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"Sagen Sie, Kapitän, auf wie lange werden Sie Ihren gegenwärtigen Aufenthalt ausdehnen?" frug der eine von ihnen. "Sie dürfen erwarten, daß wir wünschen, Sie so lange als möglich hier festhalten zu können."

Der Gefragte war ein junger Mann von wohl nicht über zweiundzwanzig Jahren. Sein ernstes, männlich schönes Angesicht war sehr stark von der Sonne gebräunt und trug den Charakter einer milden aber unerschütterlichen Energie, welche durch nichts dahin zu bringen ist, einen einmal für rechtlich erkannten Entschluß wieder aufzugeben. Seine Kameraden waren ausnahmslos älter als er, und dennoch schien er ihnen an Reife und Würde überlegen zu sein, wenigstens bildete ihrer Lebhaftigkeit gegenüber die Ruhe und Gleichmäßigkeit seiner Worte und Bewegungen einen Kontrast, welcher nur zu seinem Vortheile ausfallen konnte. "Leider ist die Dauer meines Aufenthaltes hier eine sehr von den Umständen abhängige," antwortete er. "Sie kann einige Wochen währen, aber auch schon binnen einer Stunde ihr Ende erreicht haben. Allerdings habe ich meine Fregatte dem Werfte übergeben müssen, aber es kann leicht sein, daß man mir während der dadurch entstehenden Vakanz einstweilen das Kommando eines anderen Fahrzeuges anvertraut. In diesem Falle werde ich telegraphisch abberufen und hätte dann nicht einmal Zeit, mich von Ihnen zu verabschieden, meine Herren." "Ein Grund mehr, uns an die Gegenwart zu halten," meinte ein anderer der Gäste. "Laßt uns den eventuellen Abschiedstrunk gleich jetzt mit schlürfen!" Die Gläser erklangen.

"Wo waren Sie zuletzt stationirt, Kapitän?" tönte dann die Frage. "Im indischen Archipel."

"Donnerwetter, ein wenig entfernt von hier! Nun ist mir auch der famose Teint erklärlich, durch welchen Sie sich so vortrefflich auszeichnen. Aber ich glaube, von Ihnen als in Egypten anwesend gehört zu haben."

"Ich war auf dem Rückwege nach der Heimath mit der Abgabe von Depeschen an den Vizekönig beauftragt."

"Ah! So ward Ihnen das Glück zu Theil, die Khedive'sche Majestät Auge in Auge zu sehen?" "Natürlich."

"Ja, ein zweiundzwanzigjähriger Kapitän zur See besitzt ganz verteufelte Meriten. Aber, im Vertrauen, haben Sie auch Einblick in die liebenswürdigen Verhältnisse des vizeköniglichen Harems erhalten?"

Der Gefragte blickte mit einem sinnenden Lächeln vor sich nieder. "Einblick? Nein!"

"Aber Anblick - ein Anblick ist Ihnen geworden, Sie Glücklicher? Gestehen Sie!"

"Ich gestehe!"

"Genügtnicht. Beichten!"

"Ich habe nichts zu beichten, meine Herren!"

"Nun wohl, dann haben Sie desto mehr zu erzählen oder zu berichten. Nicht?" "Höchstens eine Kleinigkeit."

f]55\)B "Aber solche Kleinigkeiten sind so interessant, daß wir unmöglich auf sie verzichten können. Beginnen Sie, Kapitän!"

Er griff zum Glase, that einen kleinen, langsamen Zug aus demselben und begann mit einer Miene, in welcher sich deutlich das Widerstreben kund gab, eine persönliche Erfahrung dem weiteren Wissen preis zu geben.

"Ich hatte meine Pflicht gethan und war vom Vizekönig auch bereits verabschiedet worden, beschloß aber doch, noch einige Tage in Kairo zu verweilen. Man muß diese Stadt gesehen haben, um diesen Entschluß als etwas ganz und gar Selbstverständliches anzuerkennen. Kairo heißt nicht ohne Grund Kahira, die Siegreiche; sie besiegt mit ihren tausend Wundern und Reizen jeden Abendländer, welcher zum ersten Male sich in den Zauberkreis des orientalischen Lebens wagt."

"Auch Sie wurden natürlich von diesem Zauber gefangen genommen?" "Vor Jahren, ja, als ich den Boden des Morgenlandes zum ersten Male betrat." "Vor Jahren! Alle Teufel, Kapitän, Sie haben freilich an einer ganz bedeutenden Summe von Jahren zu tragen! Doch, apropos, Sie sind wirklich ein ganz ungewöhnlich bevorzugtes Schoßkind des Glückes. Während andere sehr tüchtige Männer es kaum mit vierzig Jahren bis zu Ihrem Range bringen, waren Sie mit vierzehn Jahren bereits Midshipman, mit zwanzig Decklieutenant und jetzt Kapitän, notabene nicht Korvetten- sondern Fregattenkapitän. Warten wir noch ein Jährchen, meine Herren, so werden wir erfahren, daß diesem Herrn Arthur von Sternburg als Kommodore eine Eskadre anvertraut worden ist, und dann ist es nicht mehr weit bis zu einem fünfundzwanzigjährigen Admiral. Doch bitte, Herr Kamerad, fahren Sie fort!"

