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Die Fregatte hielt scharf auf den Kurs des Linienschiffes. In einer Viertelstunde mußte dieses erreicht sein.

"Seid bereit, Jungens. Es wird heiß?" rief der Kapitän.

Dann setzte er das Rohr an und suchte den Horizont noch einmal ab.

"Alle Teufel, Kommodore, dort ist ja noch ein Segel, und, wahrhaftig, noch eins."

"Wo? Die hätte ich doch sehen müssen!"

"Sie steuern in gerader Linie hinter dem Poseidon; daher können wir sie erst jetzt bemerken." Arthur nahm das Perspektiv auf.

"Auch ein Süderländer, Dreimaster, stark gebaut. Hoffe, daß der Dritte nicht auch dasselbe ist!"

"Wäre es nicht besser zu wenden, Kommodore?"

"Und uns auslachen zu lassen, nicht wahr? Der Poseidon wird unser, und das Übrige wird sich finden."

Zehn Minuten später waren sie auf Sprechweite an das Linienschiff herangekommen und sahen zu gleicher Zeit, daß das zweite Fahrzeug ebenfalls ein Linienschiff, das dritte aber eine Fregatte war, beide süderländische Nationalität. Da hißte der Poseidon die Flagge.

"Kommodore," meinte der Kapitän, "wir wagen das Unmögliche!"

"Wollen Sie mir das Kommando geben?"

"Gern!"

Der brave Mann war jedenfalls froh, die Verantwortung von sich abgewälzt zu haben.

"Fregatte ahoi!" klang es jetzt von drüben. "Was für ein Schiff?"

"Fregatte Sperber, Kommodore von Sternburg."

"Ah, Arthur von Sternburg."

"Ja."

"Wohin?"

"An den Poseidon!"

"Oho! Ist Krieg zwischen Nor- und Süderland?"

"Ja. Süderland hat uns überfallen. Ergebt Euch!"

"Oho, das werden wir uns erst überlegen! Haltet mehr ab von uns!"

"Fällt uns nicht ein. Hallo da unten, gebt ihm die Breitseite!"

Die beiden Schiffe fuhren jetzt parallel neben einander. Die Fregatte öffnete ihre zwei Lukenreihen und krachte los. Der Poseidon A erbebte unter dem Drucke der Kugeln, welche über und unter seiner Wasserlinie einschlugen. Er war nicht auf diesen Kampf vorbereitet, doch flogen auch seine Luken auf.

"Hallo, Kapitän," meinte Arthur, "der Leib ist gut getroffen. Springt hinunter und sagt den Jungens, auf das Deck zu halten! Ahoi, Schubert, fall schnell ab nach Lee! Nieder mit dem Segel!"

Dieses Kommando hatte zur Folge, daß die Fregatte eine scharfe Wendung machte und den Kugeln des Linienschiffes nur den Stern bot. Die Salve flog in das Wasser. "Bravo! Herum wieder, Schubert, herum! Herauf mit der Leinwand da vorn! Feuer!" Ein lautes Hallo erschallte auf die zweite Breitseite. Der Hauptmast stürzte, und während man drüben beschäftigt war zu kappen, erhielt der Poseidon noch eine volle Lage, die das schwere Schiff unlenkbar machte. Dennoch ließ es die Flagge nicht fallen, da bereits in den beiden andern Schiffen die Hilfe nahe war.

"Laßt den Methusalem jetzt schwimmen; er bleibt doch unser!" rief Arthur. "Lieutenant, da vorn, herum, dem Zweiten entgegen! Schubert, leg um!"

Der Steuermann warf sich in das Rad, und der Segelmeister that seine Schuldigkeit so gut, daß sich die Fregatte in einem kurzen Bogen herumdrehte und dem zweiten Linienschiffe entgegenging.

"Kommodore," meinte der Kapitän, "haben wir nicht genug gethan? Wenn wir Diesen angreifen, nimmt uns die Fregatte dort den Wind."

"Werden ihn schon wieder bekommen. Heda, Martin!"

"Aye, Kommodore!" antwortete der Stückmeister.

"Fünfzig Thaler, wenn Du ihm das Steuer nimmst!"

"Werde sie verdienen!"

Der Mann kniete vor seinem Geschütz nieder und machte eine Miene, der man es ansah, daß sein nächster Schuß ein Meisterschuß werden solle.

"Hollah!" rief da der Mann auf dem Masthead. "Dort was für ein Ding?"

Arthur sah in der Richtung der ausgestreckten Hand des Mannes, und was er erblickte, war allerdings wunderbar genug. Höchstens anderthalb englische Meilen entfernt kam ein Schiff heran, welches tiefschwarze Segel trug und wegen dieser Farbe bisher nicht bemerkt worden war. Obgleich seine Masten sich unter der Last der Leinwand förmlich bogen, mußte seine

Fahrt eine staunenswerth schnelle genannt werden. Es war, als würde das Fahrzeug von einer unsichtbaren Macht herbeigeschnellt. Auch der Steuermann bemerkte es, legte die Hand an den Mund und rief:

"Ahoi, Kommodore, der schwarze Kapitän!"

