"Sperber ahoi! Welcher Kapitän?" rief der Schwarze, der den Namen der Fregatte gelesen hatte, herüber.
"Kapitän Baldauf mit Kommodor Sternburg an Bord!"
"Kommodore? Arthur von Sternburg?"
"Ja."
"Bitten Sie ihn sofort zu mir an Bord!"
"Oho! An Bord eines Kapers?"
"Nicht Kaper, sondern norländisches Orlogschiff!"
"Auf Ehre?"
"Auf Ehre!" antwortete der Schwarze in überzeugendem Tone, indem er die Rechte auf das Herz legte.
"Was werden Sie thun, Kommodore?" frug der Kapitän halblaut.
"Ich werde hinüber gehen."
"Wie viel Mann Begleitung?"
"Zwei Ruderer im kleinen Boote."
"Ein großes Wagniß!"
"Werden sehen!"
Das Boot wurde ausgesetzt, und in zwei Minuten schwang sich Arthur an einem herabfallenden Seile, an welches die Ruderer das Boot befestigten, an Bord des "Tigers".
Es war kein Mensch da zu sehen. Der Schwarze stieg vom Klüver auf das Spriet, von da auf das Deck herab und kam auf ihn zu, blieb aber plötzlich erstaunt halten.
"Bill! Bill Willmers!"
"Ah, woher kennen Sie diesen Namen?"
"Wer sind Sie?"
"Ich heiße von Sternburg und bin seit gestern Kommodore."
"Ah, daher diese Ähnlichkeit mit Ihrem Vater! Aber warum dieses Inkognito?"
"Welches?"
"Pah! Kommen Sie!"
Er schritt ihm voran nach hinten und öffnete.
"Treten Sie einstweilen hier in die Kajüte. Ich habe unten einige Befehle zu ertheilen und komme dann nach!"
Arthur folgte dem Gebote. Die Thür schloß sich hinter ihm und er stand vor einer jungen
Dame, welche in orientalische Tracht gekleidet war.
"Almah!"
Sie hatte sich bei seinem Eintritte erhoben.
"Bill - Willmers!" rief sie erstaunt, bemerkte aber dann die Uniform mit den Abzeichen seines Ranges. "Was ist das? Ein - ein Kommodore!"
"Ja, der nicht mehr Bill Willmers, sondern Arthur von Sternburg heißt." Sie legte erstaunt die Hände in einander. "Ists möglich! Mein - mein Retter!"
A "Den Ihnen dieser Bill Willmers zuführen wollte. Verzeihen Sie mir den kleinen Scherz?" Sie stand vor ihm da wie mit Blut übergossen, und ihre Stimme zitterte leise, als sie frug: "Aber warum dieses häßliche Inkognito?"
"Weil ich die Seligkeit genießen wollte, Ihnen dienen zu dürfen mit jedem Gedanken meines Herzens und jeder Bewegung meiner Hände, Almah." Ihre Schönheit und die Überraschung wirkten fast berauschend auf ihn, und er fuhr fort, ihre beiden Hände ergreifend: "Almah, jetzt bin ich ein Prinz, wie Sie es gegen Mutter Horn gewünscht haben. Zürnen Sie mir, daß ich dies erfahren habe?"
Sie erglühte noch tiefer. Er konnte sich nicht halten; er zog sie an sein Herz und küßte sie auf die rosigen Lippen.
"Almah, ich habe Dein gedacht mit heißer Sehnsucht, seit ich Dich damals aus dem Wasser trug. Sag, o sag, darf ich, nun ich Dich gefunden habe, Dich festhalten für das ganze Leben?" Sie neigte ihr Köpfchen an seine Brust. "Arthur, Du darfst!"
"Habe Dank, Du liebes, Du süßes, Du herrliches Wesen!"
Er zog sie fester an sich und küßte sie wieder und immer wieder.
"Ah, Kommodore," rief es da hinter ihm, "Sie langweilen sich nicht, wie ich sehe!"
Er fuhr herum. Der Schwarze war leise eingetreten.
"Excellenz!"
"So erkennen Sie mich? Nun, dann herab mit dem Dinge!" Er nahm die dünne Gazelarve ab, welche sein Gesicht verhüllte. "Willkommen auf dem Tiger!" "Dem fürchterlichen Piratenschiffe!" lächelte Arthur.
"Sind Sie nicht selbst Pirat geworden, der kommt, sieht und siegt? Doch davon später! Wir haben keine Zeit zu langen Verhandlungen übrig. Sie gehen nach Tremona?"
"Ja. Meine Flotte ist bereits voraus."
"Darf ich mich anschließen?"
"Als was?"
"Als einer Ihrer Kapitäne einstweilen. Ich gebe Ihnen den "Tiger" als Flaggenschiff." "Topp!" rief Arthur erfreut. "Eine solche Aquisition ist eine ganze Flotte werth. Aber Ihr Verhältniß zu Süderland?"
