Выбрать главу

"Der Geist ist allwissend, aber das Auge des Menschen ist schwach; doch wenn der Geist es stärkt, dann werden vor ihm Dinge offenbar, die es sonst nicht zu erblicken vermag. Du wirst nicht glauben, was Dir Zarba sagt, und dennoch wird es sich erfüllen. Deine Hand ist stark, den Hammer zu schwingen; sie bedarf dieser Stärke, um später das Scepter zu halten. Scepter und Hammer wird die Losung Deines Lebens sein. Du wirst Liebe säen und Feindschaft ernten; aber Deine Faust wird wie ein Hammer auf die Häupter Deiner Feinde fallen und ihnen die Kronen entreißen, die sie Dir zu rauben trachteten. Ich sehe Dich mit hochgeschwungener Keule mitten unter ihnen; ich sehe sie stürzen und sterben oder um Gnade flehen; ich sehe Dich hoch über ihnen, und an Deiner Seite -"

Sie hielt wie unter dem Eindrucke eines unerwarteten Gesichtes plötzlich inne und ergriff dann mit einer schnellen Bewegung die Hand der Prinzessin, welche in der Nähe stehen geblieben war. Dann fuhr sie in dem vorigen Tone fort:

"Ich sehe Dich hoch über ihnen, und an Deiner Seite den Engel Deines Lebens, den Du gefunden hast, als Du den Hammer hieltest, und der Dir treu bleibt, auch wenn Du das Scepter trägst. Glaube es Zarba nicht, aber sage ihr später, daß sie Dir die Wahrheit verkündete!" Sie gab die beiden Hände frei, wandte sich um, und war mit größerer Schnelligkeit, als man ihr zugetraut hätte, auf dem schmalen Pfade, welcher zwischen der Schmiede und der nächsten Villa in das Freie führte, verschwunden.

Zweites Kapitel. Belauscht.

Es war am Abende desselben Tages. Max Brandauer saß in dem Zimmer der Hofschmiede, welches ihm die Eltern als Studirstube überwiesen hatten, und versuchte, seine Gedanken auf die Lektüre einer militärwissenschaftlichen Abhandlung zu konzentriren. Es gelang ihm nicht, denn immer kehrten dieselben zu der heutigen Begegnung zurück.

Zunächst fesselte die Erscheinung der Zigeunerin seine Aufmerksamkeit. An ihren Namen knüpften sich Thatsachen und Erinnerungen, welche auf die ersten Tage seiner Kindheit, seines Lebens zurückführten. Er hatte sie als fünfjähriger Knabe ein einziges Mal gesehen; damals hatte sie in der Zeit des Nachsommers gestanden und eine immerhin noch anziehende Persönlichkeit gebildet. Sie war plötzlich verschwunden, ebenso schnell und unerwartet, wie sie gekommen war. Dann hatten die Eltern ihrer geharrt eine ganze Reihe von Jahren, und nun heut war sie wieder erschienen, ob nur für den einen Augenblick, ob für längere Zeit, ob aus oberflächlichen, gewöhnlichen Gründen oder zur Lösung der Räthsel, die mit ihrem früheren Auftreten verbunden waren - wer konnte das wissen?

Er hatte den Eltern von der Begegnung erzählt und von der Mutter einen linden Verweis erhalten, daß er sie wieder aus den Augen gelassen hatte. Der Vater aber war ruhig geblieben in der festen Überzeugung: "Sie kommt sicher, wenn sie es wirklich gewesen ist!" Neben der verfallenen Gestalt der alten Wahrsagerin hob sich vor seinem geistigen Auge die Erscheinung der Prinzessin wie ein lichtes, glanzvolles Phänomen ab, dessen Strahlen unter den Lidern hindurch bis hinab in die tiefste Seele dringen. Er hatte die süßen, beglückenden Regungen der Liebe noch nie empfunden; es entging ihm also der Maßstab für die wunderbare Stimmung, in welche er sich seit heute versetzt fühlte, und er ließ, halb sinnend, halb träumend, mehr noch aber empfindend, die Erinnerung an das eigenthümliche Erlebniß ungestört auf sich einwirken.

(\12\)A Drunten in der Werkstatt waren die Hammerschläge längst verhallt, und nach dem eingenommenen Abendbrode saßen die drei Gesellen vor der Thür, um über Dieses und Jenes zu sprechen und ihre Pfeife dabei zu schmauchen.

Unweit von ihnen hockten die zwei Lehrjungen auf umgestürzten Wagenrädern, in der löblichen Absicht, von dieser Unterhaltung so viel wie möglich wegzuschnappen  und dabei den Geruch des Kanasters zu genießen, der eine feinere Nase allerdings nicht in Entzücken versetzt hätte.

