"Möglich! Die Zingaritta raucht ein Kraut, welches nur Fürsten bezahlen können." "Oh! Woher beziehst Du es?"
"Es kommt aus dem Morgenlande und wächst zwischen den heimathlichen Bergen der Boinjaaren. Dort an den Abhängen des Pandjköra gehen die Jungfrauen, wenn der Mond das Herz des Krautes bestrahlt, beim Sternenscheine hinaus auf das Feld, um mit zarten Händen die Herzblätter einzusammeln, die man dann am großen Tage der Göttin zum Tempel bringt, damit der Geist der Zukunft auf sie niedersteige. Wer dann die Düfte dieses Krautes trinkt, über den kommt die Gabe der Weissagung, daß er die Sprache der Sterne versteht und weiß, was die Linien der Hand bedeuten." "Rauchtest Du das Kraut auch als Mädchen?" "Nein."
"Aber Du hattest doch die Gabe der Weissagung reichlicher als alle die Deinen!" "Ich hatte der Gaben noch mehrere," antwortete sie ausweichend und mit düsterer Miene; "sie sind verschwunden, und mit ihnen ist hin die Jugend und das Glück. Zarba säete Liebe und erntete Haß, sie gab Glück und Seligkeit und nahm Spott und Verachtung dafür hin. Ihr Lachen hat sich in Weinen verkehrt, ihre Liebe ist zur Rache geworden; ihr Himmel heißt Hölle, ihr Segen wurde Fluch, und ihre Schritte verklingen im tiefsten Schatten der Nacht. Im Dunkel ihres Lebens leuchtet nur ein Licht, der Stern der Rache und der Vergeltung." "Das klingt schlimm, Zarba, so schlimm und traurig, als hättest Du keine Freunde, welche Deiner in Liebe gedenken!"
"Freunde? Wo sind sie, und wie heißen ihre Namen?"
"Denkst Du nicht an uns?"
"An Euch? Seid Ihr meine Freunde?"
Ihr Auge funkelte unter den tiefen Höhlen hervor, und ihr Angesicht nahm den finstersten Ausdruck an, der ihr möglich war.
"Meinst Du vielleicht das Gegentheil?"
Sie schwieg eine Weile; dann entgegnete sie:
"Der Sohn dieser Erde spricht von Liebe; er glaubt an sie und opfert ihr sein Leben, und doch ist sie ein Gespenst, welches schrecklich anzuschauen ist, wenn sie die gleißende Hülle von sich wirft, denn ihr Name heißt - Selbstsucht. Euer Gott schuf und liebt die Menschen, um von ihnen angebetet zu werden; die Erde liebt die Sonne, weil sie sich an ihren Strahlen wärmt; das Kind liebt die Eltern, weil es von ihnen Alles empfängt, was es bedarf; die Eltern lieben das Kind, weil es Fleisch von ihrem Fleisch und Blut von ihrem Blute ist; der Gatte liebt die Gattin, weil er durch sie glücklich werden will, und der Freund liebt den Freund, weil er seiner bedarf. O, ich kenne Eure Liebe, ich kenne Eure Hingebung, Eure Opferfreudigkeit! Eure Liebe hat mir das Herz aus dem Leibe gerissen, ich aber habe ihr den Schleier zerfetzt, hinter welchem sie ihr häßliches Angesicht verbirgt!" "Zarba, Du hast nicht - -"
"Seid still! Ihr seid ein Mann und - ein Christ, und - ich hasse Beide!" "Willst Du unsere heilige Religion schmähen, Zarba?"
"Schmähen? Nein - aber den Vorhang will ich heben, hinter welchem sie sich verbirgt. Was ist die Liebe, von welcher Euch gepredigt wird? Feindseliger Haß und tödtliche Selbstsucht. Wer nicht an Eure Satzung glaubt, wird verdammt. Was ist Eure Inquisition? Was ist Eure Mission? Auf blutigem Bahrtuche tragt Ihr Euren Glauben von Land zu Land, von Volk zu Volk; Ihr nehmt den Nationen das Hirn aus dem Kopfe und das Mark aus den Knochen, und doch - geht zu Denen, welche Ihr Heiden nennt, und seht, wo die Sünde ärger und raffinirter wüthet, bei ihnen oder bei Euch! Liebe? Ich kenne sie nicht, aber den Haß, die Vergeltung, die Rache kenne ich. Ihr handelt nach gleißnerischen Sätzen, welche feig und lügnerisch sind, uns aber lehrt Bhowannie, dasselbe zu thun, was (\47\)B an uns gethan wird; sie ist die unerbittliche Göttin der Rache, und ihr diene ich, so lange noch eine Faser an meinem Leibe ist!"
