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Im Scheine des Mondes und der Feuer konnte man mehrere riesige Verhaue erkennen, welche dadurch gebildet worden waren, daß man auf den beiden hochaufstrebenden Seiten des Passes mächtige Fichten und Tannen gefällt und heruntergestürzt hatte, die nun so über- und durcheinander lagen, daß sie Hindernisse bildeten, die nur mit großer Mühe und Anstrengung zu beseitigen waren. Gewaltige Steinblöcke, welche man dazwischen gewälzt hatte, gaben diesen Barrikaden eine noch erhöhte Festigkeit.

An einem der Feuer saß der Wirth von der Waldenberger Oberschenke. Die Männer an seiner Seite verhielten sich so ruhig, daß diese Gruppe von den andern, welche sich laut und lebhaft unterhielten, sehr abstach. Diese Schweigsamkeit hatte einen guten Grund: Seitwärts von dem Feuer lag nämlich auf einem duftigen Lager von Heu und mit einem Mantel sorgfältig zugedeckt eine weibliche Gestalt, deren Schlaf man durch lautes Reden nicht stören wollte. Es war Zarba.

"Weißt Du es gewiß?" flüsterte ein Nachbar dem Wirthe zu. "Man sollte es gar nicht glauben."

"Ich habe es von ihr selbst, daß die Süderländer heut Nacht noch kommen werden, und sie weiß Alles."

"Aber welchen Grund sollte es geben Krieg zu führen?"

"Da mußt Du die großen Herren fragen, die Krieg und Frieden machen. Wir haben nichts zu thun, als Steuern zu bezahlen."

"Aber werden wir stark genug sein, eine ganze Armee hier aufzuhalten?"

"Dummkopf! Wer kann denn durch solche Verhaue kommen? Und wir haben ihrer fünf.

Übrigens werden wir ja Kanonen erhalten."

"Wenn es wahr ist."

"Auch das ist wahr. Sie selbst hat es mir gesagt, und sie weiß Alles."

Da hörte man von der Nordseite des Passes her eilige Schritte. Die Männer wandten sich um und erkannten Horgy, den Zigeuner.

"Schläft sie noch?" frug er den Wirth.

"Ja. Störe sie nicht; sie hat zwei Nächte nicht geschlafen."

Aber die Schritte des Nahenden hatten ihren Schlaf dennoch unterbrochen. Sie warf den Mantel halb von sich und richtete sich in eine halb sitzende, halb liegende Stellung auf. "Du kommst endlich, Horgy!" redete sie ihn an.

"Es ging nicht anders, Vajdzina. Sie behielten mich bei sich, um einen sichern Wegweiser zu haben."

"Sie kommen also?" "Ja."

"Wie viele?"

"Acht Kanonen. Acht andere sind hinüber nach dem Eisenbahnpasse; ein Hauptmann kommandirt diese." "Und wer die Unsrigen?"

"Auch ein Hauptmann; aber bei ihm ist der Oberkommandirende, ein junger Major. Ich erfuhr seinen Namen."

"Wie heißt er?"

"Von Wallroth."

"Ah!"

Sie sprang auf, und die Männer sahen, daß sie über diese Nachricht die größte Freude empfand. Der Zigeuner fuhr fort:

"Er hat den Zug verlassen um voranzureiten. Er wird gleich hier sein." "Wirklich?"

"Ich bin nur rasch vorangesprungen, um es Dir zu melden."

Wirklich ließ sich in diesem Augenblicke nahendes Pferdegetrappel vernehmen und ein Trupp Reiter erschien, an dessen Spitze sich der Major befand. Er sprengte heran, sprang vom Pferde und trat zu Zarba.

"Mutter!" rief er, sie umarmend und küssend.

"Mein Sohn!" antwortete sie, ihn mit stolzen Blicken musternd. "So hat also unser guter König meinen Wunsch erfüllt?" "Wie Du siehst!"

"Es ist auch hohe Zeit, daß Du kommst. Ich weiß genau, daß die Süderländer in einer Stunde hier sein werden."

"Habt Ihr schon ein Rencontre mit ihnen gehabt?"

A "Nein. Ihre Spione kamen nicht bis ganz herauf, und so weit sie kamen, haben wir uns nicht blicken lassen."

"Sehr gut! Die Überraschung wird sehr viel thun." Er musterte mit Kennermiene den Verhau. "Wie viele Verhaue hast Du anlegen lassen?" "Fünf."

"Ah! Aber auch richtig?" "Wie?"

"Der Feind darf nicht durch; wir aber müssen sie passiren können. Wie könnten wir sonst mit den Geschützen hinunter zur ersten Barrikade kommen. Dort, bei der ersten und zweiten, je nachdem das Terrain es gebietet, werde ich sie auffahren lassen."

