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Arthur hatte während der ganzen Erzählung zum Fenster hinausgeblickt, und keine seiner Mienen verrieth den Antheil, welchen er an dem Berichte nehmen mußte.

"Ein Meisterstück, fürwahr!" klang es rundum. "Schade, daß er in norländischen Diensten steht und damals nur als Volontär bei uns eintrat. Solche Offiziere sollte man zu gewinnen suchen!"

"Geht nicht, zumal bei dem Wege, den die jetzige Politik einzuschlagen scheint."

"Welcher Weg?"

"Der Krieg mit Norland."

"Paperlapapp! Unser Kronprinz ist ja Gast in Norland, sogar mit der Prinzeß Asta; sie würden sicherlich nicht dort sein, wenn ein Krieg in Aussicht stände."

"Begreife ich auch nicht; aber wozu die fürchterlichen Rüstungen, welche mit so großer Heimlichkeit betrieben werden?" "Habe nichts davon gehört."

"So halte die Augen offen! Wißt Ihr, daß unsere Offiziere heimlich Norland bereisen, um das Material zu einem Feldzugsplan zu sammeln?"

"Das ist Rederei, weiter nichts. Ich weiß nur, daß wir uns wegen des Zolles mit dem Nachbar streiten; von dem Übrigen mag ich nichts wissen. Dinge, für welche man nicht gelehrt genug ist, soll man Klügeren überlassen; das ist so meine Meinung. Ich bekümmere mich den Teufel darum, ob Krieg werden soll oder nicht; geht es aber los, nun, da schlage ich mit zu, wie es ja auch meine Schuldigkeit ist. Und wer ein wackerer Seemann ist, der denkt gerade ebenso wie ich. Kommt, laßt uns trinken und die Politik über Bord werfen!"

Auch Arthur griff zum Glase, um es auszutrinken, und verließ dann das Lokal. Sein scharfes Auge hatte draußen auf der Rhede ein Segel bemerkt, welches sich mit solcher Schnelligkeit (\60\)B näherte, daß seine seemännische Theilnahme im höchsten Grade erregt wurde. Er wandte sich dem Quai zu und schritt bis an die äußerste Spitze desselben, wo ihm ein freier Blick hinaus ermöglicht war.

Das Segel, welchem seine Aufmerksamkeit galt, wurde immer größer; nach einiger Zeit unterschied man die einzelnen Leinen, dann den Rumpf, und endlich war er sich im Klaren, daß er in dem Fahrzeuge eine Yacht erkannte, welche ein so eigenthümliches Takelwerk besaß, daß er die Art desselben unmöglich zu bestimmen vermochte. Das kleine, schlanke Schiff war höchsten vierzig Fuß lang und besaß eine entsprechende Breite; dabei war es so scharf auf dem Kiel gebaut, daß bei diesem Segelwerke die Gefahr des Kenterns eine außerordentliche war. Es mußte von einem ungewöhnlich kühnen und ebenso geschickten Manne geführt werden.

Endlich hatte es den Hafen erreicht, steuerte einen anmuthigen Bogen und hielt dann gerade auf die Stelle des Quai zu, an welcher Arthur stand. Als er sich genugsam genähert hatte, erblickte er auf dem Hinterdecke einen hochgewachsenen Mann in türkischer Kleidung, nach dessen Befehlen vier Matrosen von derselben Nationalität die Segel und das Ruder bedienten. Neben ihm lag in einer grünseidenen Hängematte eine vollständig in Schleier gehüllte Frauengestalt, deren aufmerksame Haltung das Interesse erkennen ließ, mit welchem sie die neue Umgebung begrüßte.

Da, gerade vor Arthur, fielen die Segel, und der Anker rasselte in die Fluth. Straff an der Ankerkette ziehend, folgte das Fahrzeug dem Wasser und legte seinen Bord hart an die steinerne Mauer, auf welcher Arthur stand. "Mann, ahoi!" rief der Türke.

(\61\)A Arthur sah, daß es ihm galt, und stand mit einem gewandten Sprunge auf dem Decke der Yacht. Jedenfalls wollte der Türke ihm eine Frage vorlegen, schien aber daran verhindert zu sein, denn kaum hatte er jetzt sein Auge schärfer auf den jungen Mann geworfen, so trat er überrascht einen Schritt zurück und rief: "Brandauer! Freund, ists---"

Er hielt mitten in der Rede inne und fuhr sich mit der Hand an die Stirne.

