"Dieses pflichttreue Ehepaar wird festgenommen, auch der Herr Abb, ist mein Gefangener,
und Sie selbst können nichts Besseres thun, als sich meiner Führung anzuvertrauen."
"Und wohin werden Sie mich führen?"
"Zu dem Könige, der über Sie bestimmen wird."
"Sehr liebenswürdig und loyal! Und wenn ich mich nicht füge?"
"So haben Sie die Folgen zu tragen."
"Ich werde sie tragen!"
Mit einem schnellen Satze war er bei Max. Dieser wollte die Schußwaffe nicht gebrauchen. Auch der Abb, packte ihn, und der Schließer, welcher die ihm aufgezählte Summe in Gefahr sah, half den Beiden.
"Zurück, Ihr Spitzpupen!" klang es da hinter ihnen.
Thomas war mit den Soldaten eingetreten, faßte den Abb, und warf ihn zu Boden, daß es krachte. Der Herzog überblickte die Scene, riß sich von Max los und stürzte sich durch die Portiere. Max folgte ihm und sah, daß er die verborgene Thür aufriß und hinter derselben verschwand. Er selbst hatte nicht so schnell von dem Schließer loskommen können, um dies zu verhindern. Die Fallthür herabzulassen, wäre jetzt zu spät gewesen, darum sprang er in den dunklen Gang hinein, um den Fliehenden zu erreichen.
Als er an das Fenster kam und durch dasselbe sprang, sah er ihn zwischen den Bäumen verschwinden.
"Posten, aufgepaßt!" rief er.
"Halt, wer da!" klang es draußen.
"Brandauer!" ertönte die Antwort.
"Das ist Lüge. Haltet ihn!" gebot Max und eilte nach dem Punkte der Mauer, wo die Worte gesprochen worden waren.
Draußen stand einer der Soldaten; die andern kamen auch herbei.
"Wo ist er?" frug Max.
"Fort!"
"Sie sollen ihn doch halten?"
"Er sagte doch er wäre Sie!"
"Fort, ihm nach! Hundert Thaler wer ihn fängt!"
Im Nu waren die Gewehre zusammengestellt, und die Leute rannten davon. Max konnte ihnen unmöglich folgen, da seine Gegenwart droben nothwendig war. Der Hauptgefangene war ihm höchst wahrscheinlich entgangen, aber der Abb, hatte die Fäden der Verschwörung in seinen Händen, er mußte für alle Fälle unschädlich gemacht werden.
Als er in das Arbeitszimmer des Herzogs zurückkam, war der Obergeselle beschäftigt den Schließer zu binden.
"Alle Teufel, Herr Doktor, das ist ein kräftiger Vagapundus! Ich hape Mühe gehapt, ihn unter die Pandage zu pringen."
"Soll ich helfen?"
"Pin jetzt soepen fertig!"
Der Abb, und die Frau des Schließers waren von den beiden Soldaten in Schach gehalten worden. Durch den Lärm herbeigelockt, versuchte jetzt die Dienerschaft einzudringen, Max aber wies sie zurück. Er verschloß den geheimen Gang und ließ die Gefangenen auf dem gewöhnlichen Wege nach unten transportiren.
Dort fand er die beiden Thorposten im Gespräch mit einem Manne, in dessen Nähe eine Kutsche hielt.
"Der Herr Doktor Brandauer ist wirklich hier?" "Ja."
"Aber warum verweigern Sie mir mit ihm zu sprechen?" "Es darf Niemand passiren."
"So lassen Sie mich ihm melden. Ich bin - -"
"Was Sie sind ist ganz gleichgiltig. Es darf Niemand ein- und auspassiren." "Aber Sie sehen doch, daß man wenigstens auspassirt!"
Er zeigte nach dem Portale, unter welchem jetzt Thomas und die beiden Soldaten mit den Gefangenen erschienen. Hinter diesen trat Max hervor. "Ah, daist er!"
A Max erkannte ihn. Es war der Irrenarzt, der es für gerathen befunden hatte, zunächst nach dem Palaste des Herzogs zu fahren, um zu sehen, ob dieser vielleicht seinen Weg dorthin genommen habe. "Herr Doktor!" "Ah, Herr Doktor!"
So begrüßten sie sich, und Max fügte hinzu:
"Ich habe Ihre Depesche erhalten und danke Ihnen für die schleunige Benachrichtigung. Sie sehen, daß sie gefruchtet hat. Ich stelle Ihnen hiermit drei Ihrer Flüchtlinge wieder zur
Verfügung."
"Wirklich?"
"Wie Sie sehen!"
"Sie haben sie also wieder ergriffen! Aber der - - der Vierte?"
"Ist uns vielleicht einstweilen entkommen. Da, wir werden es sogleich erfahren."
