"Nicht blos über diesen Punkt, Excellenz. Es fragt sich nur, ob Sie es für Ihre Pflicht halten müssen, hierbei thätig zu sein."
"Nicht im mindesten. Zwar darf ich in direkter Weise nichts thun, was den Interessen, welche ich von dieser Stunde an vertrete, nachtheilig werden könnte, aber selbst wenn mich Ihre ausgedehnte Gastfreundschaft nicht zum lebhaftesten Dank verpflichtete, hätte ich keine
Veranlassung, den Polizisten, den Häscher zu machen."
"Ich danke Ihnen."
"Was werden Sie thun?"
"Sofort abreisen."
"Mit welcher Gelegenheit?"
"Mit einer sicheren, die ich aber nicht nennen darf, da ich Ihr Pflichtgefühl zu berücksichtigen habe."
"Ist sie wirklich sicher?" "Ja."
"Ich würde Ihnen meine Yacht zur Verfügung stellen, allein ich muß Ihnen sagen, daß ich soeben den Oberbefehl über die süderländische Seemacht überkommen habe, eine Mittheilung, welche Sie zwar nicht überraschen aber lebhaft interessiren wird, und da muß ich leider - - -"
"Ich begreife dies vollständig, Excellenz. Sie werden bereits in einer Viertelstunde wissen,
welcher Gelegenheit ich mich bediene, und dann selbst sagen, daß sie sehr sicher ist."
"Und Ihr Sohn, der Herr Kapitän? Man sucht auch ihn."
"Er hat Alles geahnt und befindet sich bereits so ziemlich in Sicherheit."
"So wird er gar nicht nach hier kommen?"
"Wohl nicht. Übrigens bitte ich herzlich, Schloß Sternburg als das Ihrige zu betrachten, so lange es Ihnen gefällig ist." "So wollen wir scheiden!"
Sie reichten einander die Hände, und als der Pascha dem Freunde noch einmal alle nöthige Vorsicht angerathen hatte, verließ er das Gemach. Kurz nachher trat die Kastellanin ein. "Es ist eingepackt, gnädiger Herr!"
"Gut. Hören Sie, Mutter Horn, weder der Pascha noch seine Tochter dürfen wissen, wer ich bin. Ich bleibe für sie Bill Willmers. Das Übrige wird Ihnen Vater anbefehlen für die Zeit, die wir hier abwesend sind. Ist der Koffer fort?" "Ja."
"So werde ich gehen. Ich steige den Fußpfad hinab, während Vater einen anderen Weg einschlägt, da es für eine Person leichter ist, unbemerkt zu bleiben als Zweien. Adieu, Mutter Horn!"
Die gute Frau zog die Schürze an die Augen.
"Herrjesses, ist das ein Elend. Ich vergehe vor Kummer, und mein Mann weiß auch nicht, wo ihm der Kopf steht. Und endlich, was wird Fräulein Almah sagen, die so sehr große Stücke auf Sie hält!" "Wirklich?"
"Ja wohl! Erst vorhin hat sie gemeint, sie wünsche, daß Sie ein Kapudan-Pascha, ein General oder ein Prinz wären." "Ach? Warum?"
"Nun, dann - - dann könnte sie ja Ihre Frau werden," platzte sie in ihrer Betrübniß weinend heraus.
"Hat sie das so gesagt?"
"Nein, das nicht. Sie gab ein paar andere Gründe an, aber ich merke doch, wie es steht. Ach, mein lieber gnädiger junger Herr, das wäre eine Frau Prinzessin, wie es keine zweite wieder gibt!"
"Möglich! Also adieu!"
Sie lehnte sich an die Wand und weinte; er ging und nahm auch von dem Kastellan Abschied. Dann verließ er das Schloß, das Gebäude wenigstens, denn als er in den Garten trat und sich durch einen Blick überzeugt hatte, daß die Lohndiener mit dem Koffer bereits mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten, wandte er sich rechts nach der Gegend, in welcher die Laube stand, die Almah sich als ihren Lieblingsplatz erwählt hatte, wie er recht wohl wußte. A Sie saß noch in derselben und sah ihn kommen. "Bill, suchen Sie mich?" "Ja."
"Papa läßt mich wohl suchen?"
"Nein; nur ich bin es, der Sie sucht. Ich wollte Ihnen Lebewohl sagen."
"Lebewohl? Sie wollen gehen?"
"Ja."
"Fort?"
"Ja."
"Ganz fort?" "Ja."
"Nicht möglich! Warum wollen Sie gehen? Hat Vater es Ihnen geboten?"
"Nein," antwortete er, entzückt über die sichtliche Aufregung, in welche sie von seinen
Worten gebracht wurde.
"Hat Vater Sie beleidigt?"
"Nein."
"Oder ich?"
"Auch nicht."
