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"Nicht? Warum nicht, Paldrian? Meinst Du vielleicht, daß er Offizier bei der Linie gewesen ist?"

(\45\)A Baldrian nickte mit dem Kopfe.

"Das pilde Dir nicht ein, denn zur Linie hat er ein viel zu noples Exterieur, wie wir Kavalleristen zu sagen pflegen."

"Ja, die Kavallerie hat viel Exterieur," meinte Heinrich, "nur müssen die Pferde gewaschen und die Leute gestriegelt worden sein! Wie könnt Ihr nur denken, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Reiterei oder gar bei der Linie gestanden hat! Daß er ein gelehrter und außerordentlich tüchtiger Herr ist, das sieht man ihm ja schon von Weitem an, und da ist es ja gar nicht anders möglich, als daß er bei der Artillerie befehligt hat. Sie bedarf der besten Offiziere. Eine Flinte ist bald abgedrückt, und mit einem Käsemesser hauen und stechen, dazu gehört nicht viel; aber eine Kanone richtig zu bedienen, das erfordert schon etwas, und von einem einzigen guten Schusse hängt oft das Schicksal einer ganzen Schlacht ab." "Du pist nicht recht pei Troste!" widersprach Thomas. "Wie kann das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse aphängen!"

"Das verstehst Du nicht. Ich kann davon ein Beispiel erzählen. Nämlich vor elf Jahren in der Schlacht bei Bartlingen machten wir die letzte Anstrengung, den Feind zu stürzen. Sämmtliche Reserven hatten bereits in die Aktion eingegriffen; es stand Alles auf dem Spiele; wir waren auf der ganzen Linie im Avanciren, aber der Gegner hatte noch frische Kräfte zur Verfügung, und wenn er diese herbeizog, so mußten wir zurück und hatten die Schlacht verloren. Der Herzog von Raumburg, - man mag von ihm sagen, was man will, ein tüchtiger Feldherr ist er ohne Zweifel - hielt neben unserer Batterie auf einer Anhöhe und beobachtete durch das Fernrohr den feindlichen Oberstkommandirenden. Da plötzlich drehte er das Pferd zu mir herüber. "Heinrich Feldmann," sagte er, "Du bist der beste Artilleriste meiner Armee; siehst Du ganz da drüben den feindlichen Adjutanten reiten?"

"Zu Befehl, Generalissimus!" antwortete ich.

"Er hat die schriftliche Ordre zu überbringen, daß die Reserve vorgehen soll; sie steckt in seiner Satteltasche."

"Soll ich sie ihm herausschießen, Excellenz?" frug ich.

"Ja, doch schone den Mann und das Pferd. Er hat Sympathien für uns und hält sehr viel auf das Thier!"

"Wird gemacht, Durchlaucht!" Ich lade also sorgfältig und richte den Lauf meines Geschützes. Donnerwetter, der Kerl ist nur noch hundert Schritte vom Walde entfernt, und zwischen ihm und dem dichten Gebüsch liegt ein Wirthshaus, hinter welchem er vorüberreiten muß! Was thun? Es gibt nur eine Möglichkeit: Das Parterre des Hauses besteht aus einer einzigen Stube; man kann von vorn hinein und hinten durch die Fenster wieder heraussehen. Ich visire genau, der Reiter verschwindet hinter dem Hause, ich protze ab - die Kugel geht durch die beiden Fenster und reißt hinter dem Hause dem Adjutanten die Satteltasche in Stücke. Die Schlacht wurde gewonnen, und als ich am andern Morgen in das Wirthshaus kam, sah ich erst genau, welch einen Meisterschuß ich gethan hatte. Nun, meint Ihr noch immer nicht, daß das Schicksal einer Schlacht von einem einzigen Schusse abhängen kann?"

(\46\)A "Lüge Du und der Teufel!" antwortete Thomas erbost über die Kühnheit des Artilleristen, ihm eine solchen Bären aufzubinden. "Du pist der unverschämteste Aufschneiter, den ich in meinem Lepen gesehen hape." "Ja, das ist am Den!" stimmte Baldrian bei. -

"Glaubt, was Ihr wollt; es fällt mir gar nicht ein, zwei dumme Köpfe klug machen zu wollen! Aber das ist sicher, daß der Hauptmann von Wallroth bei der Artillerie gestanden hat, denn ich kenne ihn von meiner Dienstzeit her und sehr genau. Zwar führte er nicht meine Batterie, aber er war ein Liebling seiner Oberen und auch seiner Untergebenen. Dann verschwand er plötzlich, und ich habe ihn seit jener Zeit jetzt zum ersten Male wiedergesehen." "Wo mag er wohl herstammen?" frug Thomas.

"Das weiß Niemand," antwortete Heinrich; "geht mich auch gar nichts an. Nur das fällt mir auf, daß er so vertraut mit der Zigeunerin ist."