"Ja," meinte Thomas, der Obergeselle, "der junge Herr ist nun wieder da, und nun giept es zuweilen doch eine Plaisir, pei der man mitmachen darf. Alle Tage eine Fechtübung mit Rappier, Floret, Hieper und Stoßdegen, am Apend eine Wasserfahrt oder sonst ein Ausgang, pei dem der Thomas nicht fehlen darf. Das pringt außer dem Vergnügen ein Glas Pier, eine Putterpemme mit Schinken oder - -"

"Oder ein Glas Doppelwachholder mit Ambalema," fiel ihm der Zweite in die Rede. "Ja, das ist am Den!" stimmte der Dritte bei.

Die drei Gesellen waren nämlich durchweg Originale. Alle drei hatten gedient, Thomas bei der Reiterei, Baldrian bei den Grenadieren und Heinrich bei der Artillerie; Jeder von ihnen hatte (\12\)D es zum Unteroffizier gebracht und hielt seine Waffe für die vorzüglichste. Sie waren unverheiratet und fest entschlossen, ihre jetzige gute Stellung so lang wie möglich beizubehalten, obgleich Jeder ohne Wissen des Anderen im tiefsten Winkel seines Herzens ein Ideal beherbergte, welches die größte Ähnlichkeit mit einer behäbigen Frauengestalt hatte. Thomas nämlich hielt gar große Stücke auf die Wittfrau Barbara Seidenmüller, Baldrian träumte sehr oft von der allerliebsten, jungen Wittfrau und Kartoffelhändlerin Barbara Seidenmüller, und Heinrich trank seinen Abendschoppen (\13\)A am liebsten bei der ehr- und tugendsamen Wittfrau, Kartoffelhändlerin und Gasthofsbesitzerin Barbara Seidenmüller. Dabei hatte Jeder von ihnen, wie man zu sagen pflegt, seine (\13\)B kleine Neunundneunzig. Thomas Schubert, der Kavallerist, hatte es in seinem ganzen Leben niemals fertig gebracht, ein B auszusprechen, so daß sein eigener Name in seinem Munde nicht anders (\13\)C als Schupert klang. Baldrian, der Grenadier, war höchst schweigsam und betheiligte sich an den gewöhnlichen Gesprächen meist nur mit den Worten: "Ja, das ist an Dem," oder "das ist nicht an Dem," verwechselte dabei aber regelmäßig den Casus und brachte (\13\)D daher stets ein "am Den" zum Vorscheine. Heinrich, der Artillerist, war der Quälgeist der beiden anderen; er hatte stets einen Widerspruch oder eine Ironie bei der Hand und besaß dabei die Eigenthümlichkeit, Alles in hundertfacher Größe darzustellen oder, wie (\14\)A man es gewöhnlich nennt, ganz gewaltig aufzuschneiden, ohne daß man dabei das Recht gehabt hätte, an seiner Biederkeit zu zweifeln.

Thomas schien die Unterbrechung seiner Rede nicht belobigen zu wollen; er stieß heftig einen Mund voll Rauch in die Luft und meinte:

"Haltet den Schnapel, Ihr Kerls! Was geht Euch mein Doppelwachholder an oder gar meine Lieplingscigarre? Ampalema ist nun einmal das beste Deckplatt, was es giept, das ist nicht apzustreiten. Hapamos, Capalleros, Londres, Patavia, Puros, Alles, Alles ist nichts gegen die ächte Ampalema. Der Herr Meister raucht nur solche, und da ist es unsere Schuldigkeit, ganz dasselpe auch zu thun. Üprigens hapt Ihr mich nicht irre zu machen, wenn ich vom jungen Herrn erzähle. Heut Apend soll ich ein Stück den Fluß hinaprudern, und Ihr könnt es gar nicht glaupen, wie gern ich das thue. Da liegt er still im Kahne, hat die Augen zu und sagt kein Wort; aper ich weiß, daß er gerade da am meisten sinnt und studirt. Und wenn wir dann zurückkommen und er gipt mir die Hand und sagt: "Heut war's wieder schön; Hap Dank, mein lieper Thomas!" so könnte ich ihn umarmen, wenn er dazu nicht gar zu gelehrt und vornehm wäre. Er hat so etwas an sich, was ich nicht pei dem rechten Namen nennen kann, was einem das Herz raupt und doch gewaltig in Respekt versetzt. Ich hape einmal ein Theaterstück gesehen, das hieß "der verwischte Prinz," und -" "Der verwunschene Prinz," wagte hier Fritz, der eine Lehrjunge, zu verbessern. (\15\)A "Still, Grünschnapel! Wenn der Opergesell spricht, so hapen die Gesellen zu schweigen und die Lehrpupen also erst recht! Op ein Prinz verwischt ist oder verwunschen, das pleipt sich ganz egal! Also in dem Stücke kommt ein Prinz vor, der ein Schuster ist, und wenn ich den jungen Herrn sehe, so -"