" "Natürlich, mein Junge. Es müssen sehr eigenthümliche Umstände sein, die Dich veranlassen, die Rolle eines Bedienten zu spielen und mich in so geheimnißvoller Weise zu empfangen." "Freilich, Papa!"
Er erzählte ihm sein erstes Zusammentreffen mit dem Kapudan-Pascha und nahm dann ein Papier aus der Tasche.
"Lies einmal diese Depesche, welche ich heut erhielt!"
Der Fürst las:
"Sofort nach hier abreisen; auch Deinem Vater dasselbe telegraphiren; sein Aufenthalt mir unbekannt. Vorsicht! Sollt Beide noch heut von Süderland gefangen werden.
Max."
"Ah! Welcher Max ist dies?" "Brandauer."
"So ist dieses Telegramm jedenfalls im Auftrage von dem Könige aufgegeben worden. Aber welche Unvorsichtigkeit! Der Telegraphenbeamte, welcher es expedirte, hatte als Süderländer wohl die Pflicht, es zurückzuhalten und Anzeige darüber zu erstatten." Arthur lächelte.
"Wir haben Ähnliches vorausgesehen und unsere Vorkehrungen getroffen. Einer der Beamten ist uns ergeben. Max hat vorher angefragt, ob er am Apparate sitzt. Und ebenso ergeben ist auch derjenige Telegraphist, bei welchem die Depesche aufgegeben worden ist."
"Also man will uns fangen. Weshalb und wie? Man hat doch kein Recht zu einer solchen
Maßregel."
"Du hast meine Mittheilungen über die Politik des Herzogs von Raumburg erhalten?" "Natürlich."
"Er muß zum Losschlagen bereit sein. Der König hat wohl in einem solchen Falle die
Absicht, Dir den Oberbefehl über das Landheer zu geben, während ich bei der Marine ein