"Mit oder ohne weitere Unterbrechungen?" "Ohne -" lachte der Gefragte.

"Also, wir waren in Kahira, der Siegreichen, und sahen uns gezwungen, den Einflüssen des Klimas gerecht zu werden. Des Tages verträumte ich, wenn nicht gerade eine Audienz oder ein nothwendiger Besuch vorlag, die Zeit bei einer Pfeife feinem Assuan, und ging nur des Abends aus, um manches Abenteuer zu erleben oder zu beobachten, von welchem die Erinnerung zu zehren vermag. Aufgefallen war mir die Schönheit der Fellahmädchen. Diese schlanken und dabei doch so vollen, reizenden Glieder, der warme Ton der dunklen, sammetnen Haut, die liebliche Regelmäßigkeit der Züge, die jungfräuliche Fülle und Festigkeit derjenigen Formen, welche man bei uns künstlich zu stützen pflegt, die Anmuth der Bewegungen - das Alles, bei diesen Bauernmädchen gesehen, ließ die Frage aufkommen, welchen Grad von Schönheit erst die Damen höherer Stände besitzen müßten." "Donnerwetter, Kapitän, denken Sie daran, daß Sie gegenwärtig zu außerordentlich gefühlvollen Wesen sprechen!" "Ohne Unterbrechung, meine Herren -!"

"Bon! Sprechen Sie weiter. Wir sind natürlich gespannt auf Ihren ethnographischen Essay. Natürlich erhielten Sie Gelegenheit, den Grad dieser letztgenannten Schönheit zu bewundern."

"Allerdings. Es war an einem Abende - -"

"Ah, der Anfang ist reizend: an einem Abende - fahren Sie weiter fort!"

"Ich hatte mir ein Boot genommen und fuhr den Fluthen des Niles entgegen, das heißt, ich saß und träumte, wie man es in jenen Breiten zu thun pflegt, und ließ mich rudern. Wir hatten nach kurzer Zeit die Stadt hinter uns, fuhren einsam stromauf und sahen nur eine einzige Gondel vor uns, welche von vier schwarzen Sklaven fortbewegt wurde -" "Ich ahne! In dieser Gondel saß ein —"

"Nein - saßen zwei tief verschleierte Frauengestalten, welche jedenfalls gerade so wie ich die Kühle des Abends in der Einsamkeit genießen wollten. Unwillkürlich wurden meine Augen von den zarten feinen Hüllen magnetisch angezogen; es gab ja so Vieles hinter ihnen zu ahnen und zu vermuthen. Wer waren diese Frauen? Waren sie alt, so daß die Schleier nichts als Runzeln zu verbergen hatten, oder pulsirte das Blut heiß durch Herz und Adern zweier Gestalten, wie sie die Phantasie sich malt, wenn man an das Harem eines orientalischen Herrschers denkt? Wem gehören sie, und - durfte man es hier in dieser Entfernung von der Stadt wagen, sie anzusprechen? Nein, das ging nicht, denn die Schwarzen hätten dies jedenfalls verrathen. Ich fuhr ihnen also langsam nach, dem weißen Schleier ihrer Gewänder wie einem Polarsterne folgend, nach welchem der Seefahrer den Lauf seines Fahrzeugs bestimmt."

"Schwärmer! Ich an Ihrer Stelle hätte sie angesegelt, geentert und als gute Prise an Bord genommen." "Ich wünsche Ihnen von Herzen eine solche Gelegenheit, Ihre (\56\)A Tapferkeit zu bewähren. - Der Fluß beschreibt oberhalb der Stadt einen scharfen Bogen, und natürlich liegt das ruhige Fahrwasser auf der inneren Seite desselben. Eben hatte die Gondel dasselbe erreicht, als hinter der Krümmung der Bug eines Fahrzeugs sichtbar wurde, welches sich verspätet haben mußte und den Hafen von Bulakh zu erreichen suchte. Die Gondel lag beinahe gerade vor seinem Kiele, doch gelang es ihr noch, auszuweichen. Das Fahrzeug war eine Dahabie, welche, dem Baue nach, Sennesblätter aus Abessinien brachte. Ihr folgte, wie die Gondel zu spät bemerkte, ein Sandal, eines jener flüchtigen Nilfahrzeuge, welche beinahe mit einem Dampfer um die Wette zu segeln vermögen. Zum Ausweichen war es fast zu spät; dennoch aber brachten die Ruderer die Gondel so weit zur Seite, daß sie nicht überfahren wurde, doch gerieth sie in das rauschende Kielwasser der beiden Schiffe, von welchem es hin-und hergeschleudert wurde wie eine Nußschale -"