Der Schmied schwieg. Er hatte das Gefühl, als sei dies das Beste, was er jetzt thun könne. Nach einer Pause fuhr die Zigeunerin fort:
"Doch unsere Gottheit ist gerecht; sie vergilt auch das Gute, obgleich es niemals aus Liebe, sondern aus Eigennutz geschieht. Brandauer, erinnert Ihr Euch des Tages, an welchem die Zigeunerin Zarba aufgegriffen wurde und als Hexe in das Wasser geworfen werden sollte?" Er nickte zustimmend mit dem Kopfe.
"Sie wäre sicher ersäuft worden, obgleich sie jung und schön war wie keine Eures Volkes. Da aber drängte sich ein starker Mann durch die Menge, faßte sie und sprang mit ihr in einen Kahn und brachte sie an das andere Ufer, wo er sie in seinem Hause versteckte viele Tage lang. Brandauer, kennt Ihr den Mann?" Er lächelte.
"Es war nicht viel, was er that, Zarba."
"O doch! Es war ja das Höchste, was er für mich thun konnte, denn er rettete mir mein Leben. Und das hat Zarba nie vergessen. Sie spricht täglich von ihm zu Bhowannie, und die Göttin breitet ihre Hände aus über sein Haupt und sein Haus, daß Glück in seinen Mauern wohne und Segen walte auf Allem, was er beginnt und vollbringt. Das Alter hat mir den Nacken gebeugt, den Rücken gekrümmt, das Antlitz durchfurcht und die Haare gebleicht; Zarba ist die verachtete, die häßliche Zigeunerin, vor welcher die Kinder fliehen und die Großen sich scheuen; aber ihre Hand ist mächtig und ihr Arm stärker als derjenige eines Fürsten. Wen sie haßt, den kann sie verderben, und wen sie liebt, dem bringt sie Glück und Wonne. Sie kann Herzöge entthronen und Könige einsetzen, wenn sie will, und - - -" "Zarba---!"
"Du zweifelst?" Sie erhob sich und trat nahe an den Tisch heran. Das Licht fiel jetzt voll und hell über ihre Gestalt, und in seinem Schimmer funkelten ihre Augen wie schwarze Diamanten, welche in der Fülle des eingesogenen Strahles im Dunkel erglänzen. "Soll ich es Dir beweisen, Brandauer? Erinnerst Du Dich jener Nacht, in welcher Dein Weib in ihren Schmerzen lag und Ihr zu mir schicktet, weil Ihr an die Kunst der Zigeunerin glaubtet? Sie gebar ein Knäblein, und ich ging mit ihm hinaus unter die Sterne, um Bhowannie zu befragen, welches das Schicksal des Kindes sein werde. Ihr wolltet eine Antwort auf diese Frage, doch ich mußte schweigen, denn es war Großes und Unglaubliches, was ich erfuhr. Ich vertröstete Euch auf spätere Zeiten, und Ihr wartetet bis heut vergebens auf den Spruch, den ich Euch zu bringen habe. Das Knäblein ist zum Manne geworden, und - - -"
Sie wurde unterbrochen. Die Thür öffnete sich, und Max trat ein. Schnell auf ihn zutretend erfaßte sie seine Hand und zog ihn zum Tische.
"Das Knäblein ist zum Manne geworden," wiederholte sie und fuhr dann fort: "zum starken Manne, der mich beschützte und mir den Sohn wiedergab, der mir bereits verloren war, und nun kommt über mich der Geist der Vergeltung, welcher mir den Mund öffnet, zu reden von dem, was ich bisher verschweigen mußte."
Sie erhob die Hand und legte sie ihm, der gar nicht wußte, wie ihm geschah, auf das Haupt. "Hört, was ich Euch sage! Es ist so gut, als ob Euer Gott vom Himmel stiege und meine Worte spräche: Dieses Haupt ist bestimmt, eine Krone zu tragen; diese Faust wird halten das Scepter, und von diesen Schultern wird wallen der Mantel des Herrschers. Der Sohn des Schmiedes wird ein König sein unter den Mächtigen der Erde. Ich sehe sie kommen, die Großen und die Kleinen, um ihre Kniee zu beugen und ihm zu huldigen, wie es jetzt thut Zarba, die Zigeunerin!"
Sie kniete vor ihm nieder, drückte ihre Stirne auf seine Hand, erhob sich dann und hatte mit zwei schnellen Schritten das Zimmer verlassen.
Sohn und Eltern blickten sich überrascht an. Sie wußten, daß Zarba keine Gauklerin sei, und so war ihr Erstaunen über diese Prophezeiung kein geringes. "Was war das?" meinte Max. "War sie betrunken?"