"Alle Teufel, jetzt kommt die Pointe: ein Retter - eine wundervoll schöne Göttin - Liebe -Geständniß - Hochzeit - - habe ich recht, Kapitän?"
"Pah! Die beiden Frauen hatten natürlich ihre Fassung vollständig verloren. Sie zeterten und schrien um Hülfe. Die Eine von ihnen hatte die Hände vom Bord genommen, eine Woge riß die Gondel zu sich empor - die Dame verlor das Gleichgewicht und stürzte in das auf- und abwogende Wasser. Ich hatte so Etwas vermuthet und das Steuer ergriffen. Im Nu war ich zur Stelle und sprang über Bord. Es gelang mir, die Verunglückte zu fassen. Bei dem unruhigen Wasser war es eine Unmöglichkeit, mit ihr in das Boot zu kommen, ich legte mich auf den Rücken, nahm ihren Oberkörper quer über mich herüber und schwamm nach dem Ufer, welches ich noch vor den Kähnen erreichte. Dort legte ich sie nieder und entfernte den Schleier, welcher den Kopf und die Schultern bedeckte."
Der Kapitän machte jetzt eine Pause und blickte über die vor ihm liegende Landschaft hinaus weit in die Ferne, als suche er den Ort zu erschauen, auf welchen er damals die Errettete gebettet hatte.
"Fast erschrocken fuhr ich zurück - -"
"Was - erschrocken? War sie so häßlich, Kapitän?"
"Häßlich? Pah! Können Sie sich nicht denken, daß es einen Grad von Schönheit gibt, welcher dieselbe Wirkung hat? Den Beschauer überkommt das Gefühl, als habe er eine Entweihung begangen, als sei er unberufen in ein Heiligthum eingetreten, welches er bei Todesstrafe nicht betreten dürfe. So war es auch hier. Ich sah in ein Gesicht, in ein Gesicht - doch, warum davon sprechen, da es geradezu unmöglich ist, solche Wunder zu beschreiben. Aber wenn eine jener Feen, von denen wir uns in der Jugend erzählen ließen, vom Himmel herabgestiegen wäre, um den Sterblichen die Schönheit in ihrer herrlichsten Inkarnation zur Offenbarung zu bringen, sie hätte sich mit dem Mädchen, welches vor mir lag, nicht messen können. Die dünnen, durchsichtigen Gewänder waren von den oberen Theilen dieser unvergleichlichen Gestalt zurückgewichen, und da, wo sie dieselbe noch verhüllten, schienen sie bestimmt zu sein, mehr zu verrathen als zu verbergen. Und über dem Allem lag ausgebreitet der zauberische Mondesglanz Egyptens - pah, ich glaube gar, ich werde poetisch!"
(\57\)A "Kein Wunder, Kapitän! Ich gäbe sofort fünf Jahre meines Lebens hin, wenn ich an Ihrer Stelle gewesen wäre!"
"Ich wurde aus meinem Entzücken gerissen. Mein Ruderer hatte gelandet, und auch die Gondel war herbeigekommen. Die zweite Verschleierte setzte den Fuß auf das Land und kam herbeigeeilt."
"Almah! O Fatime, heiligste Frau des Himmels, hilf, daß sie nicht todt ist!"
Erst durch diesen Ruf wurde ich aus das Nöthigste aufmerksam gemacht. Ich legte die Hand auf das Herz der Verunglückten und fühlte einen leise schlagenden Puls.
"Sie lebt. Die Hand des Todes war nicht schnell genug, die herrlichste Blume Kahiras zu brechen." "Sie lebt?"
Mit diesen jubelnden Worten warf sie sich auf die Liegende nieder, zog sich den Schleier vom Gesicht und küßte die Bewußtlose auf Stirn, Wange und Lippe.
"Ja, sie lebt. Dank Dir, Fremdling! Du (\57\)B hast ein Werk gethan, welches Allah Dir niemals vergessen wird!"
Auch sie war schön, doch einige Jahre älter als die Andere. Noch kniete ich an der Seite der Letzteren und hatte ihren Kopf auf meinem Arme liegen, von welchem das aufgelöste, reiche schwarze Haar in lockiger Fülle herniederfloß."
"Wer ist sie? Wer seid Ihr?" frug ich, mehr unwillkürlich als mit bestimmter Absicht.
"Ich bin Aim,e, die Lieblingsfrau des Vizekönigs, und diese hier heißt Almah. Wer bist Du?
Ein Franke?"
Sie sprach italienisch, um von den Dienern nicht verstanden zu werden; ich durfte also annehmen, daß sie lesen könne. Noch immer kniend griff ich mit der freien Hand in meine Tasche und nahm eine Karte hervor. "Nimm und lies, wer ich bin!