Auch drüben auf dem Linienschiffe ertönte derselbe Ruf.

"Ist gleich!" rief Arthur. "Drauf auf den Süderländer! Martin, aufgepaßt!"

Die Fregatte strich dicht an dem Linienschiff vorüber, und der Stückmeister drückte los. Seine

Kugel krachte in den Steuerhebel und zersplitterte ihn.

"Bravo. Feuer auf Steuerbord!"

Die Breitseite der Fregatte sprühte ihre Kugeln; drüben aber war der Kommandeur entweder über die Erscheinung des "Tigers" oder über die Zerstörung seines Steuers so betroffen, daß er den rechten Zeitpunkt versäumte; der Donner seiner Breitseite erscholl, als die Fregatte bereits vorüber war.

"Halte aus im Kurs, Schubert!" gebot Arthur.

"Aye, Kommodore!" antwortete der Steuermann, sehr befriedigt über diesen Entschluß Sternburgs.

Dieser wollte vor allen Dingen sehen, was den schwarzen Kapitän herbeiführe. Auch die süderländische Fregatte war so nahe herbeigekommen, daß alle vier Schiffe den "Tiger" genau beobachten konnten. Es schien ein ungeheures Wagniß des Piraten, die Nähe von vier solchen Orlogschiffen geradezu zu suchen.

Er beachtete den "Sperber" gar nicht, sondern hielt gerade auf das Linienschiff zu, welchem Arthur soeben seine Salve gegeben hatte. Schon war er demselben ziemlich nahe, da fielen wie durch einen Zauberschlag seine sämmtlichen Segel, und dennoch kam er in ungeminderter Schnelligkeit heran. Man sah seine nackten Masten, seine Raaen, man sah jede seiner Stangen und Spieren, aber man konnte sich nicht erklären, durch welche Kraft er getrieben wurde. Kein Mann stand am Steuer, keine Luke, kein Mensch an Deck war zu sehen, und nur da vorn, draußen auf dem Klüverbaume stand Einer, völlig schwarz gekleidet und schwarz im Gesichte, eine wahre Riesenfigur, in der Rechten den krummen türkischen Säbel und die Linke an den Pistolen im Gürtel. Er hielt sich nicht an und stand doch so fest und sicher wie in der Mitte eines Zimmers.

Es waren auf den vier Schiffen gewiß Wenige, denen nicht B das Herz klopfte. Er ging zwischen dem Sperber und dem Linienschiffe durch. In diesem Augenblicke erhob der Schwarze den Säbel, das schwarze Schiff erbebte dreimal; drei fürchterliche Salven donnerten aus seinem Rumpfe in den des Linienschiffes, dann war er vorüber. Aber er ging nicht weiter, sondern schlug, ohne daß das Steuerrad bewegt wurde, einen Bogen auf die süderländische

Fregatte ein. Jetzt nun sah man deutlich, daß das Wasser unter seinem Kiele verschlungen wurde, wie von einem unsichtbaren Ungeheuer, und da, da schwebte auch eine Flagge empor,

scheinbar ganz ohne Zuthun einer menschlichen Kraft - es war die norländische.

"Hurrah, Hurrah!" ertönte es aus allen Kehlen, die es auf dem Sperber gab.

Sogar Arthur stimmte mit ein. Einen solchen Verbündeten hatte er nicht vermuthen können.

"Leg um, Schubert, ans Steuerbord der Fregatte!" gebot er donnernd. "Sie muß auf den

Grund!"

Der Sperber flog herum. In diesem Augenblicke senkte aber die Fregatte die süderländische Flagge und zog die weiße auf. Sie ergab sich ohne Gegenwehr, und das war sehr richtig, denn sie wäre verloren gewesen, da die beiden Linienschiffe so zugerichtet waren, daß sie ihr nicht den mindesten Beistand leisten konnten. Auch sie ließen ihre Flaggen fallen. Da drehte der "Tiger" herüber und hielt auf den Sperber zu. Dabei flogen seine Signale empor, welche zum Beidrehen aufforderten.

"Kapitän, folgen Sie ihm, und übernehmen Sie jetzt das Kommando wieder," meinte Arthur. "Ich möchte ihn nur beobachten."

Er trat hinter die Schanzverkleidung, so daß er vom "Tiger" aus nicht gesehen werden konnte. Die Windsegel fielen, und auch das schwarze Schiff stellte seine Fahrt ein, von ganz derselben unsichtbaren Macht festgehalten. Die beiden Schiffe lagen sich schaukelnd einander gegenüber.