"Aber warum denn? So sprechen Sie doch!"
"Ich bin ein Seemann und diene dem Könige von Norland, dem ich meinen Eid geleistet habe. Der Herr Pascha dient dem Könige von Süderland, der unser Feind ist. Ich muß gehen." "Das ist allerdings ein Grund. Aber warum so plötzlich?"
"Das werden Sie von dem Herrn Pascha erfahren. Doch gehe ich nicht für immer." "So wollen Sie also wiederkommen?"
"Ja, wenn wir uns nicht vorher treffen." Er trat näher an sie heran. "Leben Sie wohl!"
Er streckte ihr seine Hand entgegen, und sie zögerte nicht einen Augenblick, ihr Händchen hineinzulegen.
"Leben Sie wohl, Bill. Ich danke Ihnen für Alles, was Sie mir und Papa Liebes und Treues erwiesen haben. Ich wollte Sie hätten immer bei uns sein können!"
Ihre Stimme klang gar nicht so, wie sie bei dem Abschiede von einem Diener hätte klingen sollen. Seine Augen glänzten feucht.
"Ich gehe in den Kampf, Fräulein. Sie werden wohl von dem Herrn Pascha Einiges gehört haben, um zu wissen, was bevorsteht. Wenn ich falle, so sterbe ich, indem ich an Schloß Sternburg denke und an den Stern, der über demselben aufgegangen ist. Falle ich aber nicht, so sehen wir uns wieder, und ich wage es, Ihnen einen Mann zuzuführen, der sich Jahre lang vergebens sehnte, Ihr Angesicht noch einmal so nahe zu sehen wie in jener Nacht am Nile." Sie war während des letzten Theiles seiner Rede erglüht, jetzt erhob sie schnell die Augen. "Am Nile? Ah! Wen meinen Sie?"
"Jenen Mann, dem die Seligkeit beschieden war, Sie aus den Fluthen an das Land zu tragen." "Ihn? O, ist es möglich? Sie kennen ihn?"
Sie reichte ihm auch das andere Händchen entgegen. Er drückte beide an seine Lippen. "Ja." "Wer ist es? Wie heißt er?" "Sternburg."
"Sternburg? In wiefern? Was für ein Sternburg ist er?"
"Arthur von Sternburg, Fregattenkapitän, Sohn des Fürsten Viktor von Sternburg, dem dieses Schloß gehört." "Nicht möglich!" "Doch!"
"Woher wissen Sie es?"
"Ich befand mich damals bei ihm und werde auch jetzt zu ihm gehen. Leben Sie wohl!" Noch ehe Sie ihn halten konnte, war er fort. Die Nachricht hatte sie übrigens in der Weise überrascht, daß sie gar nicht daran dachte, ihn zu rufen. Sie sank auf ihren Sessel zurück und überließ sich den Gefühlen, welche diese unerwartete Nachricht in ihr wachgerufen hatte, bis sie durch nahende Schritte aus ihrem Nachdenken gerissen wurde. Es war die Kastellanin, welche kam.
"Kommen Sie schnell, sehr schnell herbei, Mutter Horn! Ich habe Ihnen etwas höchst Wichtiges mitzutheilen." "Was denn, mein Kind?"
Sie bemerkte gar nicht, daß die Augen der Kastellanin noch die Spuren vergossener Thränen zeigten, und antwortete mit der allergrößten Lebhaftigkeit: "Ich weiß nun, wer es war!" "Wer denn?"
B "Der - - oh, Mutter Horn, ich habe eine Nachricht erhalten, eine so freudige Nachricht erhalten, daß ich mich gar nicht zu fassen vermag." "Darf ich sie auch hören?"
"Das versteht sich. Rathen Sie einmal, wen ich entdeckt habe!"
"Kind, das rathe ich nicht."
"Nun, Einen, den Sie auch kennen."
Die Kastellanin erschrak auf das Lebhafteste.
"Doch nicht etwa den Bill Willmers!"
"O nein, den brauche ich ja gar nicht zu entdecken."
"Nun, wen denn?"
"Den Mann, der mich damals aus dem Nile gezogen und mir das Leben gerettet hat. Wissen
Sie, ich habe Ihnen doch bereits diese Geschichte erzählt."
"Ja ja. Den haben Sie entdeckt? O, das ist ja wunderschön! Wer ist es denn?"
"So rathen Sie doch nur!"
"Es gibt auf der Erde viele Millionen Menschen. Wie kann ich also gerade den treffen, der es gewesen ist!"
"Allerdings, aber es ist ein Bekannter von Ihnen." "Von mir?"
"Ja, ein sehr, sehr naher Bekannter."
"Etwa gar mein Mann? Aber der hat mir ja niemals erzählt, daß er am Nil gewesen ist!" "Nein, der nicht. Aber beinahe ebenso nahe."