Ich wollte weiter sprechen, wurde aber verhindert. Derjenige, welcher am Steuer der Barke gesessen hatte, trat herbei.
"Warum lässest Du (\58\)A die Sonne Deines Angesichtes leuchten vor dem Manne, dem Du nicht gehörst?"
Diese Worte klangen streng. Sie wandte sich ab und ließ den Schleier fallen.
"Lebe wohl, Fremdling. Aim,e sagt Dir Dank; sie wird ihre Freundin auch ohne Hülfe pflegen."
"Ist Almah auch ein Weib?" "Nein."
Jetzt durfte ich es wagen, ohne der Herrlichen zu schaden. Ich hob ihr schwer auf meinem Arme liegendes Haupt empor und drückte Kuß um Kuß auf die halb geöffneten Lippen, zwischen denen das reine Elfenbein der Zähne hindurchschimmerte. Dann erhob ich mich. "Wessen Tochter ist sie?"
"Ich darf es Dir nicht sagen. Hab Dank und lebe wohl!"
"Sie reichte mir ihre Hand, allerdings ein großes Wagniß. Ich drückte meine Lippen auf die zarten Spitzen ihrer Finger und schritt wie im Traume nach meinem Kahne - -" "Verdammt! Das war ein Fehler! Das hätte ich nicht gemacht! Ich wäre sicher nicht eher fortgegangen, als bis ich erfahren hätte, wer sie war. Doch, Sie haben sie wiedergesehen?" "Nein."
"Was? Nein? Das ist ja vollständig unmöglich!"
"Es ist einfach wirklich. Ich nahm mir allerdings vor, nach ihr zu forschen, erhielt aber bereits am nächsten Tage den Befehl, nach Algier zu gehen - tout voila; ich bin zu Ende!" "Zu Ende? Wirklich? Sie wollen nicht längeren Urlaub nehmen und hinübergehen, um nach ihr zu forschen?"
"Ich bin nicht Phantast genug, um solch einen Entschluß fassen zu können, und der Dienst -" "Ja, der leidige Dienst! Und doch! Treten Sie mir Ihre Egypterin ab, Kapitän! Ich werde hinübergehen und den Vizekönig interpelliren. Er muß mich mit seiner Aim,e sprechen lassen, und von dieser ist es ja zu erfahren, wer die Unvergleichliche ist." Der Kapitän lächelte.
"Ich kann nicht ein Gut abtreten, welches ich nicht besitze."
"So nehme ich es mir selbst. Kapitän, ich schwöre es Ihnen bei allen Liaisons der Erde, daß ich bei nächster Gelegenheit nach Egypten gehe, um Ihre Bekanntschaft fortzusetzen. Aber, meine Herren, vergessen wir nicht, daß wir für jetzt weiter engagirt sind; es bleibt uns nur noch eine Viertelstunde für unseren Wirth übrig. Vivat alle Aim,es und Almahs; Pereat alle Dahabies und Sandals, und vor allen Dingen lebe der Entdecker des schönsten Weibes im Lande der Pharaonen. Hoch!"
Die Gläser klangen; die Flaschen entleerten sich, und als die Letzte unter der Tafel verschwunden war, erhoben sich die Herren. Der Kapitän blieb allein zurück.
Er war ernst geblieben trotz der launigen Gesellschaft. Jetzt lehnte er sich in den Sessel zurück und öffnete das Medaillon, welches an seiner Uhrkette befestigt war. Es enthielt einen Frauenkopf von jener Schönheit, welche nur unter den Gluthen des Orientes zu finden ist.
"Almah! Sie ist das erste Weib, welches ich liebe, und wird auch das letzte sein. Sie ist vor mir aufgetaucht und verschwunden, wie ein Phänomen, welches mir nie wieder erscheinen wird; aber ich habe ihre Züge festgehalten und werde von dieser süßesten meiner
Erinnerungen zehren, so lange mein Herz schlägt und meine Brust athmet!"
Er trat aus der Veranda in das anliegende Zimmer und klingelte. Ein alter Mann erschien, welcher mit einer tiefen Verneigung vor der Thür stehen blieb.
"Haben Sie die Zimmer für den Pascha in Bereitschaft gesetzt?"
"Ja, Durchlaucht. Wann wird der Gast eintreffen?"
"Ich weiß es nicht. Sie werden für die nothwendige Dienerschaft sorgen müssen. Hoffentlich bleibt Ihnen bis zu seinem Eintreffen noch so viel Zeit, Alles zu arrangiren. Gestern kam der Brief des Vaters; es ist also anzunehmen, daß der Pascha vor Anfang nächster Woche nicht eintreffen wird. Für jetzt bitte ich um meinen Matrosenanzug!" Der alte Kastellan trat einen Schritt näher.