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Er nahm, hinter den kostbaren transparenten Vorhängen versteckt, Platz und neigte sich zu dem Könige nieder.

"Entschuldigung, Majestät!" flüsterte er - -

"Was ist Außerordentliches geschehen, Herr Doktor, daß Sie zu dieser Stunde hier heimlich Zutritt nehmen?" frug der König ebenso leise, aber mit dennoch zu vernehmender Strenge im Tone. "Wie haben Sie Einlaß gefunden?" "Durch die Karte meines Vaters." "Ah! Er gibt sie aus der Hand?"

"Nur mir, Majestät. Es soll ein Einbruch in Dero Arbeitskabinet vorgenommen werden." "Ah! Sie erschrecken mich! Ist es möglich?" "Ich weiß es bestimmt!"

(\50\)A "Wer will diesen Einbruch unternehmen?"

"Kein gewöhnlicher Dieb, Majestät!"

"Nun?"

"Seine Durchlaucht der Herzog von Raumburg."

"Der Her - der Her - zog?" Der König konnte vor Überraschung das Wort kaum hervorbringen. "Unmöglich! Sie irren sich, Doktor!" "Ich irre mich nicht; ich weiß es ganz genau." "Was will er ?"

"Die Akten aus der Irrenanstalt, welche ich die Ehre hatte, Majestät zu überreichen."

"Ah, ich begreife! Und dennoch ist ein solcher Schritt - - parbleu, er muß einen Gehülfen haben!"

"Grunert!"

"Grunert? Wissen Sie dies genau?"

"Genau! Es scheint, der Herzog hat das Arbeitskabinet Eurer Majestät schon öfters besucht." Der König schwieg; seine Mienen verfinsterten sich unter dem nachdenklichen Zuge, welcher über sie hinglitt.

"Woher wissen Sie Alles?" frug er endlich. "Ich belauschte Beide zufällig." "Wann kommt der Herzog?" "Punkt Zwei."

"Grunert schläft im Vorzimmer?" "Ja."

"Ich kann mir dies denken, da Sie sonst nicht hier säßen. Jetzt ist es ein Uhr. Sehen Sie nach, ob er noch schläft!"

Max schlich langsam und leise zur Portiere, zog dieselbe ein wenig aus einander und blickte hindurch. Der Verräther lag noch ganz in derselben Stellung wie vorhin. Als der Doktor zum Bette zurückkehrte, hatte der König dasselbe bereits verlassen und war beschäftigt, sich anzukleiden. Max bemühte sich, ihm dabei behülflich zu sein, und rapportirte: "Er schläft noch!"

"Er hatte heute nicht Dienst, tauschte aber mit einem Kollegen, welcher angeblich unwohl ist. Wenn er erwacht, wird er das Schlafzimmer nicht betreten, sondern sich nur durch den Eingang überzeugen, daß ich nicht wach bin. Lassen wir die Gardinen herab!" Das Bett wurde verhüllt, so daß Grunert denken mußte, der König schlafe. "So, und jetzt folgen Sie mir zur Bibliothek!"

Der König näherte sich der Portiere und glitt, nachdem er sich überzeugt hatte, daß Grunert wirklich schlief, gefolgt vom Doktor durch das Vorzimmer und dann durch die weiteren Räume bis an das Arbeitskabinet. "Warten!" befahl er.

Ein Schlüssel klirrte, ein Schloß knackte.

"So, jetzt kommen Sie weiter. Die Dokumente sind in meiner Hand und dazu eine Waffe für den Nothfall. Sind Sie im Besitze einer solchen?"

"Ich trage einen Revolver."

"Dann treten wir in die Bibliothek!"

Diese lag neben dem Arbeitszimmer. Sie traten ein und nahmen auf einem Sopha Platz, welches hinter breiten Bücherschränken verborgen stand. Hier begann der König ein ausführliches Verhör; Max erzählte, was mitzutheilen ihm nothwendig schien, doch verschwieg er sowohl die Art und Weise, wie er hinter die Geheimnisse des Herzogs gekommen war, als auch die beiden anderen Anschläge, welche dieser mit Penentrier und Helbig geschmiedet hatte. Er durfte die Sorgen des hohen Mannes nicht vermehren und wußte sich stark genug, die Intentionen Raumburgs zu kreuzen.

Nach den nothwendigen Mittheilungen trat eine Stille ein, welche so tief wurde, daß man im Arbeitszimmer nebenan selbst eine Fliege hätte summen hören können. Es schlug halb und drei Viertel. Kurz vor zwei Uhr ließ sich ein Geräusch vernehmen. Max erhob sich, um zu lauschen.

