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"Hm, ich treffe es nicht. Was ist er denn? Wenn ich das weiß, so errathe ich es vielleicht."

"Er ist Seemann."

"Seemann? Was für einer?"

"Norländischer."

"Matrose oder Offizier?"

"Kapitän."

"Kapitän? Vielleicht gar Fregattenkapitän?" "Freilich!"

Da schlug die Kastellanin verwundert die Hände zusammen.

"Am Ende gar mein lieber junger Herr?"

"Ja dieser. Denken Sie sich, der, gerade der hat mir das Leben gerettet! Sein Vater ist ein Freund von Papa, und ich wohne hier in seinem Hause, ohne das Geringste davon nur zu wissen oder zu ahnen!" "Merkwürdig! Auch ich habe nichts gewußt."

"Das versteht sich ja ganz von selber. Wenn ich nichts weiß, konnten Sie ja erst recht nichts wissen."

"O nein, das versteht sich nicht von selber. Mein junger Herr pflegt mir Alles zu erzählen,

was ihm passirt, und er hätte mir wenigsten jetzt doch - - ach so, ich wollte Sie doch fragen,

Kindchen, von wem Sie es erfahren haben."

"Das müssen Sie auch errathen."

"Ich errathe es nicht."

"Von unserem Matrosen?"

"Bill Willmers."

"Ah, von dem? Sehen Sie, Kindchen, daß ich Recht hatte, als ich Ihnen damals sagte, daß Sie es von ihm am ersten erfahren könnten! Erinnern Sie sich noch?"

"Von Bill? Nein, Sie sagten doch, daß es von Arthur von Sternburg vielleicht zu erfahren sei." "Nun - ach ja!"

"Und denken Sie sich, dieser Bill ist damals bei dem Kapitän gewesen und hat Alles mit angesehen."

"Das glaube ich."

"Sie glauben es? Warum?"

"Nun - - er hat es Ihnen gesagt."

"Ach, so meinen Sie! Aber weiter konnte ich nicht das Geringste mehr erfahren." "Warum?"

"Weil er fort ist. Wissen Sie es bereits?"

"Ja. Aber Sie konnten ihn doch vorher ausfragen!"

"Er ging so schnell fort, daß ich ihn gar nicht fragen konnte. Aber er kommt wieder wenn er nicht fällt, er hat es mir versprochen."

"Wenn er nicht fällt? Wo sollte er denn fallen?"

"Im Kampfe."

"Im Kampfe? Herrjesses, soll es denn Kampf geben?"

"Freilich, aber das ist noch Geheimniß, und Sie dürfen es bei Leibe nicht verrathen." "O, ich verrathe nichts. Und da soll Bill Willmers mitkämpfen." "Ja. Und Ihr Herr Kapitän auch. Er geht zu ihm."

A "Herrjesses, ist das eine Noth, ein Jammer, eine Sorge, ein Kummer und ein Elend!" "Allerdings. Aber sehen Sie doch schnell einmal da hinunter nach unserer Yacht. Ich glaube gar, man hat den Anker gewunden." "Ja, das sieht gerade so aus."

"Was muß denn der Arab-el-Bahr vorhaben? ich weiß doch nichts davon, daß ihm Vater befohlen hätte in See zu stechen."

"Wer ist denn der Mann, der da hinten steht?"

B "Auf dem Quarterdecke? Das ist, ja wirklich, das ist Bill Willmers! Man sieht es an seinen Bewegungen, daß er kommandirt. Aber er ist ja bloßer Matrose!" "Kann ein Matrose keine Yacht kommandiren?" "Nein, und die unsrige erst recht nicht."

"O, der wird es schon fertig bringen. Ich wußte, daß er nach der Yacht gegangen ist, denn er ließ seine Sachen hinunterschaffen."

C "Hat es Papa ihm denn befohlen?"

"Nein, der weiß ja noch gar nicht, daß Bill fortgeht." "Nicht? Dann muß ich sehr schnell laufen, um es ihm zu sagen. Er wird noch gar nicht bemerkt haben, daß die Yacht in See gehen will. Kommen Sie, Mama Horn. Das ist ja ein ganz unerklärliches Ereigniß, welches ich ihm schleunigst mittheilen muß!"

Sechzehntes Kapitel. Kampf und Sieg.

Einige Tage vor den letzt erzählten Ereignissen breitete ein stürmischer regnerischer Abend seine dunklen Schwingen über die Residenz von Süderland aus. Der Schein der Straßenlaternen vermochte kaum die Fluth der herabströmenden Tropfen zu durchdringen, und wer nicht durch Noth oder Pflicht gezwungen war A die Straße zu betreten, der blieb sicherlich daheim in seiner geschützten Wohnung.