"Mit der Zarpa? Das ist wahr. Wie mag er wohl mit diesem Weipsen zusammengekommen sein? Das ist nämlich eine Hexe, die ich sehr genau kenne. Ich hape sie erst kürzlich peopachtet, als - - Donnerwetter, was pin ich doch für ein Esel!" "Was, Du kennst die Zigeunerin? Wo hast Du sie gesehen?"

"Darum hast Du Dich nichts zu pekümmern, denn ein Gelpschnapel wie Du praucht nicht Alles zu erfahren."

"Das ist am Den," bestätigte Baldrian höchst trocken.

"Richtig, alter Grenadier!" antwortete Heinrich. "Seit die ganz besondere Gunst des jungen Herrn auf den Kavalleristen gefallen ist, kann es mit Euch Beiden kein Mensch aushalten; der Grenadier beißt, der Kavallerist schlägt aus, und der Artillerist - pah, der läßt sie machen, was sie wollen. Er geht zu seiner Barbara Seidenmüller."

Er erhob sich lachend und ging. Thomas schien sich aus seiner Entfernung nicht viel zu machen.

"Laß ihn laufen, Paldrian," meinte er; "nun können wir ungestört mit einander sprechen. Hast Du die Zarpa wirklich noch nicht gesehen?"

"Nein."

"Ich hape sie zum ersten Male gesehen, als ich mein Gesellenstück (\46\)B hier peim Meister machte. Das war ein sehr pewegter Tag und ein noch viel pewegterer Apend. Ich hatte vom frühen Morgen an tüchtig gearpeitet und freute mich auf die Ruhe; aper ich mußte dreimal hinüper nach dem Palaste des Herzogs, um die Zigeunerin zu holen und - - -" "War sie denn beim Herzog?" fragte ganz erstaunt der sonst so wortkarge Baldrian.

"Natürlich. Sie war seine Geliepte; sie hatte es ihm angethan; sie hatte ihn verhext und verzaupert, so daß er ohne sie nicht lepen konnte." "Was sollte sie denn hier?"

"Das weiß ich heute noch nicht. Die Meisterin pekam den jungen Herrn, der damals natürlich noch nicht der junge Herr war, und kaum war ihre Stunde vorüper, so mußte ich die Zarpa holen, die mit dem Neugeporenen wohl eine halpe Stunde lang fort war, ehe sie ihn wieder prachte. Sie war damals ein Mädchen, wie es keine zweite giept, und ich selpst hätte mich in sie verschameriren mögen, wenn ich mich nicht so sehr vor ihrer Zauperei gefürchtet hätte. Später war sie auf einige Jahre verschwunden; nachher kehrte sie einmal auf einen Tag hier ein; das war gerad, als ich den Meister auf Urlaup pesuchte, und seit dieser Zeit hat sie sich pis auf den heutigen Tag nicht wieder sehen lassen." "Hm, das ist am Den!"

"Ja, das ist gewiß und wahrhaftig am den, und ich pin wirklich pegierig, was sie hier vorhat. Sie ist von Allen empfangen worden, als op sie der liepe Gott selper sei. Jetzt sitzen sie drin und sprechen so leise, als op die größten Staatsgeheimnisse verhandelt würden. Horche nur einmal an den Laden; Du hörst gewiß kein Wort von dem, was in der Stupe gesprochen wird!"

Allerdings war von außen kein Wort zu vernehmen; doch hatte das seinen Grund einfach in dem Umstande, daß in der Stube nicht gesprochen wurde.

Mutter Brandauer saß am Tische und strickte, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. Sie zeigte bei dieser Beschäftigung einen Eifer, als gelte es, die Welt mit ihren Maschen glücklich zu machen. Der Schmied hatte die Hauspostille vor sich liegen und that, als ob er lese, und im dunkelsten Winkel des Zimmers saß Zarba und rauchte aus demselben kurzen Stummel, den sie auch in dem Arbeitskabinet des Herzogs in Brand gesteckt hatte.

(\47\)A Wäre es heller gewesen, so hätte man ein eigenthümliches, aber wohlwollendes Lächeln bemerken können, mit welchem sie die beiden stillen Menschen beobachtete. Endlich schlug Brandauer das Buch zu und warf einen fragenden Blick auf die Hausfrau, welche denselben bejahend erwiderte. Er stand auf, holte sich die lange Pfeife, stopfte sie sich mit jener Umständlichkeit, welche darauf ausgeht, sich einen wirklichen Genuß zu verschaffen, und griff dann zum Fidibus; dann schob er, einige tüchtige Rauchwolken ausstoßend, den Tabakskasten nach derjenigen Seite des Tisches, welche der Zigeunerin zugekehrt war, und meinte: "Nimm Tabak, Zarba, wenn Du fertig bist." "Danke, Meister! Eure Sorte paßt mir nicht." "Hast wohl etwas Feineres?"