Die Soldaten kehrten von ihrer Verfolgung zurück. Der Herzog war nicht zu sehen.
"Nun?"
"Zu Befehl, Herr Doktor, er war spurlos verschwunden," meldete Einer von ihnen. "Und da sagen die Schlingels noch "zu Pefehl!" raisonirte Thomas. "Zu Pefehl wars, daß sie ihn fangen und herpringen sollten. Aper das Volk hat weder Talent noch Geschick, noch Arme und Peine. Mir wäre er nicht davongelaufen."
Max war auch unzufrieden mit diesem Resultate, aber er maß sich selbst einen Theil der Schuld bei. Hätte er nicht mit dem Herzoge gesprochen, sondern diesen sofort festgenommen, so wäre es diesem unmöglich gewesen zu entkommen. Dennoch aber hatte er die Überzeugung, daß er nicht entkommen könne, und in diesem Sinne lautete auch seine Äußerung dem Arzte gegenüber.
"Herr Doktor, wir haben jetzt keine Zeit, auf nähere Details einzugehen. Lassen Sie morgen einen ausführlichen Bericht an Seine Majestät oder mich eingehen und nehmen Sie für jetzt die Gefangenen mit sich. Der Abb, kommt wieder in seine Nummer, und die Schließersleute detiniren Sie in eine sichere Zelle, bis Sie genaue Weisungen über sie erhalten." "Das werde ich thun. Aber ich befürchte, daß durch dieses von uns sehr unverschuldete Ereigniß Seine Majestät und auch Sie, Herr Doktor, über uns -"
"Beruhigen Sie sich," unterbrach ihn Max. "Ich bin überzeugt, daß Sie Ihre Pflicht streng und treu gethan haben. Das Vertrauen auf Sie und Ihren Herrn Kollegen ist bis jetzt in keiner Weise erschüttert worden." "Aber, ich bin allein, und diese Drei?" -
"Sind gefesselt. Überdies werde ich Ihnen diesen Mann mitgeben, der Ihnen helfen wird sie zu bewachen." Er deutete auf Thomas.
"Ja, ich werde sie pewachen, und peopachten, daß es ihnen nicht wieder peikommen soll davonzulaufen," antwortete dieser.
Die Gefangenen wurden in den Wagen des Arztes plazirt. Dieser selbst nahm mit dem Obergesellen bei ihnen Platz, und dann ging es fort.
Max wandte sich jetzt zu dem Unteroffizier der ihm mitgegebenen Soldaten:
"Ich übergebe Ihnen für kurze Zeit dieses Palais zur Bewachung. Es darf Niemand ein- oder auspassiren, und ich werde dafür sorgen, daß Sie baldigst abgelöst werden."
Er verließ den Platz, um zum Könige zu gehen, ihm über das Vorgekommene zu referiren und mit ihm die Mittel zur Ergreifung des Herzogs zu berathen. Es braucht natürlich gar nicht erwähnt zu werden, daß er die auf dem Tische aufgezählten und in der Kasse des Herzogs außerdem noch vorgefundenen Gelder konfiszirt und mit sich genommen hatte. -Es war in derselben Nacht. Einer der wenigen Pässe, welche das Gebirge quer durchschneiden und die Verbindung zwischen Norland und Süderland vermitteln, wird oberhalb des Städtchens Waldenberg durch die nahe zusammentretenden, hoch zum Himmel strebenden Berge so eingeengt, daß er im wahren Sinne des Wortes ein Engpaß genannt werden muß und man ihn recht gut mit den berühmten Termopylen vergleichen könnte.
Die Straße, welche er bildet, steigt steil und in mannigfaltigen Windungen empor, stürzt sich dann auf der andern Seite des Gebirgszuges ebenso steil wieder ab, und die über zwei Stunden lange Enge bildet einen so natürlichen Vertheidigungspunkt, daß im Falle eines Krieges zwischen den beiden Ländern jede der beiden Mächte darnach trachten muß, sie zuerst in ihren Besitz zu bekommen.
Es war um die Zeit des Mondaufganges. Das silberne Licht des Trabanten unserer Erde beleuchtete eine sehr kriegerische Scene. B Auf dem höchsten Punkte des Passes brannten mehrere Feuer, um welche sich wilde Gestalten gelagert hatten. Sie trugen keine militärischen Uniformen, sondern nur die Tracht ärmerer Gebirgsbewohner, aber die Messer, welche in ihren Gürteln staken, die kurzen Gebirgsstutzen, die sie in ihren Fäusten hielten oder neben sich liegen hatten, die gewaltigen Bärte, von denen ihre scharf und kühn geschnittenen Gesichter beschattet wurden, verriethen deutlich, daß sie nicht eines friedlichen Zweckes wegen hier zusammengekommen seien.