Dennoch gab es einen der äußeren Stadttheile, in welchem ein aufmerksamer Beobachter verschiedene Gestalten bemerkt hätte, die hier und da schnell über das falbe Laternenlicht zu huschen versuchten. Wer ihnen gefolgt wäre, der hätte jedenfalls bemerkt, daß sie alle nach einem und demselben Ziele steuerten, nämlich einem in schönen Tagen sehr viel besuchten Vergnügungsorte, welcher, ungefähr eine halbe Stunde von der Residenz entfernt, in beinahe ländlicher Einsamkeit zwischen den Anfängen eines Laubwaldes verborgen lag. Hatten sich diese Leute nur wegen des niederströmenden Regens so sorgfältig verhüllt, oder gab es noch einen andern Grund der sie veranlaßte, sich und ihre Gesichter so wenig wie möglich bemerken zu lassen? Kam es je vor, daß einer in schnellerem Schritte den andern überholte, so geschah dies ohne Wort und Gruß, trotzdem sie sichtlich einen und denselben Zweck verfolgten, welcher auch vornehme Personen herbeizuziehen schien, denn es rollten auch öfters Kutschwagen und sogar feine Equipagen die Straße entlang, und es war sonderbar, daß dieselben nicht ganz bis zum bereits angegebenen Ziele fuhren, sondern immer in einiger Entfernung von demselben halten blieben, bis die Insassen ausgestiegen waren und dann in schnellem Tempo wieder zurückkehrten.

Unter all den einzelnen Fußgängern hätte man nur ein einziges Mal Zwei bemerken können, welche sich beständig neben einander hielten. Der eine von ihnen war hoch und breitschultrig gebaut; der andere war von kleiner schmächtiger Figur. Wäre es Tag oder heller gewesen, so hätte man noch Folgendes bemerken können:

Der von einem dichten Haarwuchse bewaldete Kopf des Großen zeigte ein vom Wetter hart mitgenommenes Gesicht, dessen scharfes und offenes Auge mit den derben gutmüthigen Zügen sehr glücklich harmonirte. Dieser Kopf war bedeckt von einem Hute, der so alt war, daß man den Stoff, aus welchem man ihn gefertigt hatte, und die ursprüngliche Farbe nur nach einer eingehenden chemischen Untersuchung hätte bestimmen können. Er war in unzählige Knillen und Falten gedrückt, und weil sein Besitzer jedenfalls eine freie Stirn liebte, so hatte er denjenigen Theil der breiten Krämpe, welcher bestimmt ist das Gesicht zu beschatten, sehr einfach mit dem Messer abgeschnitten. Der Oberleib stak in einem kurzen, weiten, seegrünen Rocke, dessen Ärmel so kurz waren, daß man den vorderen Theil der sauber gewaschenen Hemdärmel sah, aus denen ein paar braune riesige Hände hervorblickten, die einem vorsündfluthlichen Riesengeschöpfe anzugehören schienen. Unter dem breit über den Rock geschlagenen sauberen Hemdkragen blickte ein roth und weiß gestreiftes Halstuch hervor, dessen Zipfel weit über die Brust herab bis auf den Saum der blau und orange karirten Weste hingen. Die Beine staken in hochgelben Nankinghosen, welche in fett getheerten Seemannsstiefeln verliefen, in die zur Noth ein zweijähriger Elephant hätte steigen können. Sein Gang schlug herüber und hinüber, von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord wieder nach Backbord, gerade wie bei einem lang befahrenen Matrosen, der während der Dauer von vielen Jahren den festen sichern Erdboden nicht unter den Füßen gehabt hat. Das große Frauentuch, in welches er des Regens wegen seinen Oberkörper jetzt geschlagen hatte, hätte am Tage sicher gerechtes Aufsehen erregt, denn es zeigte alle möglichen Blumen und Arabesken, die in den hellsten und schreiendsten Farben des Regenbogens erglänzten.

Der Andere trug eine rothe phrygische Mütze, unter welcher ein rabenschwarzes Haar in langen Locken hervorquoll. Sein hageres Gesicht war außerordentlich scharf geschnitten und zeigte jenen eigenthümlichen orientalischen Typus, welchen man in dieser Ausprägung nur bei den Zigeunern zu sehen pflegt. Sein schwarzes unruhiges Auge wanderte scharf und ruhelos von einem Gegenstande zum andern, und jeder Zollbreit des Mannes zeigte jene Beweglichkeit und Rastlosigkeit, die dem wandernden Volke der Gitani eigenthümlich ist. Seine Kleidung war einfach, bequem und nicht so auffallend in Form und Farbe wie diejenige seines gigantischen Reisegefährten, doch trug sein schwankender Gang ganz dieselben Spuren einer zurückgelegten längeren Seereise.