"Keine Sorge! Der Bergwirth hier ist ein alter Artillerist, der noch nichts vergessen hat. Er hat den Baumeister gemacht und die Verhaue so eingerichtet, wie Du es haben willst." "Gut; ich muß sie besichtigen. Gieb mir einen Mann mit!" "Ich führe Dich selbst."

Sie führte ihn durch eine schräg gelegene Lücke des Verhaues und verschwand mit ihm hinter demselben. Die Männer hatten sich beim Erscheinen des Majors verwundert angesehen. "Ihr Sohn!" flüsterte der Nachbar des Bergwirthes. "Du hasts ja gehört und gesehen!" "Ein prächtiger Kerl!" "Und gar nicht stolz. Ein Anderer hätte sich gehütet, sie vor uns in dieser Weise zu begrüßen." "Wer muß der Vater sein?" "Geht uns nichts an!"

Nach einiger Zeit kehrte der Major mit Zarba zurück und ließ das Verhau zum Durchgange der Geschütze öffnen.

"Gibt es vielleicht hier nahe einen Weg, der noch über das Gebirge führt?" frug er.

"Ja; aber er ist beschwerlich, nicht leicht zu finden und nur den Paschern bekannt."

"Dennoch fatal! Er kann drüben auch bekannt sein."

"Ich glaube es nicht. Übrigens habe ich ihn besetzen lassen."

"Das ist klug. Du bist ja ein ganz richtiger Feldherr, Mutter!"

Ein dumpfes Rollen und Knarren ertönte. Die Geschütze nahten. Wallroth dirigirte sie vorwärts, bat Zarba zurückzubleiben und folgte ihnen nach.

Die Verhaue waren mit wirklicher Sachkenntniß an den geeignetsten Punkten angelegt. Der unterste derselben lag an einer Stelle, von welcher die unten im Thale sich halbkreisförmig windende Straße ganz ausgezeichnet beherrscht und bestrichen werden konnte, obgleich es von unten aus unmöglich war die Befestigung zu bemerken. Und zugleich war er so fest angelegt, daß Wallroth kein Bedenken trug, sämmtliche Geschütze hier zu plaziren. Noch war man bei dieser Beschäftigung, als ein Mann sehr eilig die Straße heraufgelaufen kam.

"Wer da?" frug der auf dem Verhaue stehende Posten. "Tschemba!"

Es war also jener Zigeuner, welcher mit Horgy und dem Bergwirthe damals die beiden

Irrenärzte gefangen genommen hatte.

"Unser Späher, Herr Major," berichtete der Posten.

Tschemba stieg über das Verhau und erblickte die Artillerie.

"Ah, gut, daß die Kanonen da sind. Sie kommen."

"Wer?" frug Wallroth.

"Die Süderländer."

"Viel?"

"Ein ganzes Heer, so breit wie es die Straße erlaubt. Sie haben jedenfalls Pascher von drüben als Führer bei sich." "Wie nahe sind sie?"

"In zehn Minuten füllen sie unten das Thal." "Freiwillige Schützen vor?"

Auf diesen Ruf kamen wohl fünfzig Pascher herbei.

"Hört, Männer, ich muß eine Anzahl von Euch unter der Führung des Herrn Hauptmanns vorschicken, denn ich darf keine Feindseligkeiten beginnen, ehe ich nicht das Recht dazu habe. Wer geht mit?" "Wir Alle!" rief es.

"Brav! Macht Eure Sache gut. Vorwärts!"

Sie rückten ab, der Hauptmann an ihrer Spitze. Er hatte Degen, Waffenrock und Helm abgelegt und sich den Hut und die Joppe sammt dem Stutzen eines Paschers geborgt. Er ging so weit vor, bis der Paß eine scharfe Krümmung machte, und dieser Punkt schien ihm für sein Vorhaben der geeignetste zu sein, zumal der wirklich scharfsinnige Bergwirth ungefähr fünfzig Schritte unter demselben eine der größten Tannen quer über den Weg hatte fällen lassen.

A Von hier aus sah man im Mondscheine bereits die Helme der Anrückenden blinken, und der leicht zu vernehmende Hufschlag verrieth, daß Kavallerie an der Spitze sei.

"Bleibt hier und haltet Euch schußbereit!" gebot er; dann schritt er weiter, bis er die Tanne erreichte.

Hinter derselben versteckt erkannte er bald mehrere Offiziere, welche, von zwei Männern geführt, voranritten.

"Halt!" rief er, als sie ihm nahe genug schienen. "Wer da?" Man hielt und schien sich kurz zu berathen. Dann ertönte es: "Gut Freund! Wer bist Du?"