"Grunert," berichtete er leise. "Er sitzt mit einer verschlossenen Blendlaterne in der Nähe des Schreibtisches."

"Haben Sie Feuerzeug bei sich?" "Ja."

"Dort auf dem Tische steht eine Kerze. Sobald der Herzog eingetreten ist, brennen Sie dieselbe an, um zu leuchten. Nach unserem Eintritte decken Sie den Ausgang und überlassen das Übrige mir!"

Es vergingen noch einige Minuten der Spannung. Dann knisterte es drüben, und Max erhob sich, um zum zweiten Male zu lauschen. "Der Herzog!" flüsterte er.

(\50\)B Um jedes Geräusch zu vermeiden, entzündete er das Streichholz mit dem Nagel seines Fingers, setzte die Wachskerze, welche er in die Linke nahm, in Brand und griff dann zum Revolver. "Vorwärts!"

Der König trat voran zur Portiere und blickte hindurch.

Der Herzog von Raumburg, welcher jetzt trotz seiner Vermummung deutlich zu erkennen war, stand am Schreibtische des Königs und bemühte sich, ein Fach desselben zu öffnen; der Lakai stand neben ihm, um ihm zu leuchten. Die Fenster des Raumes waren so dicht verhangen, daß keine Spur des Lichtes hinunter in den Schloßhof zu fallen vermochte. Die beiden Männer standen mit dem Rücken nach der Bibliothek gekehrt, so daß sie den Eintritt des Königs und des Doktors, welche geräuschlos auftraten, nicht bemerkten. Der Letztere glitt, das Licht mit der Hand beschattend, sofort nach dem Eingange hin, der Erstere aber trat einige Schritte vor und grüßte dann: "Ah, guten Abend, Durchlaucht!"

Der Angeredete fuhr augenblicklich herum. Der Diener ließ beim Klange dieser Stimme die Laterne fallen, daß sie verlöschte. Jetzt nahm Max die Hand vom Lichte und stellte dasselbe auf das Marmorkamin, so daß der Raum genug erhellt war, um die schreckensbleichen Züge des Ministerpräsidenten und das Zittern des Lakaien zu bemerken. "Majestät - - !" rief der Erstere.

"Ja, Serenissimus, die Majestät ist es, welche vor Ihnen steht, um Ihnen den Verlust aller bisher von hier verschwundenen Aktenstücke zu quittiren. Leider dürfte allerdings heut die

Recherche nach gewissen Papieren erfolglos sein, da ich sie hier in meinen Händen halte. Haben Durchlaucht etwas zu bemerken?"

Die Gestalt des Herzogs, welche bisher wie vom plötzlichen Schrecke zusammengedrückt gestanden hatte, richtete sich jetzt wieder auf. "Nein, Majestät!"

"Grunert, wähle zwischen Gnade und lebenslänglichem Zuchthause! Wirst Du Alles bekennen?"

Der Mann sank in die Kniee.

"Gnade, Majestät! Ich werde Alles erzählen!"

"Steh auf! Den Armleuchter!"

Der Diener verschwand in das Zimmer, in welchem er vorhin geschlafen hatte, und kehrte nach wenigen Augenblicken mit einem sechsarmigen Handleuchter zurück. "Leuchte Durchlaucht hinab, Grunert!" Und sich zu Max wendend, fügte er hinzu: "Du hast einen trefflichen Gebrauch Deines Passe-partout gemacht und Dir meinen besten Dank verdient, lieber Max. Für jetzt magst Du entlassen sein. Habe die Güte und begleite Serenissimus so weit, als es Dir in Anbetracht der Sicherheit Deines Königs gerathen erscheint. Grüße Deine Eltern. Gute Nacht!"

Wie ein Automat drehte sich der Herzog nach dem Ausgange und entfernte sich. Max folgte ihm auf dem Fuße. Der Diener leuchtete. Während der Posten das große Hauptportal öffnete, befahl der Doktor dem Lakaien:

"Du kehrst zum Könige zurück. Ein Fluchtversuch würde Dich unglücklich machen. Übrigens bist Du ja begnadigt, sobald Dein Bekenntniß offen und vollständig ist!"

Der Herzog schritt wortlos auf die Straße hinaus. Max hielt sich an seiner Seite. Da plötzlich blieb der Erstere stehen.

"Mensch, sehen Sie dieses Terzerol?"