"Halt, das ist ja nicht möglich! Und doch - sein Sohn kann er sein---Wie ist Dein Name?"

"Bill Willmers," antwortete Arthur unter einer instinktiven Eingebung. Er wollte sein

Inkognito nicht aufgeben und womöglich nach der Art und Weise forschen, wie dieser Türke zur Kenntniß des Namens Brandauer komme.

"So bist Du Amerikaner?"

"Nein."

"Was dann?"

"Norländer."

"Ah, doch! Kennst Du die Hauptstadt des Landes?" "Ich bin da geboren."

"Und den Namen, welchen ich aussprach?"

"Brandauer?"

"Ja." "Es giebt nur einen Brandauer dort, welcher Hofschmied Seiner Majestät des Königs ist."

"Richtig! Ich hielt Dich für seinen Sohn, weil Du genau so siehst, wie er in seiner Jugend aussah. Du bist Matrose?"

"Seemann, ja."

"Auf welchem Schiff?"

"Auf keinem. Bin jetzt ohne Dienst."

"Willst Du in meinen Dienst treten? Du gefällst mir."

"Wo und wie?"

"Für die Zeit meines hiesigen Aufenthaltes. Ich werde auf Sternburg wohnen."

"Keine Miene Arthurs verriet, daß er jetzt den Mann erkannte.

"Wenn Sie gut bezahlen, ja."

"Wirst mit mir zufrieden sein. Abgemacht, topp?"

(\61\)B "Topp!"

Die Hände klangen in einander. Dann frug der Türke: "Bist Du hier bekannt?" "Leidlich."

"Wo ist Schloß Sternburg?" Arthur deutete nach der Höhe. "Dort oben."

"So steige hinauf und melde mich! Hier ist meine Karte. Wir werden Dir auf dem Fuße folgen."

Er nahm das feine Couvert in Empfang, sprang über das Bord wieder hinüber und eilte auf dem nächsten Wege der Höhe zu. Er befand sich mit einem Male in einer eigenthümlichen Stimmung, welche man beinahe Aufregung hätte nennen können. Er hatte hart neben der duftigen Frauengestalt gestanden, deren Gewand ein leiser Wohlgeruch entströmte, der ihm vertraut vorgekommen war, trotzdem er keine Zeit gehabt hatte, sich zu fragen, wo er denselben schon einmal bemerkt habe. Durch den dünnen Gesichtsschleier hatte er ein dunkles, großes Augenpaar bemerkt, welches mit eigenthümlichem Ausdrucke auf ihm zu ruhen schien; sonst aber war von der Gestalt nichts weiter zu sehen gewesen, als das kleine, mit feinen levantirten Stiefeletten bekleidete Kinderfüßchen. Wie kam dieser Muselmann, den er jetzt noch gar nicht erwartete, dazu, eine seiner Frauen, denn das war sie jedenfalls, auf eine Reise in das Ausland mitzunehmen? Er mußte weder eifersüchtig noch von denjenigen Vorurtheilen befangen sein, welche den Moslem bestimmen, seine Frauen und Töchter von dem öffentlichen Leben auszuschließen. Und dabei schien er während seiner Reise alle gewohnten Ansprüche fallen lassen zu wollen, da er vollständig ohne Dienerschaft war, denn die Matrosen konnten als solche nicht betrachtet werden, da sie an das Schiff gebunden waren.

Er öffnete unterwegs das Couvert und zog die Karte hervor; sie enthielt auf feinstem Pergamente in goldener Schrift den einfachen Namen "Nurwan Pascha". "Wirklich anspruchslos!" meinte Arthur. "Ein Anderer an seiner Stelle hätte hinzugefügt: "Admiral a.D., Liebling des Sultans, Vertrauter des Schah-in-Schah von Persien" und tausend Anderes noch."

Auf Sternburg angekommen sucht er den Kastellan auf. Er fand ihn in seiner Wohnung. "Horn, eilen Sie, laufen Sie, springen Sie - - alle Wetter, (62\)A ich bin ja ganz und gar aufgeregt; ich muß wahrhaftig erst Athem schöpfen!"

"Aufgeregt? Mein lieber, junger Herr!" rief die alte Kastellanin, indem sie die Hände zusammenschlug. "Durchlaucht sind ja stets so ruhig, daß etwas ganz Außerordentliches passirt sein muß, um Sie aufzuregen."

"Das ist es auch, meine gute Mama Horn. Denken Sie sich, der Pascha kommt!" "Der Pascha? Herr Jesses, da muß ich fort, fort, fort - -!"