"Gibt es nicht. Aber, Kommodore, Sie sind ja ein ganz verwogener Teufel. Wagen sich da an die drei Orlogschiffe! Sie nehmen doch die Prisen mit?"
"Natürlich!"
"Werde Ihnen behilflich sein; kann eine oder zwei von ihnen ins Schlepptau nehmen." "Per Dampf!" "Sie errathen?"
"Natürlich. Sie haben statt Rad oder Schraube eine Pumpe und dabei einen Kessel, der den Rauch verzehrt."
"Richtig. Und das Andere ist auch keine Hexerei. Wenn wir in Ordnung sind, können Sie sich alles ansehen. Jetzt kommen Sie an Deck!"
Als sie wieder in das Freie kamen, fand Arthur das Deck ganz mit orientalisch gekleideten Leuten bemannt. Einer derselben kam ihnen entgegen. Nurwan-Pascha stellte ihn vor: "Mein erster Lieutenant Ali-el-Hakemi-Ebn-er-Rumi-Ben-Hafis-Omar-en-Nasafi, der den "Tiger" führt, wenn ich nicht an Bord bin. Er wird dies auch jetzt thun, denn ich begleite Sie natürlich an Bord der drei Prisen, um Ihnen an die Hand zu gehen, wenn Sie erlauben." "O, ich bitte darum. Kommen Sie!" - -
Es war eine Woche später. In dieser Woche war viel, sehr viel geschehen. Die Vertreter der Wahlbezirke saßen in der Residenz bei der Berathung der Konstitutionsvorlage; Tremona befand sich in den Händen Norlands, und General Helbig stand mit seiner daselbst gelandeten Armee in der durch einen Handstreich genommenen Residenz von Süderland. Der Norden dieses Landes war von den Schaaren der Aufständischen und den Truppen, welche mit diesen gemeinschaftliche Sache machten, besetzt, und zwischen diesen und der Armee des Fürsten Sternburg lagen die Truppen des tollen Prinzen eingeschlossen, bei denen die Familie des Königs Schutz gesucht hatte. Nur von dem Herzoge von Raumburg war keine Spur aufgefunden worden.
Der König von Norland saß an seinem Schreibtische und hatte einen geöffneten Brief in der Hand. Unweit von ihm hatte Max Platz genommen.
"Also Prinzeß Asta läßt mich durch Dich um die Erlaubniß bitten, das Unglück ihres Vaters theilen zu dürfen?"
B "Darf ich diese Bitte unterstützen, Majestät?"
"Einer solchen Befürwortung kann ich unmöglich widerstreben. Max, ich habe Dir viel, sehr viel, vielleicht Alles zu danken, und ein König hat die Macht, dankbar zu sein. Willst Du mir eine Frage offen beantworten?"
"Ich werde es," antwortete er einfach.
"Du liebst die Prinzessin?"
"Majestät!"
"Sei offen!"
"Ich kann nicht gegen die Stimme meines Herzens; dieses aber muß ich dem Verstande unterordnen. Ich werde es besiegen."
"Vielleicht brauchst Du es nicht. Wie denkt oder fühlt Asta?"
"ich habe mich ihr gegenüber nicht verrathen, aber ich weiß, daß sie leidet."
"Gut. Willst Du sie zu ihrem Vater bringen?"
"Ich?"
"Ja, Du und ich, wir Beide. Dein Plan, welchen ich meinen Weisungen an Sternburg zu Grunde legte, hat sich bewährt. Während wir dem tollen Prinzen nur eine einzige Gardebrigade in den Pässen entgegenstellten und er nicht Acht auf seinen Rücken hatte, ist er von Sternburg auf beiden Seiten umgangen. Wir haben nicht nur ihn, sondern auch die aufständischen Süderländer eingeschlossen und sind Herren der Situation. Hier in diesem Briefe zeigt mir Sternburg an, daß der König bereit sei, Verhandlungen anzuknüpfen; die Grundlagen des abzuschließenden Friedens habe ich mit Dir bereits eingehend beschlossen, und so bin ich bereit, mich in Deiner Begleitung zur Armee zu verfügen. Asta wird uns begleiten. Es wäre wünschenswerth, den jungen Sternburg und auch diesen verteufelten Nurwan-Pascha im Hauptquartier des Fürsten vorzufinden. Wenn Du Beiden sofort nach Tremona telegraphirst, so können sie binnen zwei Tagen dort eintreffen." "Ich werde das sofort besorgen."
"Und dann wirst Du vielleicht noch Zeit zu einer weiteren Besorgung finden?" "Welche?"
"Ich höre, daß Du jetzt täglich die Prinzessin Asta besuchest?" "Allerdings."